Wer an gemütliche Sommernächte im Biergarten oder einen geselligen Abend im Wirtshaus denkt, verbindet diese Orte häufig mit Alkoholkonsum. Doch einzelne Gastronomen versuchen sich an einem anderen Konzept.
Gedimmtes Licht, der Geruch nach deftiger Hausmannskost, übereinander summende, laute Gespräche an großen Holztischen – und dazu ein eiskaltes Getränk. Die Stimmung in einem Wirtshaus fühlt sich immer ähnlich an. Warm und gemütlich soll es am besten sein. Der Schluck Bier zum Essen darf für viele nicht fehlen. Doch nicht überall ist Alkoholkonsum so selbstverständlich. Im Gasthaus "Zur Sägemühle" in der Fränkischen Schweiz in Bayern ist jedes Getränk und auch das Essen grundsätzlich alkoholfrei.
Auf der Getränkekarte findet sich dennoch eine große Auswahl. Allein 30 Sorten alkoholfreies Bier, darunter auch ein Fassbier, bietet die Wirtin Kerstin Gößl an. Die "Sägemühle" führt sie seit 2019 gemeinsam mit ihrem Mann. Als dieser sich am 1. Januar 2024 nach langjähriger Alkoholsucht dazu entscheidet, eine Entgiftung in einer Klinik zu machen, fasst Gößl den Entschluss, keinen Alkohol mehr zu verkaufen. "Vielleicht auch ein bisschen als Eigenschutz, und warum nicht einfach eine neue Geschäftsidee daraus machen?", sagt Gößl auf Anfrage unserer Redaktion.
Bereits einige Jahre zuvor hatte sie als Reaktion auf die Alkoholkrankheit ihres Mannes kurzerhand den Schnaps von der Getränkekarte verbannt, um sich und ihn zu entlasten.
Wirtin Gößl: Alkoholkonsum sollte nicht die Normalität sein
Von einem Verbot von Alkohol spricht sie nicht. Man liefere ein Angebot, um Gästen "das Alkoholfreie nahezubringen". Gößl ist überzeugt davon, dass Alkoholkonsum nicht die Normalität sein sollte.
"Es wird aber leider immer noch vermittelt, dass Alkoholtrinken dazugehört."
Das Wirtspaar will eine Alternative zu den umliegenden Gasthäusern anbieten. Nach Erfahrung der Wirtin sind die meisten Gäste positiv von der alkoholfreien Auswahl überrascht: "Jugendliche freuen sich jetzt auch mal, dass sie vielleicht Cola-Weizen trinken dürfen", denn ohne Alkohol dürfe sie ihnen das Mischgetränk ausschenken.
Kaum Gäste stören sich am Konzept
Nur in einzelnen Fällen reagieren Besucher negativ. "Im Herbst war ein Pärchen da, die waren dann so schockiert, dass ihnen der Appetit verging und sie haben dann das Lokal verlassen", erinnert sich Gößl. Derartige Reaktionen kämen aber selten vor.
Nach einem Jahr habe sich gezeigt: Das Hauptgeschäft liegt bei Wanderern, Kletterern und Radfahrern, so Gößl. Die Fränkische Schweiz ist ein beliebtes Ausflugsziel, nur während der Weihnachtssaison werde es in der Region generell ruhiger.
Und nicht nur durch die alkoholfreie Karte zeigt die "Sägemühle" Innovation. Gluten- und laktosefreie Speisen und zahlreiche vegane Gerichte gehören zum Repertoire. Ein weiteres Konzept: Die Wirtin verschickt ihre Speisen vakuumiert per DHL.
Alkoholfreier Biergarten in München
Die Idee der "Sägemühle" ist kein Einzelfall. In München hatte vergangenes Jahr von Juli bis September ein alkoholfreier Biergarten als Pop-Up-Aktion aufgemacht.

