- Georg Gänsweins Buch über seine Zeit als Privatsekretär des deutschen Papstes Benedikt XVI. macht Schlagzeilen - und nicht nur positive.
- Im Interview nimmt Gänswein Stellung zu der Kritik und übt sie seinerseits: am Synodalen Weg, an Medien und auch an sich selbst.
Papst
Wie geht es Ihnen denn heute, rund zwei Monate nach dem Tod von Benedikt? Haben Sie sich sammeln können?
Georg Gänswein: Ich bin dabei, wieder auf die Beine, innerlich auf die Höhe, zu kommen. Gesundheitlich geht es mir ordentlich, ich bin wohlauf und guter Dinge.
Sind Sie auch schon umgezogen?
Wenn ich heute Abend nach Rom zurückfliege, werde ich zum ersten Mal in meiner neuen Wohnung übernachten. In Absprache mit
Georg Gänswein wollte Veröffentlichung "mit etwas Abstand"
Sehr kurz, fast unmittelbar nach dem Tod von Benedikt XVI. ist Ihr Buch über ihn auf den Markt gekommen. Das hat Ihnen Kritik eingebracht und Vorwürfe, Sie wollten einen gewissen medialen Schwung mitnehmen für die Vermarktung ...
Der Vorwurf im Hinblick auf den Zeitpunkt der Ankündigung des Buches ist berechtigt. Es war vereinbart, dass das Buch post mortem, nach dem Tod von Papst Benedikt, erscheinen soll. Das wusste auch Benedikt. Das habe ich ihm selbst gesagt. Dann aber wurde die Veröffentlichung unmittelbar nach dem Tod Benedikts schon angekündigt. Das hat auch mich völlig überrascht, ja erschüttert. Es musste in der Öffentlichkeit genau der Eindruck entstehen, den Sie geschildert haben, dass ich diesen Umstand nutze, um Werbung zu machen für das Buch – das hat mich beschämt. Aber mir wurde dann lediglich mitgeteilt, dass die Veröffentlichung eines Buches immer auch eine "Vorgeschichte" habe, und das gelte auch für das meine. Kurzum: Die Medien hätten ihre eigenen Gesetze. Ein Eingreifen meinerseits stellte sich als unrealistisch heraus. Ich wollte nicht, dass das Buch sofort nach dem Tod erscheint, sondern erst nach einer bestimmten Zeit danach, mit etwas Abstand. Aber der Zug war bereits abgefahren.
Sie beschreiben Ihre Aufgabe im Dienst des Papstes als "Dach", das ihn schützt. An anderer Stelle nennen Sie sich "Schneepflug" des Pontifex. Bei der Vorstellung Ihres Buches erwähnten Sie, dass es Ihnen auch darum geht, ein bestimmtes Narrativ vielleicht zu verhindern oder zumindest Ihre Stimme zu erheben in der posthumen Bewertung Benedikts ...
Das Ziel meines Buches, die Absicht ist es, schlichtweg Benedikt so darzustellen, wie er war. Darum auch der Titel "Nichts als die Wahrheit", weil eben eine ganze Reihe von Zerrbildern über Papst Benedikt herumgeistern, vor allem in seinem Heimatland. Es soll klar werden, dass diese Stereotypen einseitig und größtenteils unbegründet sind. Ich befürchtete, dass nach seinem Tod vieles geschrieben wird, das diese einseitige Sicht nur noch mehr zementiert. Dagegen wollte ich meine Stimme erheben und meine Sicht zur Kenntnis bringen. Wie weit das wahrgenommen würde und welchen Einfluss das habe, das kann ich nicht beurteilen. Aber ich bin das dem Ansehen und dem Andenken von Papst Benedikt schuldig.
Sie beschreiben in Ihrem Buch auch eine gewisse Zerrissenheit, Ihr Changieren zwischen zwei Chefs, zwischen zwei Päpsten. Gleichzeitig schreiben Sie aber auch, dass es für die Kirche nicht das Problem war, dass es jetzt einige Jahre zwei Päpste gab, sondern dass sich hinter diesen Päpsten Fangemeinden versammelten, die sich zunehmend kontrovers gegenüber standen. Worauf führen Sie das zurück?
Ich erinnere mich nicht, dass ich je gesagt hätte, zerrissen zu sein. Papst Franziskus behielt mich als Präfekt des Päpstlichen Hauses und Papst Benedikt stand ich weiterhin als Sekretär zur Seite. Das sind zwei unterschiedliche Aufgaben. Für mich bedeutete dies allerdings: Ich muss diese beiden Aufgaben unter einen Hut bringen, versuchen, wie ja auch oft geschrieben wurde, "Diener zweier Herren" zu sein. Ich habe versucht, mein Bestes zu tun. Wie weit mir das jetzt gelungen ist, da gibt es unterschiedliche Auffassungen. Ich habe das getan, was ich für richtig und angemessen hielt. Der Präfekt hat andere Aufgaben als ein Privatsekretär.
Was nun die Fangemeinden betrifft: Zwischen Benedikt und Franziskus habe ich zu keinem Zeitpunkt eine Spannung oder ein Nicht-Einverstanden-Sein bemerkt. Im Laufe des Pontifikats bildeten sich Gruppierungen, die versucht haben, sich des emeritierten Papstes als Schutzschild zu bedienen. Auf der anderen Seite gab es ein ähnliches Phänomen. Diese Konstellationen haben sich gegenseitig provoziert und es entwickelte sich eine Dynamik, die mitunter den Eindruck erweckt hat: Ich halte es mit Franziskus, ich habe es mit Benedikt. Offensichtlich, dass weder Papst Franziskus noch Benedikt daran gelegen war, den Kontrahenten Nahrung zu liefern. Medial freilich war das ein gefundenes Fressen, leider. Im Hinblick auf das Verhalten der beiden Päpste einander gegenüber hatte das keinerlei Einfluss.
