Politisch motivierte Straftaten werden immer mehr. Auch Schulen werden zunehmend zum Tatort, wie jüngste Vorfälle zeigen. Das darf die Bundesregierung nicht länger hinnehmen, sagt der Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, Quentin Gärtner.
"Der noch nie dagewesene Anstieg der Fallzahlen politisch motivierter Straftaten ist eine bedenkliche Entwicklung, die wir mit aller Konsequenz und Entschlossenheit bekämpfen", sagte Bundesinnenminister
Auch die Zahl der politisch motivierten Straftaten unter Jugendlichen steigt weiter an. Innerhalb kürzester Zeit wurden drei mutmaßlich rechtsextreme Vorfälle an deutschen Schulen bekannt: Vier Görlitzer Neuntklässler posierten vor dem Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau mit dem sogenannten White-Power-Gruß, einer Neonazi-Geste. In einem kleinen Ort im Erzgebirge lauerten Vermummte einer Lehrerin mit einer Reichskriegsflagge auf. In Duisburg gingen zwei E-Mails mit rechten Gewaltfantasien ein.
Vorfälle wie diese zeigen: Die Täterinnen und Täter werden immer jünger. Auch in Brandenburg werde die Schule zunehmend zum Tatort, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Brandenburg.
Aus der jüngsten Polizeistatistik geht dort hervor, dass die meisten Taten an Brandenburger Schulen (336) rechts motiviert sind – vom Zeigen des Hitlergrußes bis zum Schmieren von Hakenkreuzen. Aber auch fünf von sechs registrierten Gewaltdelikten im Jahr 2024 hatten laut dem Bericht einen rechtsextremistischen Hintergrund. "Es reicht nicht mehr, auf gesellschaftliche Verwerfungen nur hinzuweisen und Betroffenheit zu zeigen – wir müssen endlich präventiv und konsequent gegensteuern", heißt es vonseiten der Landesvorsitzenden der GdP. Hessen wiederum will als Präventionsmaßnahme gegen Gewalt nun Messer an Schulen verbieten.
Wie ernst das Problem unter Jugendlichen ist, zeigen auch die kürzlich durchgeführten Razzien bei jungen Mitgliedern der Neonazigruppe "Letzte Verteidigungswelle". Das jüngste Mitglied ist gerade einmal 14 Jahre alt.
Bundesschülerkonferenz: "Keine symbolischen Schulbesuche, sondern entschlossene Taten"
"Schule muss ein Schutzraum sein – und nicht der Ort, an dem rechte Parolen, Antisemitismus oder Queerfeindlichkeit geduldet werden. Doch genau das passiert. Immer öfter. Und immer offener", bestätigt Quentin Gärtner, Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz (BSK), auf Anfrage unserer Redaktion. Er plädiert für mehr präventive Maßnahmen an Schulen. Erst vor zwei Wochen hatte Bundesbildungsministerin
Gärtner aber pflichtet Prien bei: "Es braucht Pflichtbesuche in Gedenkstätten, nicht als nette Projektidee, sondern als unverhandelbares Bildungsziel", sagt er. Aufklärung über Rechtsextremismus dürfe nicht erst dann beginnen, wenn die ersten Drohungen ausgesprochen oder Hakenkreuze geschmiert wurden – "sie muss fester Bestandteil des Unterrichts sein, von Anfang an". Der Generalsekretär der BSK fordert dafür unter anderem eine gestärkte Schulsozialarbeit und dauerhaft finanzierte Projekte gegen Hass.
Viele Bundesländer dürften hier jedoch das Argument der Finanzierung anbringen. Nicht nur der Bund muss sparen, die Länder auch. An vielen Schulen fehlt indes ausreichend qualifiziertes pädagogisches Fachpersonal, wie etwa in Brandenburg. "Statt mehr Zeit für die präventive Arbeit bereitzustellen, wird diese durch die Landesregierung weiter eingekürzt", drückte es Günther Fuchs, Landesvorsitzender der GEW Brandenburg, im April aus.
An die Bundesregierung hat die Bundesschülerkonferenz dahingehend ganz klare Erwartungen: "Keine symbolischen Schulbesuche oder bloße Lippenbekenntnisse, sondern entschlossene Taten. Demokratie muss man machen – und das fängt im Klassenzimmer an", sagt Gärtner.
Hochschulen "oft gezielt Bühne für Proteste"
Von Rechtsextremismus, Antisemitismus und anderen gesellschaftlichen Problemen sind auch Hochschulen in Deutschland betroffen. Ein Sprecher der Hochschulrektorenkonferenz, einem freiwilligen Zusammenschluss der deutschen Hochschulen, teilte gegenüber unserer Redaktion mit: Hochschulen würden "als Orte der bewusst offenen Diskussion und des Dialogs oft gezielt zur Bühne etwa für öffentlichkeitswirksame Demonstrationen und Proteste". Die Hochschulen seien dann gefordert, bei Störung des Hochschulbetriebs mit den Mitteln des Hausrechts einzuschreiten und auch mögliche Straftaten anzuzeigen. Die Herausforderung bestünde allerdings darin, den Unterschied zwischen wissenschaftlicher Diskussion und einfacher Meinungsäußerung zu verdeutlichen.
Allerdings sei es "unverzichtbar, dass Bund und Länder sie durch entsprechende Ressourcen und die Wahrung der Wissenschaftsfreiheit und der Hochschulautonomie stärken", damit Hochschulen weiterhin ihren Beitrag zur Sicherung von Fortschritt, Wohlstand und gesellschaftlicher Stabilität leisten könnten.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt hat im Mai eine Sicherheitsoffensive angekündigt, um dem Anstieg politisch motivierter Kriminalität zu begegnen. Mehr Kompetenzen für die Polizei – eine Position der Unionsparteien, die nicht ganz unumstritten ist – und mehr Konsequenzen für Straftäter sollen den starken Anstieg politisch motivierter Straftaten eindämmen.
Verwendete Quellen
- Statistik politisch motivierte Kriminalität
- bmi.bund.de: "Minister kündigt Sicherheitsoffensive an"
- Anfragen bei Bundesschülerkonferenz und Hochschulrektorenkonferenz
- Pressemitteilung der GdP Brandenburg: "Schule darf kein Ort politisch motivierter Gewalt sein"
- zeit.de: "'Sieg Heil' in der Frühstückspause"