Der Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) muss noch durch den Bundestag und den Bundesrat – vermutlich Ende des Jahres tritt er in Kraft. Das Gesetz musste zuvor noch nach Konsultationen mit der EU-Kommission überarbeitet werden.

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Zwei-Stufen-Plan für Anbau und Abgabe

Das neue Gesetz sieht vor, dass der Anbau und die Abgabe der Droge über Cannabis-Klubs (bis zu 500 Mitglieder) möglich sein soll. Dort soll der Bezug von maximal 25 Gramm Cannabis pro Tag sowie maximal 50 Gramm pro Monat erlaubt werden. Darüber hinaus sind für den privaten Eigengebrauch drei Pflanzen im privaten Eigenanbau erlauben. Cannabis wird im Betäubungsmittelgesetz von der Liste der verbotenen Substanzen gestrichen.

Der Verkehrsgerichtstag in Goslar hat sich im Sommer 2022 ebenfalls schon für die Legalisierung von Cannabis ausgesprochen. Die Abgabe von Cannabis-Blüten, also Marihuana (das daraus gewonnene Harz nennt sich dann Haschisch) für medizinische Zwecke durch die bundeseigene Cannabisagentur ist bereits seit März 2017 legal.

Legalisierung hin oder her: Für den Konsum von Cannabis gilt Ähnliches wie für den Konsum von Alkohol: Er beeinträchtigt die Fähigkeit zum Autofahren. Deshalb gelten für das Fahren unter dem Einfluss von Cannabis und Alkohol Restriktionen. Darf man sich also nach dem Konsum eines Joints noch hinters Steuer setzen? Ein Blick auf die Rechtslage.

Strenger THC-Grenzwert für Strafe

Das Verbot von Autofahren nach Cannabis-Konsum ist in § 24 a Straßenverkehrsgesetz geregelt, Cannabis ist in der Anlage zu dem Gesetz ausdrücklich genannt. Die kritischen Grenzwerte allerdings nicht. Sie ergeben sich aus der regelmäßigen Rechtsprechung: Ab 1,0 Nanogramm Tetrahydrocannabinol (THC) pro Milliliter Blutserum (ng/ml) begeht der Fahrer eine Ordnungswidrigkeit – nur der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat bisher mit zwei Nanogramm eine doppelt so hohe Grenze akzeptiert. Welche Menge das beim Konsum bedeutet, ist wie bei Alkohol nicht exakt zuordenbar: Wer gelegentlich Cannabis konsumiert (maximal ein Konsum pro Woche) und dabei einen Joint mit einem Drittel Gramm Cannabis, das wiederum einen THC-Gehalt in Höhe von zehn Prozent hat, raucht, dessen Blut enthält in den meisten Fällen acht Stunden nach dem Konsum noch mehr als ein Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum.

Dabei ist es unerheblich, ob der Fahrer Ausfallerscheinungen zeigt. Die Fahrerlaubnisbehörde ordnet zudem eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) an. Dies macht sie übrigens auch, wenn der Cannabiskonsum gar nichts mit einer Teilnahme im Straßenverkehr zu tun hatte – es reicht, dass die Behörde, beispielsweise im Rahmen von Strafverfahren, vom Cannabiskonsum eines Betroffenen erfährt. Sollte die Bundesregierung den Cannabishandel und den Konsum legalisieren, dürfte die Zahl der außerhalb des Straßenverkehrs erfolgten Meldungen allerdings zurückgehen.

Klare Grenzwerte für Cannabis

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) will den § 24 nachbessern und ähnlich wie beim Alkohol klare Grenzwerte für Cannabis festlegen. "Wir prüfen, wie die Grundlage für einen Grenzwert für Cannabis im Rahmen der Ordnungswidrigkeitenvorschrift des § 24a Straßenverkehrsgesetz auf wissenschaftlicher Basis ermittelt und geschaffen werden kann", so eine Sprecherin des Ministers gegenüber der Bild-Zeitung. Aktuell sei geplant, dass das Verkehrsministerium hierfür eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe mit Experten aus Medizin, Recht und Verkehr einrichten werde.

