Lächelnde Buddhas, farbenfrohe Roben und ein friedvoller Glaube: Der Buddhismus, eine der fünf großen Weltreligionen, genießt gerade im Westen ein gutes Image. Die Lehre von Siddharta Gautama gilt als sanft, friedlich und tolerant. Doch auch im Buddhismus gibt es gewaltsame Ab- und Ausgrenzung anderer, besonders muslimische Minderheiten sind betroffen. Der Theologe und Südostasien-Experte Hans-Bernd Zöllner über die Schwierigkeiten zwischen den beiden Religionen.
In buddhistischen Ländern wie Thailand, Sri Lanka, Kambodscha oder Myanmar wird immer wieder mit Gewalt gegen muslimische Minderheiten vorgegangen. Seit einigen Jahren häufen sich die Meldungen über anti-muslimische Aktionen, von zerstörten Häusern und Geschäften, niedergebrannte Moscheen, vertriebenen Menschen und zahlreichen Toten.
Besonders befremdlich scheint hierzulande, dass buddhistische Mönche dazu angestachelt haben. Warum ist das so?
Politische Gewalt im Mönchsgewand
Der Theologe und Südostasien-Experte Hans-Bernd Zöllner erklärt: "Eine Trennung von Staat und Religion, wie sie etwa hierzulande herrscht, gibt es in den Ländern des Theravada-Buddhismus - also Sri Lanka, Thailand, Kambodscha, Laos und Myanmar - nicht. Es herrscht dort ein anderes Grundverständnis davon, wie eine Gesellschaft funktioniert. Für die buddhistische Mehrheit der Bevölkerung ist ihre Religion ein Teil ihrer nationalen Identität. Die Mönche haben noch immer eine große Macht in den Köpfen der Leute."
In den erwähnten Ländern ist daher traditionell die Lehre des Buddhas das oberste Gesetz, nicht die von den Menschen gemachten Verfassungen. Und die Mönche sind die Einzigen, die legitimiert sind, die Lehre des Buddhas auszulegen. Es gibt also zahlreiche unterschiedliche Interpretationen, auch im Hinblick auf politische Themen, die eigentlich für Mönche tabu sind.
Manche Geistliche legen Buddhas Gesetz so aus, dass die Muslime, aber auch die Christen, unter bestimmten Umständen eine Gefahr für die Identität des Landes und damit für die buddhistische Gemeinschaft sind. Mit ihren Predigten wollten manche Mönche diese vermeintliche Gefahr abwenden, so Hans-Bernd Zöllner.
Einer der größten Hetzer mit einer großen Anhängerschaft in der Bevölkerung ist Ashin Wirathu. Der ultranationalistische Mönch zierte im Jahr 2013 das Cover der "Times", das US-Nachrichtenmagazins bezeichnete ihn damals als "Gesicht des buddhistischen Terrors".
Im Mai dieses Jahres hat ein Bezirksgericht in Yangon, Myanmars größter Stadt, einen Haftbefehl gegen den 50-jährigen erlassen. Wie die Polizei erklärte, werde ihm seitens der Justizbehörden "Aufruhr" zur Last gelegt. Sollte ihm jetzt der Prozess gemacht werden, würden seine Anhänger ihn als Märtyrer verehren.
Konflikte zwischen Buddhisten und Muslimen: Das Erbe der Kolonialzeit
Neu sind die Konflikte zwischen Buddhisten und Muslimen nicht. Sie reichen bis ins 19. Jahrhundert zurück. Zuvor waren die fünf buddhistischen Länder Königreiche. Christen, Muslime und Buddhisten konnten damals friedlich zusammenleben, solange sie die Könige respektierten und ihre Obrigkeit anerkannten. Ein hierarchisches Modell, das zwar nicht unbedingt geschätzt wurde - man versuchte möglichst weit vom Zentrum der Macht entfernt zu sein und seine Angelegenheiten selbst zu ordnen - aber funktionierte.
"Der große Bruch passierte, als die Kolonialmächte England und Frankreich nach Südostasien kamen und die Idee der Demokratie Einzug hielt, in der alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Das war für die Mehrheit der Menschen ein völlig neues Konzept, das zu den traditionellen Denkformen dieser Hierarchien überhaupt nicht passte. Dieser Konflikt der Weltanschauungen, wie ich es nenne, ist eine Hinterlassenschaft der Kolonialherren und bis heute nicht gelöst." erläutert Hans-Bernd Zöllner, der sieben Jahre als Theologe für die deutschsprachige Gemeinde in Thailand zuständig war.