"Die Null" sollte klassische Biergartenkultur mitten in das Herz von München bringen – nur eben ohne Alkoholkonsum. Am Alten Botanischen Garten fanden Kulturveranstaltungen statt und Gäste konnten ihre eigene Brotzeit mitbringen. Dazu gab es eine große Auswahl an alkoholfreien Getränken.
Der Organisator der Aktion, Florian Schönhofer, betreibt in München zwei Bars, die Alkohol verkaufen. Die Idee hinter der "Null": Man wollte an dem öffentlichen Ort, der in der Vergangenheit mit einem polizeilich kontrollierten Alkoholverbot und Messerangriffen Schlagzeilen machte, einen positiven Raum schaffen.
"Ich verkaufe gerne Alkohol, aber das Setting muss passen"
Ursprünglich habe Schönhofer über eine Messe zu alkoholfreien Alternativen nachgedacht, denn der Markt sei sehr unübersichtlich. Dann habe die Stadt nach Lösungen gesucht, um dem Alten Botanischen Garten ein besseres Image zu verpassen und der Gastronom habe angeboten, etwas zu organisieren – unter der Voraussetzung, es werde kein Alkohol verkauft. Unterstützt wurde er auch von weiteren Gastronomen aus dem Viertel.
"Ich verkaufe gerne Alkohol, aber das Setting muss passen", sagt Schönhofer. Und eine Parkbank, auf der täglich in der Nähe einer Schule getrunken wird, sei das nun einmal nicht. In der Gastronomie geschehe der Alkoholkonsum meist viel kontrollierter, man passe besser aufeinander auf.
"Wir haben die Leute nicht vertrieben. Es sind ziemlich viele geblieben, die sonst dort herumhingen. Wir haben es für sie dort schöner gemacht, auch ohne Alkohol. Sitzgelegenheiten, Schirme und es war sauber. Die Aktion hat an dem Platz auch mehr Sicherheit für Wohnungslose geboten."
Der Biergarten sei sehr positiv aufgenommen worden. Die Stimmung in der "Null" sei leiser und entspannter gewesen als an einem Ort, an dem Alkohol getrunken wird. Hinter der Bühne habe es zwar Polizeieinsätze gegeben. "Das ist dem Platz geschuldet, das kann man nicht so schnell aufbrechen", erklärt Schönhofer. Doch die Gäste hätten davon nichts mitbekommen.
"Würde man den Biergarten isoliert betrachten, dann wäre es super ruhig geblieben. So wie in einer Eisdiele wahrscheinlich", zieht Schönhofer sein Fazit.
Wachsendes Interesse an alkoholfreien Alternativen
Einen weiteren positiven Effekt habe der Biergarten auch gehabt: Die Stadt plant laut Schönhofer einen Kiosk, einen Hausmeisterservice und eine Toilette an dem Platz. Mit dem Projekt habe man einen deutlich positiveren Effekt erreicht, als den Ort einfach abzuschotten.
Wirtschaftlich hatte sich Schönhofer von dem alkoholfreien Biergarten zunächst nicht allzu viel erhofft. "Ich hatte die Erwartungshaltung, dass der Umsatz sehr negativ wird."
"Es war ein relativ freches Konzept, das zu machen. Ich weiß, die Menschen trinken nur einen Kaffee, aber auch mal fünf Bier."
Entgegen seiner ersten Annahme sei es gut gelaufen. "Bei Alkohol hat man immer eine andere Skalierung pro Nase", deshalb habe Schönhofer keine großen Umsätze erwartet. Doch das Interesse an einem diversen alkoholfreien Angebot sei da gewesen und die Gäste seien bereit gewesen, mehrere Getränke auszuprobieren.
Ingwershots statt Alkohol im Freiburger Club
Auch für Menschen, die es eher zu durchgeschwitzten Club-Nächten zieht, findet sich beispielsweise in Freiburg eine komplett alkoholfreie Party-Reihe. Statt Schnaps gibt es zum Eintritt einen gratis Ingwershot und das Versprechen, am nächsten Tag nicht mit einem Kater kämpfen zu müssen.
