Die EU möchte, dass ältere Fahrzeuge jährlich einer HU unterzogen werden. Auch Motorräder über 10 Jahre sollen jährlich zu TÜV & Co. gezwungen werden.

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Im Dezember 2024 schlug der Geschäftsführer des TÜV Süd vor: Fahrzeuge sollen ab 10 Jahren nach der Erstzulassung jährlich zur HU. Ein Vorschlag, der regelmäßig von den Prüfvereinen kommt. Der Sicherheit wegen.

Auf EU-Ebene scheinen die Lobbyisten Gehör zu finden, denn die Kommission schlägt vor, die Prüfintervalle der Hauptuntersuchung von Fahrzeugen ab 10 Jahren auf 12 Monate zu senken. Motorräder wären davon nicht ausgenommen. So schmerzhaft und vor allem teuer das wäre: In den meisten Ländern wäre das nichts Neues.

Mehr als 3,6 Millionen Motorräder betroffen

In Deutschland fallen derzeit um die 3,6 Millionen Krafträder in die Altersgruppe "10 Jahre und älter". Im Grunde jedes Krad mit Erstzulassung vor 2015, um es einzugrenzen. Im Schnitt kostet eine Hauptuntersuchung mit AU fürs Motorrad in Deutschland derzeit um die 86 Euro.

Der Vorschlag der EU könnte deutsche Kraftradler jährlich also bis zu 300 Millionen Euro zusätzlich kosten und den Prüforganisationen entsprechende zusätzliche Einnahmen einbringen. Alles im Namen der Sicherheit? Laut EU und den Prüforganisationen: Ja.

Laut Statistik: Nein. 2023 wurden laut KBA 1.843.883 Krafträder einer HU unterzogen. Davon wiesen 1.651.791 keine Mängel auf. Als "verkehrsunsicher" galten 192 untersuchte Motorräder und selbst "gefährliche Mängel" wurden nur bei 7.785 Motorrädern dokumentiert. Zusammengefasst sprechen wir hier gerade einmal über 0,43 Prozent.

Ab wann müssen Motorräder jährlich zum TÜV?

Aktuell gilt der bekannte Turnus von 24 Monaten zwischen den HU-Terminen. Und daran wird sich so schnell nichts ändern, denn die EU-Kommission hat einen Vorschlag unterbreitet. Bevor die Vorschläge in Kraft treten können, müssen sie vom Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens angenommen werden. Im Anschluss wird die Kommission die entsprechenden delegierten Rechtsakte und Durchführungsbestimmungen vorbereiten.

Anschließend müssten Teile der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) geändert werden. Im Detail die Anlage VIII des §29, in der die Intervalle festgelegt sind, in denen Fahrzeugtypen zur HU, AU oder SP (Sicherheitsprüfung) müssen. Und hier – vielleicht zum Glück – stehen die Krafträder, also alles über ab der Klasse A1 unter einem eigenen Unterpunkt. Sprich: Sollte sich bei Personenkraftwagen etwas ändern, muss das nicht zwangsläufig für Krafträder gelten.

In diesen Ländern müssen ältere Motorräder jährlich zum TÜV

  • Großbritannien: Fahrzeuge müssen ab dem dritten Jahr jährlich zur HU.
  • Spanien: Fahrzeuge, die älter als zehn Jahre sind, müssen jährlich zur HU.
  • Irland: Fahrzeuge ab zehn Jahren unterliegen einer jährlichen HU-Pflicht.
  • Niederlande: Fahrzeuge müssen ab dem dritten Jahr jährlich zur HU.
  • Luxemburg: Fahrzeuge müssen ab dem dritten Jahr jährlich zur HU.
  • Österreich: Fahrzeuge, die älter als zehn Jahre sind, müssen jährlich zur HU.
  • Polen: Fahrzeuge, die älter als zehn Jahre sind, müssen jährlich zur HU.
  • Belgien: Fahrzeuge, die älter als vier Jahre sind, müssen jährlich zur HU

Die meisten Fahrzeuge müssen jährlich zum TÜV

Interessante Randnotiz zur Anlage VIII des §29 StVZO, dass von den 22 erwähnten Fahrzeugklassen bereits heute 15 Klassen alle 12 Monate zur HU müssen. Darunter hauptsächlich Fahrzeuge über 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht und gewerblich genutzte unter 3,5 Tonnen sowie Anhänger.

Fazit

Die Diskussion um eine jährliche Hauptuntersuchung für Motorräder ab zehn Jahren zeigt erneut den Spannungsbogen zwischen Sicherheitsargumenten und tatsächlichen statistischen Grundlagen. Während die EU-Kommission eine Angleichung an viele europäische Länder anstrebt und Sicherheitsbedenken ins Feld führt, sprechen die Zahlen aus Deutschland eine klare Sprache: Nur ein Bruchteil der geprüften Motorräder weist sicherheitsrelevante Mängel auf. Dennoch könnte eine Umsetzung des Vorschlags für über 3,6 Millionen Halter in Deutschland jährlich Kosten in dreistelliger Millionenhöhe verursachen.

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Ob und wann die Regelung greift, bleibt offen – das EU-Gesetzgebungsverfahren ist komplex und lässt Spielraum für Differenzierungen zwischen Fahrzeugklassen. Ein Automatismus, dass auch Motorräder künftig jährlich zur HU müssen, besteht aktuell nicht. Vor dem Hintergrund der vergleichsweise geringen Mängelquote bei Zweirädern bleibt es fraglich, ob eine solche Maßnahme tatsächlich im Sinne der Verkehrssicherheit erfolgt.  © Motorrad-Online