Im Jahr 1938 gab es in Myanmar die ersten anti-muslimischen Pogrome. Der Auslöser war ein Buch, in dem ein Muslim angeblich den Buddhismus beleidigte. Die Folge waren gewaltsame Ausschreitungen, bei denen 150 Muslime und 17 Buddhisten zu Tode kamen. Zöllner: "Die Religion war ein Brandbeschleuniger für die schon vorher bestehenden ökonomischen und demographischen Konflikte der Kolonialzeit."
Zahlen und fehlende Objektivität
Wie viele Muslime Opfer von militanten Buddhisten werden, ist schwer zu sagen. Zudem gibt es Opfer auf beiden Seiten, etwa in den südlichen, überwiegend von Muslimen bewohnten Provinzen Thailands, wo es seit 2004 etwa 7.000 Tote gegeben hat, überwiegend Zivilisten.
Ungewiss ist auch, wie viele Angehörige der Minderheit Rohingya im Verlauf der Massenflucht ab August 2017 nach Bangladesch umgekommen sind. Das bestätigt auch Südostasien-Experte Zöllner:
"Alle Personen, die darüber Auskunft geben, sind parteiisch. Es gibt keine unabhängige Stelle, auch die UN ist es nicht. Diese Lage ist dramatisch und sehr emotional, denn es geht um menschliche Tragödien. Auf beiden Seiten sind die Standpunkte verhärtet."
Klar ist, dass es die meisten Opfer in Thailand und Myanmar in den Konfliktzonen an den Grenzen zwischen den buddhistischen und islamisch geprägten Staaten gibt. In Sri Lanka gab es einen jahrzehntelangen Krieg zwischen der buddhistischen Mehrheit und einer tamilischen Minderheit im Norden, in dem nach Schätzungen bis zu 100.000 Menschen zu Tode kamen. Ostern 2019 kamen hier bei Anschlägen einer muslimischen Extremistengruppe auf christliche Kirchen und Hotels über 200 Menschen um.
In Kambodscha hingegen gibt es gegenwärtig kaum mehr Probleme. Der traurige Grund: In dem südostasiatischen Land wurden muslimische Minderheiten von den Roten Khmern, die eine anti-religiöse Ideologie hatten, nahezu ausgerottet. In Laos, wo die kommunistische Partei seit dem Jahr 1975 die gesellschaftliche, religiöse, politische und mediale Kontrolle hat, ist die Religionsfreiheit stark eingeschränkt. Mönche können sich hier nicht politisch betätigen.
Das Fazit des Experten: "Generalisierungen und Schuldzuweisungen sind nicht hilfreich. Sicher ist, dass das Bild von den generell friedlichen Buddhisten eine optische Täuschung ist. Ihre Haltung den muslimischen und anderen Fremden gegenüber ist aber grundsätzlich von dem Bestreben geprägt, sich gegen eine vermutete Gefahr zu verteidigen, nicht von dem Bestreben, eine religiöse Minderheit zu vernichten."
Krieg in den Köpfen
Der Tonus der buddhistischen Nationalisten: Muslimische und andere Minderheiten dürfen gerne in unserem Land sein, aber sie müssen sich an unsere Regeln halten.
"Dabei sind die Rohingya an der Grenze zu Myanmar und Bangladesch ein Sonderfall. Sie sind staatenlos und haben zudem nur religiöse und keine politischen Führer. Ihre Sprecher leben meist im Ausland. Die Rohingya haben keine internen politischen Strukturen. Sie bräuchten ein eigenes Territorium, wo sie eine Selbstverwaltung aufbauen, sich eigenständig vertreten könnten und nicht davon abhängig sind, dass andere über ihr Schicksal entscheiden", so Hans-Bernd Zöllner.
Die Grausamkeiten, die sich beide Seiten in der Vergangenheit - etwa im 2. Weltkrieg - zugefügt haben, setzen sich in den Köpfen der Menschen fest. Geschichten von den bösen Anderen, die von Generation zu Generation weitererzählt werden, prägen die eigene Wahrnehmung der Gegenwart und schüren die Angst vor Überfremdung.
Verwendete Quellen:
- Interview mit Hans-Bernd Zöllner
- DW.com: Haftbefehl gegen Islam-Feind in Myanmar
- Konrad-Adenauer-Stiftung: Länderporträt Myanmar