Nicht einmal eine Woche ist die schwarz-rote Regierung im Amt, schon zeigen sich erste Meinungsverschiedenheiten. Arbeitsministerin Bärbel Bas hat einen Vorschlag eingebracht, der innerhalb der Union für Kopfschütteln sorgt.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Rebecca Sawicki sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Schwarz-Rot ist keine "Liebesheirat", das sagte etwa Philipp Türmer in einem Interview mit unserer Redaktion. Wie wahr diese Aussage ist, zeigt sich bereits nach nicht einmal einer Woche im Amt. Die Honeymoon-Phase – wenn es sie denn überhaupt gab – ist offensichtlich vorbei.

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Aktuell erhitzen sich die Gemüter an einem Vorstoß von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD). Die mögliche Nachfolgerin Saskia Eskens an der Parteispitze hatte am Wochenende vorgeschlagen, auch Beamte und Politiker für die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen. "Wir müssen mehr Leute an der Finanzierung der Rentenversicherung beteiligen", sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "In die Rentenversicherung sollten auch Beamte, Abgeordnete und Selbstständige einzahlen. Wir müssen die Einnahmen verbessern."

Die SPD gibt ihrer neuen Arbeitsministerin Rückendeckung: Das sei Beschlusslage der Partei, sagte der SPD-Sozialexperte und bisherige Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Soziales im Bundestag, Bernd Rützel, der "Augsburger Allgemeinen".

Koalitionsvertrag sieht Rentenkommission vor

Aber ist es auch Beschlusslage der Koalition? Im Koalitionsvertrag steht zumindest nichts zum Thema, Beamte in das System zu integrieren. Stattdessen findet sich der Plan, die Alterssicherung "auf verlässliche Füße" zu stellen. Dafür solle das Rentenniveau abgesichert und Mehrausgaben aus Steuermitteln finanziert werden. Die Koalitionäre hatten sich außerdem darauf geeinigt, dafür eine Rentenkommission einzusetzen.

Entsprechend konsterniert zeigt sich die Union nach Bas' vorpreschen: "Die Einbeziehung von Selbstständigen und Beamten in die Rente löst weder die Probleme in der Rentenversicherung, noch ist das vom Koalitionsvertrag gedeckt", sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann der "Bild am Sonntag". "Frau Bas sollte nicht versuchen, der Rentenkommission alte SPD-Ideen als zukünftiges Ergebnis vorzuschreiben."

Vorpreschen und direkt wieder einfangen? Dieses Vorgehen erinnert an Ampel-Zeiten. Und zwar an jene, die von dauerhaftem Streit in der Öffentlichkeit geprägt waren. Streit, der die Koalition letztlich sprengte und die drei ehemaligen Partner SPD, Grüne und FDP beschädigt zurückgelassen hat.

Die Rente ist nicht die erste Schramme, die die neue Koalition abbekommt. Der Tag der Kanzlerwahl, bei der Friedrich Merz (CDU) im ersten Durchgang sechs Stimmen zur Mehrheit fehlten, dürfte Vertrauen beschädigt haben.

SPD steht hinter Migrationswende

Auch Bas' Kabinettskollegen sind bereits ins Arbeiten gekommen. Etwa Innenminister Alexander Dobrindt (CSU), der am Tag nach seiner Ernennung bereits erste Anweisungen zur Grenzsicherung gegeben hat. Die Bundespolizei weist nun Asylsuchende direkt an der Landesgrenze zurück – ein Vorstoß, der bei den Nachbarstaaten nicht gut ankommt. So kritisierten etwa Polen und die Schweiz, der Vorstoß verstoße gegen geltendes Recht.

Die Sozialdemokraten stünden laut dem Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktion, Dirk Wiese, hinter dem Koalitionspartner. In einem Podcast von "Politico" schloss er die Parteilinke explizit mit ein. "Wir als SPD agieren immer geschlossen", sagte er. Und doch warb der frühere Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich (SPD) beim Deutschlandfunk dafür, europäische Erfolge "nicht wegen eines innenpolitischen Vorteils aufs Spiel" zu setzen.

Wie lange steht die SPD geschlossen hinter der Dobrindtschen Migrationswende? Gut möglich, dass bereits auf dem Parteitag der Sozialdemokraten Ende Juni kritische Stimmen laut werden.

Verwendete Quellen