Jette Nietzard provoziert auf Instagram mit einem Sweatshirt. Darauf das Akronym "A.C.A.B." ("All Cops Are Bastards"). Nach heftiger Kritik schlägt sie etwas mildere Töne an, aber teilt auch aus.

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Nach Kritik an einem Instagram-Beitrag rudert die Vorsitzende der Grünen Jugend, Jette Nietzard, zwar etwas zurück – bleibt aber bei ihrer Polizei-Kritik. "Ich glaube nicht, dass das der richtige Weg war, um auf die Probleme aufmerksam zu machen", sagte sie im "stern"-Podcast "5-Minuten-Talk".

Nietzard hatte sich in einer Instagram-Story auf einem Selfie mit einem Sweatshirt mit den Buchstaben "ACAB" gezeigt. Das Akronym "A.C.A.B." steht für "All Cops Are Bastards" (deutsch: Alle Polizisten sind Bastarde) und wird in polizeikritischen Kreisen verwendet – unter anderem im linken bis linksextremen Milieu.

"Besitze diesen Pulli als Privatperson"

Nietzard sagte über den Pullover: "Ich besitze diesen Pulli als Privatperson, habe als Privatperson eine Instagram-Story gepostet. Dass ich als Sprecherin der Grünen Jugend damit auffalle, hätte mir vielleicht klar sein müssen." Sie habe jedoch damit keinen Diskurs anstoßen wollen. "Jetzt haben wir ihn. Aber ich glaube nicht, dass es der richtige Weg war."

Für die Story war Nietzard hart kritisiert worden, führende Grüne gingen auf Distanz. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Konstantin von Notz, schrieb auf X, "All cops are bastards" sei "ein völlig unterirdischer, inakzeptabler und beleidigende Take für alle Polizistinnen und Polizisten". Parteichefin Franziska Brantner teilte den Beitrag auf ihrem Profil. Ein Sprecher des Bundesvorstands der Grünen sagte der "Bild": "Offensichtlich hat das nichts mit grüner Politik zu tun, unser Programm ist ja bekannt."

Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt nannte Nietzards neue Aussagen halbherzig. "Das halbherzige Zurückrudern von Frau Nietzard ist völlig unglaubwürdig, sie verhält sich genauso, wie Rechtspopulisten es häufig tun: Erst mal schlagzeilenträchtig extreme Aussagen treffen, um dann mit 'war nicht so gemeint' das Gesagte zu relativieren", sagte er RTL. Sie spreche für die Jugendorganisation einer Partei, die für sich ständig in Anspruch nimmt, die Menschen in Deutschland über Respekt, Toleranz und Zusammenhalt zu belehren.

"Hasse nicht die Polizei als Ganzes"

Dennoch bleibt die 26-Jährige bei ihrer Polizei-Kritik. "Ich hasse natürlich nicht die Polizei als Ganzes, aber was ich hasse, ist das System dahinter und wie es gerade aufgebaut ist", sagte sie in dem Podcast. Es gebe ihrer Ansicht nach keine vernünftigen Polizeistudien, keine strukturelle Aufarbeitung von Gewalt und rassistische Tendenzen, die von der Polizei nicht transparent genug gemacht würden.

Die Chefin der grünen Jugendorganisation kritisierte ihrerseits die Parteispitze, oft nicht direkt genug zu sein. "Ich würde mir auch wünschen, dass die Grünen die Polizei und gerade die strukturellen Dinge, die damit einhergehen, auch gerade nach dem Tod von Lorenz beispielsweise mehr thematisieren."

Ein Polizist hatte in der Nacht zum Ostersonntag in der Oldenburger Innenstadt fünfmal in Richtung eines jungen Mannes namens Lorenz geschossen. Mehrere Schüsse trafen den jungen Deutschen, er starb an den Verletzungen. Gegen den 27-jährigen Polizisten wird wie in solchen Fall üblich wegen Totschlags ermittelt. Aktivistinnen und Aktivisten befürchten, dass die Schüsse auf den Schwarzen einen strukturellen rassistischen Hintergrund haben.

Neben dem "ACAB"-Shirt trug Nietzard auf dem Foto auch eine Kappe mit der Aufschrift "Eat the rich" (deutsch in etwa: Iss bzw. esst die Reichen). Der Slogan wird in linken, antikapitalistischen Kreisen verwendet und kritisiert soziale Ungleichheit und die Macht der Reichen.

