Einst als Symbol für Reichtum und Status, heute ein faszinierendes Relikt der Fahrradgeschichte – das Hochrad. Doch wer hätte gedacht, dass dieses nostalgische Gefährt auch heute noch auf unseren Straßen fahren darf? Wir klären auf, welche Regeln für das Fahrvergnügen auf hohen Rädern gelten.
Mit ihrem überdimensional großen Vorderrad und dem deutlich kleineren Hinterrad wirken Hochräder wie aus der Zeit gefallen. Und tatsächlich stammen sie aus einer Ära, in der Fahrräder noch "Velocipede" genannt wurden: Zwischen 1870 und 1892 wurden über 200.000 Hochräder gebaut – bevor sie vom deutlich sichereren Niederrad verdrängt wurden.
Heute gelten Hochräder als Liebhaberstücke, Sammlerräder oder nostalgische Hingucker bei Stadtfesten und historischen Paraden.
Richtig ausgestattet, sind Hochräder im Straßenverkehr erlaubt
Doch was viele nicht wissen: Hochräder sind in Deutschland grundsätzlich im Straßenverkehr erlaubt. Es gibt kein explizites Verbot für diese Fahrradform. Entscheidend ist, dass das Rad den Anforderungen der StVZO entspricht. Dazu gehören unter anderem:
- Eine funktionierende Lichtanlage (Front- und Rücklicht)
- Seitliche Reflektoren
- Zwei unabhängig voneinander wirksame Bremse
- Eine Klingel
Diese Vorgaben gelten für alle Fahrräder – unabhängig von Baujahr, Stil oder Laufradgröße. Für Hochräder bedeutet das in der Praxis: Wer mit einem originalen Modell aus dem 19. Jahrhundert fahren will, muss es entsprechend nachrüsten. Oder auf moderne Repliken zurückgreifen, die mit StVZO-konformer Technik ausgestattet sind.
Knackpunkt: die Bremsen
Ein entscheidender Punkt bei der Nutzung von Hochrädern im Straßenverkehr ist die Bremse – oder besser gesagt, das Fehlen einer brauchbaren. Die meisten Hochräder verfügen nur über eine einzelne Bremse, die am Vorderrad angebracht ist. Diese Bremse ist jedoch nicht wirklich effektiv und birgt ein hohes Risiko: Bei einer plötzlichen Vollbremsung besteht die Gefahr, über den Lenker zu stürzen, da der Fahrer extrem hoch sitzt und der Schwerpunkt des Fahrrads nahe des Vorderrades liegt.
Daher bremsen die meisten Fahrer auf einem Hochrad indem sie, wie bei einem Fixie, mit den Pedalen arbeiten – oder abspringen. Beides ist nicht StVZO-konform. Auch wenn es einige Berichte über Menschen gibt, die im Alltag mit demHochrad fahren, dürfte für die meisten Hochräder weiterhin nur Veranstaltungen oder Fahrten außerhalb des Straßenverkerkehrs in Frage kommen.
Fahren mit dem Hochrad: Balanceakt mit Geschichte
Das Hochrad – im englischen Sprachraum auch als "Ordinary" oder "Penny-Farthing" bekannt – ist nicht nur optisch ein Unikat. Es stellt auch fahrtechnisch hohe Anforderungen: Aufsteigen will gelernt sein, ebenso das sichere Anhalten. Die hohe Sitzposition, der direkte Antrieb ohne Freilauf und die fehlende Federung machen das Fahren zu einem Balanceakt.
Geübte Fahrer können mit einem Hochrad durchaus Geschwindigkeiten von bis zu 20 km/h erreichen. Doch der hohe Schwerpunkt und die besondere Lenkgeometrie sorgen dafür, dass Stürze – insbesondere über das Vorderrad – nicht selten sind. Die Kollision mit einem Bordstein kann schnell im sogenannten "Header" enden: einem Sturz kopfüber über den Lenker.
Hochradfahren im Alltag: selten, aber möglich
Trotz aller Tücken ist das Hochrad kein Museumsstück mit Fahrverbot. Im Gegenteil: Wer eines besitzt und die technischen Anforderungen erfüllt, darf sich damit ganz legal auf Radwegen und Straßen bewegen. In der Praxis sind Hochradfahrer im Alltag allerdings eine absolute Rarität – nicht nur aus Komfortgründen, sondern auch, weil viele Modelle nicht oder nur schwer modernisiert werden können. Wer jetzt Lust bekommen hat, kann das Hochradfahren zum Beispiel in der Hochradfahrschule in NRW ausprobieren.
Fazit: Wer mit einem Hochrad unterwegs ist, fährt nur ein Stück Fahrradgeschichte. Wichtig ist, dass die Ausstattung den Regeln der StVZO entspricht. Dann steht einer kleinen Zeitreise auf zwei Rädern nichts im Wege. © Bike-X