Ein grauer Schleier liegt über Deutschland – selbst bei wolkenlosem Himmel. Was hat es damit auf sich – und ist das Phänomen sogar gefährlich?

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Wer in diesen Tagen in den Himmel blickt, mag sich wundern: Statt strahlendem Blau zeigt sich vielerorts über Deutschland und Europa ein diffuser, milchig-grauer Schleier.

Das Phänomen ist nicht nur optisch auffällig, sondern hat auch messbare Auswirkungen auf die Luftqualität. Die Ursache dafür liegt tausende Kilometer entfernt in den Wäldern Kanadas.

Rauch aus Nordamerika erreicht Europa

Seit Wochen wüten in Kanada massive Waldbrände. Viele der Feuer haben ihren Ursprung in sogenannten "Zombie-Fires" – unterirdisch weiterglimmende Waldbrände aus dem Vorjahr, die durch die aktuelle Hitzewelle erneut entfacht werden.

Bereits Mitte Mai registrierten Satelliten der Nasa riesige Rauchwolken, die über die östliche Landmasse hinweg in den Atlantik zogen. Über Windströmungen gelangten sie in den europäischen Luftraum. Besonders starke Rauchschwaden liegen über Süddeutschland, der Schweiz, Österreich, Norditalien und Frankreich.

Satellitenbilder zeigen, dass die feinen Partikel aus Nordamerika inzwischen großflächig in der Atmosphäre über Europa schweben, insbesondere in Höhen zwischen fünf und zwölf Kilometern.

Diese Ferntransporte sind meteorologisch nicht ungewöhnlich, nehmen aber in ihrer Häufigkeit und Intensität zu. Die aktuelle Wetterlage begünstigt die Verteilung des Rauchs: Westwinde und stabile Hochdruckgebiete tragen dazu bei, dass sich die Partikel großflächig ausbreiten, dabei aber überwiegend in der oberen Troposphäre bleiben.

Warum erscheint der Himmel milchig?

Warum aber erscheint der Himmel dann milchig-trüb? Feinste Ruß-, Asche- und Mineralpartikel aus dem Rauch streuen das Sonnenlicht und sorgen für den Schleier. Das führt zu hellgrauem Himmel, abgeschwächtem Licht und teils spektakulären rötlichen Sonnenaufgängen und -untergängen. Besonders sichtbar wird das Phänomen in Hochlagen, etwa in den Alpen, wo Webcam-Bilder den Schleier eindrucksvoll zeigen.

Hinzu kommt, dass durch die diffuse Lichtstreuung weniger direkte Sonnenstrahlung den Erdboden erreicht. Dadurch erscheinen auch Temperaturen und Lichtverhältnisse ungewöhnlich gedämpft, obwohl keine einzige Wolke am Himmel ist.

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Was macht das mit der Luftqualität?

Noch bleibt die Belastung für die Atemluft durch den Höhenrauch moderat. Die Messstationen zeigen allerdings erhöhte Werte im Süden und im Bayerischen Wald, vor allem am Dienstagnachmittag zwischen 15 und 18 Uhr. München war dabei besonders stark betroffen. Bis Mittwoch fielen die Werte aber wieder ab und erreichten fast den Normalstand.

Zeitweise seien Messwerte in "bedenkliche Höhen" geschraubt, zitiert die "Süddeutsche Zeitung" Umwelttechnik-Professor Thomas Adam. Solche Feinstaubpartikel könnten bei tiefem Einatmen Entzündungsreaktionen hervorrufen, sogar einen Schlaganfall und einen Herzinfarkt auslösen.

Wie lange hält der Rauch an?

Laut Prognose des Deutschen Wetterdiensts (DWD) ist kurzfristig vor allem im Alpenraum nicht mit einem vollständigen Ende des Rauchs zu rechnen. Solange die Brände in Kanada weiter wüten, könne mittel- und langfristig auch immer mal wieder Rauch aus Nordamerika Europa erreichen, sofern die Strömungsverhältnisse über dem Atlantik günstig sind.

Erste Entlastung könnte Tiefdruckeinfluss mit Regen bringen: Niederschläge binden Partikel in der Luft und waschen sie aus der Atmosphäre. Bis dahin bleibt der Himmel vielerorts weiterhin milchig und das Licht diffus.

In Zukunft könnten solche transatlantischen Aerosoltransporte häufiger werden, als Folge zunehmender Hitzewellen und Dürren durch den Klimawandel. Was aktuell noch ein außergewöhnliches Phänomen ist, könnte also zum neuen "Normal" werden.

Verwendete Quellen

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