Führerschein-Risiko MPU

In jedem Fall ist die MPU eine große Gefahr für den Lappen: Im Rahmen dessen muss der Betroffene innerhalb von drei Monaten nachweisen, dass er kein Dauerkonsument ist. Dies ist nicht so einfach wie bei Alkohol, da sich die im Cannabis enthaltene psychoaktive Substanz THC nur sehr langsam, über Monate, im Körper abbaut – die Abbauprodukte sind noch über Wochen im Blut und über Monate im Urin nachweisbar. Der Betroffene muss aber nachweisen, dass er kein THC mehr im Blut hat – ansonsten besteht er die medizinischen Tests nicht, die der erste Teil der MPU sind (erst dann folgen der psychophysische Leistungstest und das psychologische Gespräch). Die Nachweise kosten ebenso Geld wie die MPU selbst – eine in Bezug auf Drogenkonsum durchgeführte MPU schlägt mit zirka 750 Euro zu Buche. Nach Angaben der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) haben im Jahr 2020 nur 55,7 Prozent der Drogen-MPU-Prüflinge die Prüfung im ersten Anlauf bestanden. 39,1 Prozent sind durchgefallen, 5,3 Prozent mussten zur Nachschulung. Da weniger als 56 Prozent der Prüflinge die MPU bestehen, ist der Führerschein mit zirka 44-prozentiger Wahrscheinlichkeit erstmal weg, mit fast 40 Prozent sogar für richtig lange – diese Gruppe gilt dann wegen Nichtbestehens der MPU als dauerhaft ungeeignet, ein Auto im öffentlichen Straßenverkehr zu bewegen.

Deftige Bestrafung für Cannabis am Steuer

Wen die Polizei mit einem Nanogramm oder mehr THC pro Milliliter Blutserum hinterm Steuer erwischt, dem drohen heftige Strafen: Beim ersten Mal beträgt das Bußgeld 500 Euro, es gibt zwei Punkte in Flensburg und die Fahrerlaubnis ist für einen Monat weg. Beim zweiten Mal sind 1.000 Euro Bußgeld fällig, es gibt immer noch zwei Punkte und der Führerschein wandert für drei Monate zur Polizei. Beim dritten Mal erhöht sich das Bußgeld auf 1.500 Euro, Punkte und Fahrerlaubnis-Entzug bleiben im Vergleich zum zweiten Verstoß unverändert.

Der Körper baut Cannabis langsam ab

Da der Abbau von THC im Körper lange dauert, sollte ein Konsument nach einmaligem Kiffen mindestens 24 Stunden warten, ehe er sich wieder hinter ein Steuer setzt. Nicht mehr nachweisbar ist THC im Körper nach einmaligem Kiffen, aber erst nach frühestens einem Monat. Wer regelmäßig Cannabis konsumiert, muss damit rechnen, dass THC noch länger als drei Monate in seinem Körper nachweisbar ist. Baut der Betroffene also beispielsweise nach drei Monaten Cannabis-Abstinenz einen Unfall und die Untersuchungsbehörde entdeckt in einer Blutprobe die THC-Abbauprodukte, dann ist der Führerschein weg, es gibt Punkte in Flensburg, mindestens 500 Euro und eine MPU sind fällig.

Vergleich zu Alkohol

Im Vergleich zu THC baut sich Alkohol im Körper mit 0,1 bis 0,2 Promille pro Stunde rasend schnell ab. Außerdem ist bei Alkohol ein Promillewert von bis zu 0,49 erlaubt – außer der Fahrer zeigt vorher schon Ausfallerscheinungen. Über 0,5 Promille kennt der Gesetzgeber ebenso wie bei 1,0 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum kein Pardon: Die Strafen sind identisch. Allerdings erfolgt die Anordnung einer MPU meistens erst beim zweiten Verstoß und das Bestehen der medizinischen Tests als Teil einer MPU ist wegen des schnellen Alkoholabbaus im Körper deutlich wahrscheinlicher. Allerdings haben 2020 nur 50,8 Prozent der Alkohol-MPU-Prüflinge die MPU bestanden, 41,9 Prozent sind durchgefallen, 7,3 Prozent mussten zur Nachschulung. In der Praxis scheinen 2020 also mit 55,7 zu 50,8 prozentual mehr Kiffer als Alkoholsünder die MPU geschafft zu haben.

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Gefährdet der Fahrer unter Alkoholeinfluss zudem den Straßenverkehr, gibt es schon ab 0,3 Promille Blutalkohol-Konzentration eine empfindliche Strafe: Drei Punkte in Flensburg, Entziehung der Fahrerlaubnis und eine Geld- oder sogar Freiheitsstrafe machen klar, wie ernst der Gesetzgeber so einen Verstoß nimmt. Die Geld- oder Freiheitsstraße ist beim Erreichen der absoluten Fahruntüchtigkeit (1,1 Promille) noch mal deutlich höher, hinzu kommt eine MPU bereits beim ersten Verstoß.  © auto motor und sport

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