Stattdessen wird getanzt, es werden alkoholfreie Cocktails ausgeschenkt und lokale DJs gefeiert. Die Veranstalter wollen laut ihren Posts in den sozialen Medien mit der Party-Reihe einen sicheren Raum schaffen und auch diejenigen zum Feiern einladen, die wegen Alkohol- oder Drogensucht oder gesundheitlichen Einschränkungen sonst Abstand zu Clubs nehmen würden.
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Der Alkoholkonsum in Deutschland sinkt
Der Trend zu alkoholfreiem Beisammensein geht Hand in Hand mit einer Tendenz in Deutschland. Denn der Alkoholkonsum pro Kopf in Deutschland sinkt bereits seit Jahrzehnten. Nach Berechnungen der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) wurden im Jahr 2020 ab 15 Jahren im Schnitt 10 Liter reiner Alkohol konsumiert. Im Jahr 2000 lag der Wert noch bei 12 Litern. Heute wird etwa 30 Prozent weniger getrunken als noch in den 70er-Jahren.
Burkhardt Blienert, der Beauftragte der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen, warnt vor einer Verharmlosung von Alkoholkonsum: "Alkohol gibt es rund um die Uhr und überall. Durch die Werbung propagiert, greifen viele Menschen viel zu selbstverständlich zum Feierabendbier, zum Wein auf der Familienfeier und zum Sekt in der Geburtstagsrunde." Dabei wisse man laut Blienert: "Alkohol ist ein Zellgift. Egal, wie viel und was man trinkt, jeder Schluck ist schädlich, kann Krebs auslösen und regelmäßiger Konsum kann abhängig machen."
Das Bewusstsein über die Allgegenwärtigkeit von Alkohol in Deutschland scheint bei einem Großteil der Bevölkerung präsent zu sein. Eine Umfrage des "Playboy" ergab, dass eine Mehrheit der Deutschen den Alkoholkonsum im Land als bedenklich bewertet. 73 Prozent sagten, dass hierzulande zu viel Alkohol getrunken werde, wie die Zeitschrift im Februar mitteilte. 38 Prozent der Befragten nahmen sich vor, ihren Konsum zu reduzieren. Wiederum 62 Prozent gaben an, wie bisher weiter trinken zu wollen. Für die Erhebung befragte das Institut Norstat 1.074 repräsentativ ausgewählte Frauen und Männer in Deutschland.
Alkoholfreies Bier im Trend
Auch die Alternativangebote häufen sich. Im vergangenen Jahr wurde in Deutschland erneut weniger alkoholhaltiges Bier getrunken. Der Deutsche Brauer-Bund rechnete im Januar für das Jahr 2024 mit einem noch schwächeren Absatz als im Jahr 2023, in dem es mit 8,4 Milliarden Litern einen neuen langjährigen Tiefstand gab.
Hoffnungen setzen die knapp 1.500 deutschen Brauereien deshalb auf alkoholfreie Sorten, von denen im Jahr 2023 rund 670 Millionen Liter verkauft wurden. Im Herbst habe alkoholfreies Bier bereits einen Anteil von 8,9 Prozent im Handel erreicht, teilte der Verband unter Berufung auf das Marktforschungsinstitut Nielsen mit. Es sei damit nach Pils und Hellbieren die drittbeliebteste Biersorte in Deutschland.
Verwendete Quellen
- Gespräch mit Florian Schönhofer, Organisator des Biergartens "Die Null"
- Schriftliche Anfrage an Kerstin Gößl, Wirtin des Gasthauses "Zur Sägemühle"
- dhs.de: Alkohol - Zahlen, Daten, Fakten
- bzga.de: Neue BZgA-Daten zum Alkoholkonsum 12- bis 25-Jähriger
- Instagram-Post "Rauschfreie Extase" in Freiburg
- Mit Material von dpa und afp