- Die Holocaust-Äußerungen von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in einer Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz erschüttern die deutsche Politik.
- Regierungssprecher Steffen Hebestreit nahm die Schuld auf sich. Er habe die Pressekonferenz nicht beenden dürfen.
- Bundeskanzler Scholz steht wegen seiner späten Reaktion auf Abbas' Äußerung in der Kritik.
Nach dem Holocaust-Vergleich von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat Regierungssprecher
"Da war ich nicht schnell genug, aufmerksam genug, um darauf zu reagieren", erläuterte der Sprecher. "Das war mein Fehler und den muss ich auf meine Kappe nehmen." Er bedauere den Fehler sehr. "Was ich sehen muss, ist eine schlechte Performance des Regierungssprechers an dieser Stelle", sagte Hebestreit.
Abbas hat Israel "50 Holocausts" an Palästinensern vorgeworfen
Der Bundeskanzler sei "empört und entsetzt über die Worte von Herrn Abbas", sagte Hebestreit weiter. "Eine Relativierung des Holocaust mit seinen mehr als sechs Millionen Toten ist völlig unakzeptabel. Dies auch noch auf deutschem Boden zu tun, ist unentschuldbar."
Abbas hatte Israel am Dienstag vielfachen "Holocaust" an den Palästinensern vorgeworfen und damit Empörung ausgelöst. "Israel hat seit 1947 bis zum heutigen Tag 50 Massaker in 50 palästinensischen Orten begangen", sagte er auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Scholz und fügte hinzu: "50 Massaker, 50 Holocausts."
Kanzler steht in der Kritik
Scholz hatte die Äußerung nicht sofort erwidert und wird dafür von der CDU scharf kritisiert. "Ein unfassbarer Vorgang im Kanzleramt", schrieb CDU-Chef Friedrich Merz am Dienstagabend auf Twitter. Der Kanzler hätte dem Palästinenserpräsidenten "klar und deutlich widersprechen und ihn bitten müssen, das Haus zu verlassen!", argumentierte er.
Scholz hatte am Dienstagabend der "Bild"-Zeitung gesagt: "Gerade für uns Deutsche ist jegliche Relativierung des Holocaust unerträglich und inakzeptabel." Auf Twitter äußerte sich der Kanzler am Mittwochmorgen "zutiefst empört über die unsäglichen Aussagen" von Abbas. Die Kritik aus der Opposition an einer zu späten Reaktion ließ das aber nicht verstummen.
Abbas versuchte am Mittwoch, die Empörung über seine Äußerungen zu dämpfen. "Präsident Abbas bekräftigt, dass der Holocaust das abscheulichste Verbrechen der modernen menschlichen Geschichte ist", schrieb die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa.
Kanzleramt hat Vertreter einbestellt
Hebestreit erläuterte, dass es das erste direkte Treffen zwischen Abbas und Scholz gewesen sei und der Vorfall das persönliche Verhältnis überschatten werde. Eine Reise des Kanzler nach Ramallah nannte er in absehbarer Zeit "schwer vorstellbar". Zugleich werde die Bundesregierung in Kontakt mit den Palästinensern bleiben und wegen dieses "furchtbaren Eklats" nicht die Beziehungen abbrechen.
Das Kanzleramt habe zudem am Mittwochvormittag den Leiter der palästinensischen Vertretung in Berlin einbestellt. Dabei habe der außen-und sicherheitspolitische Berater des Bundeskanzlers die Verurteilung der Äußerungen "unmissverständlich übermittelt", sagte Hebestreit. "Der Bundeskanzler erwartet, dass der Palästinenserpräsident die Singularität des Holocaust ohne jede Einschränkung anerkennt. Seine Entgleisung gestern wirft einen dunklen Schatten auf die Beziehungen Deutschlands zu der Palästinensischen Autonomiebehörde." Für die Bundesregierung sei klar: "Die Verfolgung und systematische Ermordung von sechs Millionen europäischen Juden ist ein einzigartiges Verbrechen gegen die Menschlichkeit."
Für Donnerstag habe der Bundeskanzler ein Telefonat mit dem israelischen Ministerpräsidenten Jair Lapid vereinbart, um auch mit ihm über den Vorfall zu sprechen, kündigte Hebestreit außerdem an.
Sogar die Alt-Kanzlerin meldet sich zu Wort
Altkanzlerin
Die Äußerung sei ein inakzeptabler "Versuch, die Singularität der von Deutschland im Nationalsozialismus begangenen Verbrechen des Zivilisationsbruchs der Shoa zu relativieren beziehungsweise den Staat Israel direkt oder indirekt auf eine Stufe mit Deutschland in der Zeit des Nationalsozialismus zu stellen", so Merkel. Solche Versuche werde Deutschland niemals dulden. (dpa/fab)