Spannungen zwischen Deutschland und Vatikan: Würfel fallen diese Woche
Ähnliche Lager stehen sich auch in der Diskussion um den Synodalen Weg gegenüber. Die Spannungen zwischen den Reformern in Deutschland und dem Vatikan sind groß. Was glauben Sie, wie das ausgeht?
Diese Frage hat mit der vorgehenden nichts zu tun. Diese Frage betrifft etwas sehr Wesentliches. Es geht um nichts weniger als um den Glauben selbst. Im Rahmen des Ad-limina-Besuches der deutschen Bischöfe im vergangenen November im Vatikan wurde die römische Position, sehr nobel, aber nicht weniger deutlich formuliert und im Januar noch einmal festgehalten in einem Antwortbrief an die deutschen Bischöfe, den der Papst ausdrücklich approbiert, das heißt sich zu eigen gemacht hat.
Keiner kann nunmehr sagen, dass man nicht wisse, was Rom denke und was Sache ist. Worum geht es? Als Frage formuliert: Ist es die Absicht des Synodalen Wegs, auch weiterhin an Positionen und Forderungen festzuhalten, die die katholische Kirche in Deutschland aus der Einheit mit der Universalkirche herauszuführen droht oder besteht noch die Möglichkeit, diese Einheit zu retten. Das ist eine Frage an das Gewissen jedes Einzelnen. In dieser Woche ist ja die abschließende Synodalversammlung in Frankfurt und da müssen die Würfel fallen. Ich kann nur hoffen und beten, dass keine Entscheidungen durchgepeitscht werden, die durch den Glauben der Kirche nicht gedeckt sind.
Der Synodale Weg ist als Antwort auf den Missbrauchsskandal ins Leben gerufen worden, der die katholische Kirche inzwischen seit so vielen Jahren überschattet. Sie selbst widmen diesem Skandal in Ihrem Buch zwei relativ knappe Kapitel. Was nicht darin steht ist, dass inzwischen ein Brief bekannt geworden ist, in dem Kardinal
Überhaupt nicht. Dieser Brief war ja bereits in den Unterlagen für das Münchner Missbrauchsgutachten enthalten. Er enthält nichts Neues. Nur von interessierter Seite wird er als unbekannt bezeichnet. Es geht um ein vom Stellvertreter des damaligen Generalvikars gezeichnetes Schreiben aus dem Jahre 1986, in dem für einen alkoholabhängigen Priester um Dispens gebeten wird, dass er die Heilige Messe statt mit Wein, künftig mit Traubensaft feiern dürfe. Der zuständige Sachbearbeiter der Kongregation (heute Dikasterium) hat den Fall gründlich studiert und kam zu einer positiven Antwort, die er als Tischvorlage für die Besprechung mit den Oberen vorbereitet hat.
Diese Arbeitsweise ist die übliche Praxis an den römischen Kurienorganen. Die Tischvorlage diente als Grundlage zur abschließenden Bearbeitung. Der Antwortbrief an den Bischof wurde dann vom Präfekten selbst unterschrieben. Die Behauptung, dass beim damaligen Kardinalpräfekten die Alarmglocken hätten läuten müssen, ist eine unbegründete Unterstellung.
Klage wegen Missbrauchs: So ist der Stand
Wie sehen Sie denn die Klage eines Missbrauchsbetroffenen in Traunstein, die den emeritierten Papst als früheren Verantwortlichen des Erzbistums München als Beklagten führt?
Beim Landgericht in Traunstein ist eine Zivilklage eingereicht worden gegen die früheren Erzbischöfe Joseph Kardinal Ratzinger, Friedrich Kardinal Wetter und das Erzbistum München und Freising. Benedikt wurde darüber informiert und hat zugestimmt, dass er sich wie die anderen Angeklagten der Klage stelle. Durch seinen Tod am 31. Dezember ist die Klage gegen ihn erloschen. Sollte es aber eventuelle Erben geben, so würden die Erben auch die Klage "erben".
Da der verstorbene Papst keinen Erben in seinem Testament eingesetzt hat, kommt nun die gesetzliche Erbfolge zum Zug. Diese richtet sich nach vatikanisch-italienischem Recht. Die Anschreiben an die möglichen Erben sind im Gange. Die Antworten der möglichen Erben stehen noch aus.
Wie geht es für Georg Gänswein weiter?
Nochmal zu Ihnen selbst zurück. Sie haben gesagt, dass Ihnen bei der letzten Audienz mit Papst Franziskus noch nicht mitgeteilt wurde, was auf Sie zukommt. Haben Sie denn Wünsche?
Es trifft zu, dass ich am vergangenen Samstag von Papst Franziskus in Audienz empfangen wurde. Allerdings hat er mir mitgeteilt, dass er noch keine endgültige Entscheidung für meine künftigen Aufgaben getroffen habe. Das bedürfe noch etwas Zeit. Heißt für mich, mich in Geduld üben.
In Deutschland sind zwei Erzdiözesen derzeit vakant, Kardinal Woelki hat in Köln seinen Rücktritt angeboten. Hätten Sie denn Lust auf ein deutsches Erzbistum?
Lust ist keine Kategorie, die auf die Übertragung eines so wichtigen Amtes wie das eines Diözesanbischofs zutrifft. Ich bin Bischof der katholischen Kirche und der Papst verleiht die Ämter. Das meine ist, bereit zu sein für die Übernahme jeglicher Aufgaben, die der Heilige Vater mir zu übertragen gedenkt. (Britta Schultejans, dpa)
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