Die EU-Kommission hat einen Vorschlag vorgelegt, der vorsieht, dass Fahrzeuge ab einem Alter von zehn Jahren künftig jährlich zur Hauptuntersuchung (HU) müssen. So reagierten Politik, Verbände und Autoclubs.

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Ziel der Maßnahme sei es laut Brüssel, die Verkehrssicherheit in Europa zu erhöhen, Emissionen zu senken und betrügerischen Manipulationen an Fahrzeugen – etwa am Kilometerstand – besser vorzubeugen. In Deutschland, wo derzeit eine zweijährige Prüfpflicht gilt, stoßen die Pläne auf deutlichen Widerstand – sowohl von politischer Seite als auch aus den Reihen von Verbänden und Interessenvertretern.

Die Kommission will erreichen, dass ältere Pkw und leichte Nutzfahrzeuge regelmäßiger technisch überprüft werden. Hintergrund sind Unfallzahlen, die – aus Sicht der Brüsseler Behörde – unter anderem durch technische Mängel begünstigt werden. Verkehrskommissar Apostolos Tzitzikostas sagte: "Die EU ist fest entschlossen, die Zahl der Verkehrstoten und Schwerverletzten bis 2030 um 50 Prozent zu senken."

Neben der geplanten HU-Pflicht enthält der Vorschlag weitere Maßnahmen, etwa:

  • Einführung digitaler Fahrzeugzulassungen
  • Verbesserter Datenaustausch zwischen den Mitgliedstaaten
  • Schutz vor Kilometerstandmanipulation
  • Erleichterung technischer Kontrollen bei Fahrzeugnutzung im EU-Ausland

Video: EU will kürzeres HU-Intervall

Die EU-Kommission rechnet mit einem Rückgang der Verkehrsopfer um rund ein Prozent durch die Maßnahme. Ältere Fahrzeuge seien pannenanfälliger, häufiger in Unfälle verwickelt und produzierten mehr Emissionen, so die Begründung.

Kritik aus der Politik

In Deutschland formierte sich rasch politischer Widerstand gegen die geplante Regelung:

Markus Ferber, CSU-Europaabgeordneter, erklärte: "Bevor wir neue Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger schaffen, sollten wir genau prüfen, ob die bestehenden Regelungen nicht ausreichend sind. Bürokratie und Kosten dürfen nicht unnötig in die Höhe getrieben werden."

Jens Gieseke (CDU), verkehrspolitischer Sprecher im EU-Parlament, hält den Vorschlag ebenfalls für überzogen: "Ich halte diesen Vorschlag für unverhältnismäßig und belastend für viele Bürgerinnen und Bürger, insbesondere für diejenigen mit älteren, aber gut gewarteten Fahrzeugen. Das jetzige System hat sich bewährt."

Christian Bernreiter, bayerischer Verkehrsminister (CSU), ging noch weiter: "Die Forderung nach einer jährlichen Pflichtinspektion für ältere Autos ist ein Negativbeispiel, wie die EU die Menschen mit Bürokratie überhäuft. Das ist unnötig, schikaniert ältere Menschen und belastet Familien unzumutbar." Auch Siegbert Droese (AfD) kritisierte die Pläne als einen "Angriff auf die Freiheit".

Deutliche Ablehnung auch von Verbänden und Autoclubs


Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) lehnt die Pläne der Kommission entschieden ab. ZDK-Vizepräsident Detlef Peter Grün betonte:

"Nicht die Frequenz der Hauptuntersuchungen ist entscheidend, sondern ihre fachliche und technische Güte. […] Die Kosten im Straßenverkehr für Autofahrerinnen und Autofahrer sind schon jetzt immens hoch – und die Halter müssten auch diese HU-Kosten tragen. Deshalb lehnen wir eine jährliche HU-Pflicht für ältere Autos auch im Sinne des Verbraucherschutzes ganz klar ab." Er verwies zudem auf die in Deutschland bereits verschärften Prüfverfahren: "Die in Deutschland gültige zweijährige Prüffrist für Hauptuntersuchungen geht schon heute teilweise über die relevanten EU-Vorgaben hinaus und gewährleistet ein hohes Maß an Verkehrssicherheit."

Ältere Fahrzeuge zeigten laut Erfahrungen aus Werkstätten keine signifikant höheren sicherheitsrelevanten Mängel. Auch die jährlichen Inspektionen im Fachbetrieb trügen zur Sicherheit bei, betonte Grün: "Dieser Tatbestand sollte ebenfalls berücksichtigt werden, statt Überlegungen über eine Verkürzung des HU-Intervalls anzustellen."Auch der größte deutsche Automobilclub ADAC äußerte sich ablehnend: "Wir sehen die Notwendigkeit einer jährlichen Hauptuntersuchung für ältere Fahrzeuge in Deutschland kritisch. Das bestehende System mit seinen Prüfintervallen hat sich als effektiv erwiesen." Eine Verschärfung der Vorgaben könne die gesellschaftliche Akzeptanz gefährden, warnte der Club.

In eine ähnliche Kerbe schlägt der Automobilclub von Deutschland (AvD): AvD Präsident Lutz Leif Linden: "Viele Fahrzeughalter sind aufgrund der stets steigenden Preise nicht in der Lage, sich ein neues Auto zu kaufen. Dazu belegen unsere Zahlen eindeutig, dass ältere Fahrzeuge nicht häufiger zu Pannen führen als jüngere Fabrikate – im Gegenteil. Daher sind Forderungen nach einem kürzeren Prüfintervall aus Sicht des AvD völlig an der Realität vorbei und würden nur unnötige Mehrkosten verursachen!"

Einordnung: In Deutschland bereits strenge Regelung

Aktuell müssen Pkw in Deutschland grundsätzlich alle zwei Jahre zur HU, bei Neuwagen erstmals nach 36 Monaten. Wer die Frist versäumt, riskiert Bußgelder. In vielen anderen EU-Staaten gibt es hingegen bereits kürzere Prüfintervalle für ältere Fahrzeuge.

Laut Kraftfahrt-Bundesamt liegt die Mängelquote bei Fahrzeugen über neun Jahren deutlich höher: 2023 bestanden nur 54 Prozent dieser Autos die HU ohne Beanstandung. Bei mehr als jedem vierten Fahrzeug wurden erhebliche Mängel festgestellt, rund ein Prozent war sogar verkehrsunsicher.

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Wie geht es weiter?

Der Vorschlag der Kommission muss noch vom Europäischen Parlament sowie vom Rat der EU-Mitgliedstaaten beraten und beschlossen werden. Änderungen oder Ablehnungen einzelner Punkte sind im weiteren Verfahren möglich. Sollte die jährliche HU tatsächlich europaweit eingeführt werden, müsste auch Deutschland sein bestehendes System anpassen.  © auto motor und sport