Nietzard stellte zu dem Foto die Frage: "Auf dem Weg in den Bundestag. Was findet Julia Klöckner schlimmer: ACAB Pulli – Eat the rich Cap?". Womöglich bezog sie sich dabei auf einen Saalverweis durch das Bundestagspräsidium Mitte Mai. Die Bundestagspräsidentin hatte den Linken-Abgeordneten Marcel Bauer aufgefordert, seine Baskenmütze abzusetzen. Weil er dem nicht nachkam, wurde Bauer später von Parlamentsvizepräsidentin und Sitzungsleiterin Andrea Lindholz (CSU) des Saales verwiesen.

Führende Grüne gehen auf Distanz

Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Marcel Emmerich, distanzierte sich von Nietzard. "Solche provokanten Einzeläußerungen spiegeln nicht die Position unserer Fraktion und der Partei wider", sagte Emmerich dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Die Polizei handelt täglich mit großer Verantwortung und Einsatzbereitschaft dafür, dass unsere Sicherheit und Freiheit gewährleistet bleiben – unter extrem schwierigen Bedingungen in einer angespannten Sicherheitslage mit vielen sicherheitspolitischen Bedrohungen." Dafür verdienten sie Respekt und Rückhalt und keine pauschale Abwertung.

Bundestagsvizepräsidentin Lindholz wandte sich auf X an die Grüne Jugend. Das gehe gar nicht, schrieb sie über die Aussage zur Polizei. "Weil sie 24/7 an 365 Tagen für unsere Sicherheit sorgen." Im Bundestag so aufzutreten, zeuge von zweifachem "No Respect".

Entschuldigung gefordert

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic, fordert von Grüne-Jugend-Chefin Jette Nietzard eine Entschuldigung bei Polizistinnen und Polizisten wegen eines Posts mit einem Anti-Polizei-Pullover. "Alle Polizistinnen und Polizisten mit einem menschenverachtenden Label zu versehen, ist kein Beitrag zu einer kritisch-konstruktiven Debatte, sondern beschädigt unsere jahrelange Arbeit als Grüne im Dialog mit der Polizei", sagte Mihalic dem "Spiegel". Sie erwarte daher "eine aufrichtige Entschuldigung ohne Umschweife und Relativierung".

Mihalic, die selbst Polizistin ist, sagte, sie habe der Auftritt persönlich tief getroffen. An ihre Parteifreundin gerichtet sagte sie: "Ich weiß nicht, ob sie sich einmal bewusst gemacht hat, dass da Menschen hinter stehen, die Tag für Tag auf die Straße gehen, um für Sicherheit zu sorgen, Kriminalität zu bekämpfen, Gefahren abzuwehren, den Verkehr am Laufen zu halten und vieles mehr."

Grünen-Chef Felix Banaszak nannte Nietzards Beurteilung der Polizei "inakzeptabel" und brachte eine Neubesetzung der Grünen-Jugend-Spitze ins Gespräch. Über Nietzards Verbleib müsse die Nachwuchsorganisation selbst entscheiden. Der Grünen-Ministerpräsidenten-Kandidat Baden-Württembergs, Cem Özdemir, kritisierte, bei den Grünen sei falsch, wer nicht kapiere, dass die Polizei auch Grünen-Werte verteidigt, wie er auf der Plattform X schrieb.

Kopelke hält Posting für erbärmlich

Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jochen Kopelke, nannte Nietzards Posting in der "Bild" "ganz schön erbärmlich". "Mit diesem pubertären Polizeihass und unsachlichen Aussagen will die Grüne Jugend offenbar Klicks generieren."

Instagram-Storys sind in der Regel nur 24 Stunden lang sichtbar. Das vielfach kritisierte Bild wird aber weiterhin in sozialen Medien geteilt. Auf X trendete der Hashtag #jette zwischenzeitlich in Deutschland.

Nietzard war bereits in der Vergangenheit mit Beiträgen in sozialen Medien angeeckt. Anfang des Jahres entschuldigte sie sich für einen Beitrag zu Gewalt von Männern gegen Frauen, in dem sie schrieb, Männer, die beim Böllern ihre Hand verlören, könnten zumindest keine Frauen mehr schlagen. (dpa/bearbeitet von cgo)