Deutschland hat 2022 weniger Treibhausgase ausgestoßen als im Vorjahr. Die entsprechende Prognose des Umweltbundesamts (UBA) bestätigte der Expertenrat für Klimafragen in seinem am Montag veröffentlichten Gutachten im Großen und Ganzen. Der Rückgang sei aber teils krisenbedingt, warnten die Expertinnen und Experten in Berlin – und kritisierten die mögliche Novelle des Klimaschutzgesetzes.

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Die Emissionen sanken vergangenes Jahr leicht um 1,9 Prozent, stellte der Expertenrat wie zuvor schon das Umweltbundesamt (UBA) fest. Es seien rund 746 Millionen Tonnen Treibhausgase freigesetzt worden, gut 15 Millionen Tonnen weniger als 2021. Das wegen des Ukraine-Krieges geringer als erwartet ausgefallene Wirtschaftswachstum hat den Ausstoß gedämpft.

Insgesamt sind die Emissionen seit 1990 in Deutschland um 40,4 Prozent gesunken, wie aus aktuellen Berechnungen des Umweltbundesamtes hervorgeht, die Mitte März veröffentlicht wurden. Doch sowohl der Verkehrs- als auch der Gebäudesektor verfehlten ihr jährliches Klimaziel; im Verkehr bei steigenden und im Gebäudebereich bei sinkenden Emissionen. Weil mehr Stein- und Braunkohle verbrannt wurde, stiegen die Emissionen im Energiesektor deutlich an - das Klimaziel konnte aber eingehalten werden.

Mehr Strom aus erneuerbaren Energien

Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien stieg gegenüber 2021 um neun Prozent an. Trotzdem betonte UBA⁠-Präsident Dirk Messner: "Um die Ziele der Bundesregierung bis 2030 zu erreichen, müssen nun pro Jahr sechs Prozent Emissionen gemindert werden. Seit 2010 waren es im Schnitt nicht einmal zwei Prozent." Wichtig sei ein wesentlich höheres Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Es brauche dreimal so viele Kapazitäten wie bisher, um den Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung bis 2030 auf 80 Prozent zu steigern.

Größere Anstrengungen im Kampf gegen die Klimakrise forderte auch der Expertenrat für Klimafragen am Montag von der Bundesregierung. Zwar seien die klimaschädlichen Treibhausgasemissionen im vergangenen Jahr leicht zurückgegangen. Der Rückgang sei jedoch vor allem krisenbedingt und daher möglicherweise nicht von Dauer, teilte das Sachverständigengremium mit.

Ohne den Ukraine-Krieg und seine Folgen hätten die Treibhausgasemissionen nach Einschätzung des Expertenrats um rund neun Millionen Tonnen CO2-Äquivalente höher gelegen. So seien etwa geringere Ausstöße im Industriesektor mit Produktionsrückgängen wegen der hohen Energiepreise zu erklären, sagte Ratsmitglied Barbara Schlomann, die für das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung tätig ist.

Expertinnen und Experten: Mehr Sofortprogramme nötig

Kritik übten die Expertinnen und Experten an der wiederholten Zielverfehlung in den Sektoren Verkehr und Gebäude – jeweils zum zweiten und vierten Mal. Die im Klimaschutzgesetz vorgesehenen Sofortprogramme habe die Bundesregierung nur mit "erheblichen Einschränkungen" vorgelegt, wie etwa im Verkehrsbereich. Ein solches Sofortprogramm wäre auch für die Industrie notwendig gewesen, merkte der Klimaexpertenrat an.

Der Klima-Expertenrat stellt sein Gutachten zu den Treibhausgasemissionen aus dem Jahr 2022 vor. © 1&1 Mail und Media/ Jan-Henrik Hnida

Auch eine mögliche Neuerung des Klimaschutzgesetzes wird kritisch gesehen. Die im Gesetz festgelegte Ressortverantwortung dürfe nicht geschwächt werden, betonten die Experten und Expertinnen. "Entscheidend ist, dass die derzeit im Klimaschutzgesetz festgelegte Emissionsmenge kumuliert über das Jahrzehnt nicht überschritten werden darf", sagte die stellvertretende Gremiumsvorsitzende Brigitte Knopf, die für das Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) arbeitet. Dieser Budgetansatz sei ein zentraler Grundgedanke des Gesetzes.

Eine mögliche "Aufweichung der Ressortverantwortung" sowie die verschiedenen Überlegungen zur Änderung des Steuerungsmechanismus im Klimaschutzgesetz erhöhten das Risiko für zukünftige Zielverfehlungen. Dies sehen die Expertinnen und Experten als kritisch an, gerade vor den Herausforderungen für die Erreichung der Klimaziele für die kommenden Jahre bis 2030.

Regierung will Gesamtausstoß an Treibhausgasen priorisieren

Außerdem wurde der Bundesregierung empfohlen, nicht ausschließlich auf eine klimaneutrale Umstellung zu setzen. "In allen Bereichen sind auch Reduktionen von Emissionen nötig", sagte Hans-Martin Henning, der Vorsitzende des Expertenrats für Klimafragen. Im Verkehr könne ein Tempolimit dazu beitragen.

Die Ampel-Koalition will das Klimaschutzgesetz reformieren und die Vorgaben lockern. Darauf hatten sich SPD, Grüne und FDP Ende März in einem 16-setigien Papier geeinigt. Künftig soll der Gesamtausstoß an Treibhausgasen zählen, die Bilanz einzelner Bereiche soll weniger wichtig werden.

Verwendete Quellen:

  • Bundespressekonferenz zur "Veröffentlichung des Prüfberichts zur Berechnung der deutschen Treibhausgasemissionen für das Jahr 2022"
  • Umweltbundesamt.de: UBA-Prognose: Treibhausgasemissionen sanken 2022 um 1,9 Prozent
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