Mercedes hat für 2024 maue Geschäftszahlen präsentiert. Ursache dafür sind auch eigene Fehler – bei der Elektro-Strategie und beim Design von E-Modellen. Nun folgt die Kehrtwende.
"Mercedes-Benz ist eine ikonische Marke. Unsere Verantwortung besteht darin, ihr volles Potenzial zu heben." Das sagte kein Geringerer als Vorstandschef Ola Källenius im Rahmen der Bekanntgabe der Geschäftszahlen des Jahres 2024. Dass diese angesichts eines Umsatzrückgangs sowie Einbrüchen bei Gewinn und Rendite ziemlich mies ausgefallen sind, dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben. Doch das Management des Konzerns scheint die passenden Rückschlüsse daraus zu ziehen – und erkannt zu haben, dass auf der Führungsebene ebenfalls Fehler gemacht wurden.
Mercedes vereinheitlicht sein Design
So lassen sich jedenfalls die Ad-hoc-Maßnahmen interpretieren, mit denen sie bei Mercedes die große Wende schaffen wollen. Eine davon betrifft das Design, denn insbesondere jenes der EQ-Elektromodelle hat den Geschmack der potenziellen Kundschaft offensichtlich weit verfehlt. Die rundlichen Formen führen zwar zu rekordverdächtigen cw-Werten, schaffen aber eben auch eine Ästhetik, die so gar nicht zur – siehe Textbeginn – "ikonischen Marke" und zum restlichen Modellangebot passen will. EQS, EQE und ihre SUV-Ableger entwickelten sich auch deswegen zu Ladenhütern. Teils unverschämt hohe Preise und die immer stärker um sich greifende Kaufzurückhaltung bei E-Autos – gerade im Luxusbereich – kamen erschwerend hinzu.
Doch nun wird beim Thema Design alles anders. "Mercedes-Benz wird ein stimmiges, statusorientiertes Design über das gesamte Portfolio hinweg anwenden", heißt es neuerdings aus Stuttgart. Die Kundinnen und Kunden sollen sich in erster Linie für ein Modell entscheiden – und erst dann ihren bevorzugten Antriebstyp wählen. Den ersten Schritt in diese Richtung macht der neue CLA (siehe Fotoshow), der noch in diesem Jahr auf Basis der frisch konstruierten MMA-Plattform (Mercedes Modular Architecture) erscheinen wird. Ihn wird es sowohl mit rein elektrischen als auch mit Verbrennerantrieben geben, wobei erst auf den zweiten Blick erkennbar sein wird, in welcher Kategorie sich das jeweilige Auto einordnet.
Mercedes nun auf BMW- und VW-Linie
Damit schwenkt Mercedes auf einen Weg ein, den ein anderer deutscher Hersteller längst beschreitet. BMW hat(te) mit dem i3 und iX zwar Ausnahmen im Programm, die bestätigen jedoch allenfalls die Regel. Wer heute beim ewigen Münchner Mercedes-Rivalen die Elektro- von der Hybrid- oder Verbrennerversion unterscheiden möchte, muss schon ganz genau hinschauen. Das ist sicher einer der Gründe, warum BMW einer von nur wenigen Herstellern ist, bei denen das Geschäft mit E-Autos floriert: Der Zuwachs in diesem Bereich betrug konzernweit 2024 beachtliche 13,5 Prozent.
Wie Mercedes hat es auch VW erst einmal mit E-Modellen versucht, die eine eher eigenwillige Designsprache präsentieren. Doch vom ID.3 bis zum ID. Buzz wollen sich die Elektriker optisch so gar nicht in die Gesamtpalette einordnen – und haben es folgerichtig schwer, beim Publikum zu punkten. Deshalb versuchen sie in Wolfsburg ebenfalls, das gestalterische Ruder herumzureißen. Die kommenden kleinen E-Modelle ID.1 und ID.2 werden wieder klar als Volkswagen-Modelle zu identifizieren sein.
Mercedes schafft EQ-Bezeichnungen ab
Parallel passt VW die Modellbezeichnungen an. Die Elektroversionen werden künftig bekannte Namen wie Golf oder Polo (diesen Namen wird der ID.2 wohl erhalten) tragen, genau wie ihre Verbrenner-Pendants. Ähnlich wird Mercedes verfahren; EQS und EQE gehören bald der Vergangenheit an. "Im Laufe der nächsten Jahre wird es die Nomenklatur geben, die Sie kennen: S-Klasse, E-Klasse, C-Klasse und die SUV-Derivate davon", kündigte Källenius bereits 2024 an. Ein Vorbote dieser neuen alten Namensstrategie war die elektrische G-Klasse, die nun – wenn auch etwas sperrig – G 580 mit EQ-Technologie heißt.
In Sachen Gesamtstrategie fokussierte sich Mercedes zuletzt stark auf hochpreisigen Luxus. Das stieß nicht nur vielen Kundinnen und Kunden sauer auf, sondern auch den eigenen Händlern, die dem Hersteller schon 2023 in einem Brandbrief unter anderem "Gier" vorwarfen. Komplett abrücken will der Konzern davon jedoch nicht. Vielmehr streben die Schwaben einen "weiteren Ausbau und die Sicherung des Anteils an Top-End-Fahrzeugen" an. In seinen Luxusmarken wie Maybach oder AMG sieht Mercedes noch nicht erschlossenes Potenzial, das stärker genutzt werden soll.

Kleinere Baureihen im Fokus
Trotzdem scheint ein gewisser Realismus in der Mercedesstraße in Stuttgart-Untertürkheim Einzug gehalten zu haben. "Wir werden unsere Kunden mit Fahrzeugen begeistern, die konsequent auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind", sagt Markus Schäfer, der als Konzern-Vorstandsmitglied gleichzeitig Chief Technology Officer sowie für Entwicklung und Einkauf zuständig ist. Entsprechend kommen jetzt erst einmal neue – für Mercedes-Verhältnisse – Brot-und-Butter-Modelle: der bereits erwähnte CLA, elektrische Versionen des GLC und der C-Klasse sowie der "Baby G", eine kleinere Version des Offroad-Klassikers G-Klasse. Das sieht ganz danach aus, als hätten Källenius, Schäfer und Co. erkannt, dass es ganz ohne Volumen auch nicht geht. © auto motor und sport