- Despoten erleben zurzeit ein unheimliches Comeback.
- Wann aber ist ein Machthaber eigentlich ein Tyrann?
- Ein Sachbuch porträtiert die größten 20 Schurken der Gegenwart und der vergangenen 2.000 Jahre.
Eine Zeit lang schienen sie ein bisschen aus der Mode gekommen und an den Rand der Geschichte gedrängt zu sein. Tyrannen, Despoten, Diktatoren – waren das nicht Auswüchse einer längst vergangenen Welt?
Leider nein. Im neuen Jahrtausend feierten Autokraten eine atemberaubende Wiederauferstehung. Ob Kim Jong Un in Nordkorea, der syrische Machthaber Assad, die Präsidenten Erdogan oder
20 Tyrannen aus 2.000 Jahren
Mit der Renaissance der Diktatoren wurde auch der etwas angestaubt wirkende Begriff des Tyrannen wiederbelebt. Das zeigt sich auch an der Zahl der Bücher, die seit Neuestem zum Thema erscheinen. Die jüngste Publikation ist ein Sammelband von André Krischer und Barbara Stollberg-Rilinger, in dem sie 20 Tyrannen aus 2.000 Jahren vorstellen – von Caligula bis Putin.
Die recht knapp gehaltenen und allgemeinverständlich geschriebenen Porträts sind von renommierten Wissenschaftlern verfasst, darunter einige aus den Medien bekannte Namen wie der Osteuropa-Spezialist Karl Schlögel, der das Porträt des russischen Präsidenten Wladimir Putin beisteuerte, oder der Islamwissenschaftler Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik mit einem Beitrag über den syrischen Machthaber
Zwei Diktatoren fehlen
Einige Klassiker mit Gruselfaktor wie die römischen Kaiser Caligula und Nero sind dabei und natürlich darf hier auch der von Shakespeare zum buckligen Monstrum stilisierte englische König Richard III. nicht fehlen.
Wie erwartet wird auch Mao porträtiert, jedoch nicht Xi Jinping, der neue unumschränkte Herrscher Chinas, wahrscheinlich der Mann mit der größten Machtfülle derzeit überhaupt. Vor allem aber, und das fällt natürlich sofort auf, fehlen die beiden Tyrannen schlechthin, nämlich Hitler und Stalin. Sie wurden nach Aussagen der Herausgeber gerade wegen ihrer unvergleichbaren Monstrosität ausgeklammert.
Frauen sind unterrepräsentiert, entsprechend ihrer geringen Beteiligung an der Macht in der Geschichte. Die französische Königin Katharina von Medici, berüchtigt durch die blutige Bartholomäusnacht – ein Massaker an den Hugenotten –, steht hier stellvertretend für die despotische Seite des weiblichen Geschlechts.
Willkür statt Gesetze
Was ist überhaupt ein Tyrann? Nach dem griechischen Gelehrten Aristoteles ein Machthaber, der durch Willkür statt nach Gesetzen herrscht. Typische Kennzeichen eines Tyrannen wären demnach Ungerechtigkeit, Grausamkeit, Habgier, Skrupellosigkeit, Manipulation.
Für den französischen Philosophen Montesquieu war die Tyrannei die "pervertierte Staatsform schlechthin". Aber – und das wird in den einzelnen Beiträgen auch deutlich – der Tyrann war auch immer Spiegelbild seiner Zeit und konnte sogar Opfer nachträglicher Propaganda werden.
Neue Interpretation von Caligula
Das gilt etwa für Richard III., der erst nach seinem Tod zum Fiesling geformt wurde, aber auch für Caligula und Nero, die jahrtausendelang als blutrünstige und wollüstige Tyrannen galten und in dieser wüsten Form in Romanen und Filmen überlebt haben. In den vergangenen Jahrzehnten haben Forscher dieses schiefe Bild aber geradegerückt, das vor allem Ausdruck einer interessengeleiteten römischen Überlieferung war. Der Historiker Aloys Winterling liefert in seinem faszinierenden Caligula-Porträt eine gänzlich andere Interpretation manch scheinbar irrer Handlungen des Kaisers.
Die Porträts der heutigen Despoten leiden hingegen ein bisschen darunter, dass ihr Bild in der Geschichte noch nicht abgeschlossen ist. Entsprechend nennt Schlögel seine Putin-Skizze auch "unvollendetes Porträt eines Großverbrechers des 21. Jahrhunderts". Allerdings ist wohl kaum anzunehmen, dass sich das Urteil hier noch grundlegend ändern wird. Dasselbe gilt für den ebenfalls hier porträtierten Donald Trump, der gerade einen zweiten Anlauf als "Möchtegerndespot" unternimmt. (dpa/fab)