Anrufe und Nachrichten, die in Deutschland lebende Armenierinnen und Armenier bedrohen, häufen sich aktuell. Die Betroffenen sind besorgt – nicht nur um ihre eigene Sicherheit.

Mehr News zur Innenpolitik

Unter den in Deutschland lebenden Armenierinnen und Armeniern macht sich derzeit Angst breit. Grund dafür ist eine zunehmende Zahl von Drohanrufen und Hassbotschaften, die sich gezielt gegen die armenische Minderheit in Deutschland richten.

Nach Angaben der Deutsch-Armenischen Juristenvereinigung (DeArJv) wurden seit März mindestens fünfzehn solcher Fälle gemeldet. "Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher sein", sagt Gurgen Petrossian, Völkerrechtler und Vorsitzender der DeArJv, im Gespräch mit t-online.

Zudem gibt er an, dass die Anrufe stets einem ähnlichen Muster folgen würden. So dauerten sie meist weniger als eine Minute. In dieser Zeit würde sich der Anrufer als Türke oder Aserbaidschaner vorstellen – und dann mit Beschimpfungen und Gewaltandrohungen fortfahren.

Bedrohte fürchten erneuten Krieg

Der Inhalt der Drohungen sei brutal, so Petrossian. Immer wieder werde auf den Völkermord an den Armeniern 1915 angespielt. Aussagen wie: "Wir haben 1915 nicht vergessen, du armenische Schlampe", würden zu den Formulierungen gehören, die der Juristenvereinigung gemeldet wurden und die t-online vorliegen. Ein anderer Anrufer habe gedroht: "Wir werden euch noch einmal killen, ihr Hurensöhne werdet noch einen Völkermord erleben."

Die Bedrohten, so Petrossian, fürchteten nicht nur um ihre persönliche Sicherheit – sondern auch, dass dies ein Zeichen dafür sei, dass die Situation zwischen den Kaukasusrepubliken Armenien und Aserbaidschan wieder eskalieren könnte.

Denn viele erinnern sich an den Krieg um Bergkarabach, der in der Vergangenheit immer wieder aufflammte. Insbesondere im Jahr 2020, als Aserbaidschan Armenien angriff. Schon damals waren in Deutschland lebende Armenier Ziel ähnlicher Drohungen.

Drohungen auch über Telegram

Anders als damals würden Armenierinnen und Armenier heute auch über den Kurznachrichtendienst Telegram bedroht. Ihnen würden dort sogenannte Sticker zugeschickt, berichtet Petrossian, auf denen Bilder von getöteten armenischen Soldaten aus dem Krieg von 2020 zu sehen seien.

Die DeArJv hat inzwischen mehrere Strafanzeigen gestellt. Die Ermittlungen gestalten sich allerdings noch schwierig, da die Drohanrufe in der Regel über anonyme Nummern erfolgen.

Steinmeier besucht Armenien und Aserbaidschan

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat seine viertägige Reise nach Armenien und Aserbaidschan begonnen. In der armenischen Hauptstadt Eriwan wurde er von Staatsoberhaupt Wahagn Chatschaturjan empfangen.

Beim Völkermord an den Armeniern 1915 wurden etwa 1,5 Millionen Menschen durch das Osmanische Reich während des Ersten Weltkriegs systematisch ermordet. Viele wurden deportiert, ermordet oder starben auf Todesmärschen. Der Völkermord ist bis heute international anerkannt, die Türkei lehnt diese Bezeichnung jedoch ab. (lla)

Verwendete Quelle