- Die Zahl an Corona-Infektionen ist zuletzt wieder gestiegen.
- Laut Gesundheitsminister Lauterbach befindet sich Deutschland in der "Sommerwelle" – dennoch laufen die Regeln für Gratis-Tests in wenigen Tagen aus.
- Welchen Kurs die Regierung nun genau einschlagen will, ist noch offen – doch Lauterbach sieht keinen Grund für Aufregung.
Noch bis einschließlich 29. Juli sind die kostenlosen Corona-Bürgertests geregelt. Wie es danach weitergeht? Das ist bislang noch genauso unklar, wie der Corona-Kurs der Bundesregierung für den Herbst und Winter dieses Jahres. Denn auch die Regelungen im Infektionsschutzgesetz laufen nur noch bis zum 23. September.
Aus den Ländern werden deshalb Stimmen laut, die den Bund zur Eile antreiben. Denn die Zeit drängt. Der Bundestag geht laut Sitzungskalender am 8. Juli in die Sommerpause und kommt dann erst in der Woche ab 5. September wieder zusammen.
Sollte man sich bis zur Auszeit des Parlaments nicht auf einen Kurs verständigt haben, könnte es zu spät sein, um sich auf die von Experten befürchteten steigenden Infektionszahlen vorzubereiten
Herbstwelle: Bundesländer machen Druck bei den Corona-Regeln
Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen fordern deshalb vom Bund, schnell die gesetzlichen Voraussetzungen für schärfere Schutzmaßnahmen zu schaffen.
Die Ampel müsse noch vor der Sommerpause eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes vorlegen, heißt es in einem Beschlussentwurf der vier Länder für die am Mittwoch beginnende Konferenz der Gesundheitsminister von Bund und Ländern.
Das sei nötig, um auf einen Anstieg der Infektionen im Herbst mit geeigneten Gegenmaßnahmen reagieren zu können. "Dazu zählen insbesondere Maskenpflicht in Innenräumen, 3G/2G-Zugangsregeln, Testpflichten, Personenobergrenzen und Kontaktbeschränkungen", wie es in dem Entwurf heißt, der der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vorliegt.
Die Infektionszahlen waren zuletzt bereits gestiegen. Das Robert Koch-Institut (RKI) gab die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz der Corona-Neuinfektionen am Dienstag mit 458,5 an.
Am Vortag hatte der Wert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche bei 416,0 gelegen (Vorwoche: 447,3; Vormonat: 342,0). Lauterbach sagte am Dienstag im ARD-"Morgenmagazin", er gehe von einer Dunkelziffer von 50 Prozent aus.
Lauterbach: Das Drama wird ausbleiben
Dennoch mahnte der Bundesgesundheitsminister, nicht in Panik zu verfallen. Wie er in der ARD erklärte, erwarte er derzeit nicht, dass der weitere Corona-Kurs innerhalb der Ampel-Koalition für Streit sorgen wird.
Man warte derzeit auf das Gutachten eines Sachverständigenrates zu den bisherigen Vorkehrungen. Anschließend an den Bericht werde man sich "dann sehr schnell einigen. Das Drama, auf welches jetzt alle warten, wird ausbleiben." Außerdem werde Deutschland Lauterbach zufolge "für den Winter viel besser gerüstet sein, als es der ein oder andere jetzt vermutet".
Der Sachverständigenrat soll am 30. Juni seine Stellungnahme zur Überprüfung der bisherigen Corona-Schutzmaßnahmen vorlegen. In dem Bericht sollen sowohl die Auswirkungen der bislang in der Pandemie erlassenen Regeln sowie deren Wirksamkeit beurteilt werden.
Der Vorsitzende des Gremiums, Stefan Huster, warnte jedoch zuletzt im "Spiegel" vor zu hohen Erwartungen an den Abschlussbericht der Kommission. Man werde keine Empfehlungen an die Politik abgeben.
Lauterbach lässt genaue Corona-Pläne für den Herbst weiter offen
Eine detaillierte Darstellung der künftigen Corona-Strategie blieb Lauterbach bei seinem Auftritt in der ARD auch am Dienstag schuldig. Er verwies lediglich auf einen Sieben-Punkte-Plan, den er bereits am vergangenen Freitag skizziert hatte.
Wie der SPD-Politiker damals in Berlin verkündete, solle dazu eine Impfkampagne mit verschiedenen Impfstoffen gehören. Ziel sei es, gezielt Impflücken zu schließen. Kommen soll auch ein Konzept, um den Einsatz von Medikamenten bei Erkrankten zu verbessern. Zum Schutz von Risikogruppen sind demnach präzisere Zuständigkeitsvorgaben für Hygienevorgaben in Pflegeheimen vorgesehen.
Das RKI soll die Länder zudem mit Konzepten für Tests und Maßnahmen wie Maskentragen für Schulen und Kitas unterstützen. Dabei gelte es, Schließungen mit allen Mitteln zu vermeiden, sagte Lauterbach.
Einem neuen Anlauf für eine allgemeine Impfpflicht erteilte Lauterbach dabei eine Absage. Der Gesundheitsminister gehe aber davon aus, dass die Bürgertests auch nach dem 29. Juli weiter genutzt werden könnten.
Wie der SPD-Politiker am vergangenen Freitag ankündigte, wolle er mit Justizminister Marco Buschmann (FDP) noch vor der Sommerpause Eckpunkte für künftige Regelungen im Infektionsschutzgesetz anstreben. Sie könnten dann nach dem Sommer beschlossen werden.
Experten prangern mangelnde Daten zur Pandemie an
Ab September sollen zudem Daten zu freien Betten in Krankenhäusern tagesaktuell elektronisch an das Robert-Koch-Institut (RKI) übermittelt werden können. Die Bundesärztekammer hatte zuletzt scharfe Kritik geübt, weil Deutschland zu wenig Pandemiedaten gesammelt habe.
"Wir haben in den letzten zweieinhalb Jahren einen wahren Datenblindflug erlebt, der keine gute Grundlage für rationale Entscheidungen war", sagte Ärztepräsident Klaus Reinhardt der Funke-Mediengruppe im Juni. Nur wenn Klarheit über das tatsächliche Infektionsgeschehen herrsche, könne die Belegung der Krankenhaus- und Intensivbetten realistisch prognostiziert werden.
Die Bundesregierung sollte sich daher den Rat ihrer Experten zu eigen machen und endlich systematisch Daten zu Infektionsdynamik, Krankheitsschwere und zur Belastung des Gesundheitswesens erheben und auswerten.
Der Expertenrat der Bundesregierung erwartet im Herbst und Winter erneut eine erhebliche Belastung des Gesundheitssystems. Er empfiehlt eine Rechtsbasis für schnelle Reaktionen auf möglicherweise steigende Infektionszahlen im Herbst und Winter und dringt auf langfristige Verbesserungen – etwa bei Datenanalyse und Prognose.
Der Rat fordert zudem Einheitlichkeit – nämlich eine zentrale Koordination der Pandemiemaßnahmen zwischen Bund und Ländern und eine bundesweit möglichst einheitliche und schnelle Kommunikation. Lauterbach hatte zuvor betont, die Stellungnahme werde zur "Basis für den Corona-Herbstplan der Bundesregierung". (thp/dpa)