- Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan will Schweden weiter den Weg in die Nato versperren.
- Als neuen Grund dafür gibt Erdogan die Aktion eines rechtsextremen dänischen Politikers an, der einen Koran in Stockholm verbrannte.
- Für Erdogan ist der Streit willkommene Wahlkampfhilfe.
Schwedens geplanter Beitritt zur Nato wird laut Aussage des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan weiter an einem Veto der Türkei scheitern. Erdogan nannte die Aktion des rechtsextremen Politikers Rasmus Paludan, der einen Koran verbrannt hatte, als Grund für die Ablehnung: "Wenn ihr der türkischen Republik oder dem religiösen Glauben der Muslime keinen Respekt zollt, dann könnt ihr von uns in Sachen Nato auch keine Unterstützung bekommen", sagte Erdogan am Montag in Ankara.
Das Nato-Mitglied Türkei blockiert seit Monaten die Aufnahme Schwedens und Finnlands in das Verteidigungsbündnis. Zuvor hatte die Türkei vor allem Schweden unter anderem Unterstützung von "Terrororganisationen" wie der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK vorgeworfen und forderte die Auslieferung etlicher Personen, die Ankara als Terroristen betrachtet.
Alle 30 Nato-Mitglieder müssen dem Nato-Beitritt eines Landes zustimmen. Bislang haben 28 Länder das getan, nur Ungarn und die Türkei lehnen einen Beitritt noch ab.
Schwedische Aktivisten provozieren Erdogan
Der Konflikt zwischen Schweden und der Türkei hatte sich in den vergangenen Tagen und Wochen hochgeschaukelt. Unter anderem hatten Aktivisten im Zentrum von Stockholm eine Erdogan ähnelnde Puppe an den Füßen aufgehängt, was eine wütende Reaktion aus Ankara zur Folge hatte.
Am Samstag hatte dann der Rechtsextreme Paludan, der zwar auch einen schwedischen Pass besitzt, aber einer rechtsextremen Partei in Dänemark angehört, neues Öl ins Feuer gegossen. Bei einer Kundgebung nahe der türkischen Botschaft in Stockholm verbrannte Paludan am Samstag einen Koran.
Die schwedische Polizei hatte die Demonstration mit Verweis auf die Verfassung und die Versammlungs- und Meinungsfreiheit erlaubt. Die Türkei sagte daraufhin einen Besuch des schwedischen Verteidigungsministers ab, der in der Türkei für den Nato-Beitritt seines Landes hatte werben wollen.
Schwedische Regierung distanziert sich von Vorfällen
Die schwedische Regierung hatte sich von dieser Aktion ebenso distanziert wie von dem Vorfall mit der Erdogan-Puppe, aber auf die in Schweden geltende Meinungsfreiheit verwiesen. "Meinungsfreiheit ist ein grundlegender Bestandteil der Demokratie", hatte Ministerpräsident Ulf Kristersson als Reaktion auf die Koran-Verbrennung auf Twitter mitgeteilt. "Aber was legal ist, ist nicht unbedingt angemessen. Das Verbrennen von Büchern, die vielen heilig sind, ist eine zutiefst respektlose Handlung."
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sieht das ähnlich: "Ich bin absolut gegen das Verhalten, was wir auf den Straßen von Stockholm erlebt haben", sagte Stoltenberg im TV-Sender der "Welt". Es sei aber nicht illegal gewesen. "Denn die Meinungsfreiheit ist nun mal stark verankert, ist ein großes, hohes Recht."
Die USA vermuteten derweil in der Tat des rechtsextremen schwedischen Politikers Rasmus Paludan einen möglichen Sabotageakt gegen die Nato-Einheit.
Wahlkampfgeschenk für Erdogan
Dass Erdogan den Vorfall nutzt, um sich im Wahlkampf zu inszenieren, ist keine neue Strategie. Auch schon in den letzten Wahlkämpfen nutzte Erdogan außenpolitische Themen, um von der schlechten Wirtschaftslage in der Türkei abzulenken.
Den Termin für die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen zog Erdogan um rund einen Monat auf den 14. Mai vor. Bis dahin dürfte er Interesse haben, das Thema weiter köcheln zu lassen, um sich als harter Verhandler und Verteidiger des Islam bei seinen Wählern zu profilieren.
In den Umfragen steht Erdogans AKP nur bei ca. 33 Prozent. Wenn sich seine Gegner verbünden, könnte Erdogans Zeit an der Macht nach knapp 20 Jahren tatsächlich vorbei sein.
Finnland denkt über Beitritt ohne Schweden nach
Erdogans klare Aussage bezüglich eines Vetos gegen einen Schweden-Beitritt sorgt auch beim Nachbar Finnland für Unruhe. Ursprünglich wollten die beiden Länder gemeinsam der Nato beitreten. Das bleibe laut dem finnischen Außenminister Pekka Haavisto zwar weiterhin die "erste Option", jedoch zog er auch einen Beitritt ohne Schweden in Betracht.
Am Dienstag sagte Haavisto im finnischen Fernsehen: "Finnland muss bewerten, ob etwas passiert ist, das Schweden längerfristig daran hindern würde, weiterzukommen." Es sei jedoch zu früh, "um eine Position einzunehmen", betonte der Außenminister.
Auch Haavisto kritisierte die Aktion des dänischen Rechtsextremen und sagte, bei solchen Protestaktionen werde mit der Sicherheit Finnlands und Schwedens gespielt. (lko/dpa/afp)