SPD-Chefin Saskia Esken räumt das Feld, auch ein designierter Generalsekretär ist gefunden. Vizekanzler Lars Klingbeil schneidet die Partei auf sich zu. Doch sein Kurs produziert auch Verlierer.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Rebecca Sawicki sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Wochenlang war die Co-Parteichefin der SPD massiver Kritik ausgesetzt, vor allem aus den eigenen Reihen. Schon im Landtagswahlkampf im vergangenen Herbst wurde die Forderung laut, Saskia Esken solle nicht mehr in Talkshows sprechen.

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Mit dem krachend schlechten Ergebnis bei der Bundestagswahl wurde die Kritik an ihr lauter. Während ihr Co-Chef Lars Klingbeil sich noch am Wahlabend zum Fraktionschef beförderte und letztlich Vize-Kanzler und Finanzminister im Kabinett Merz wurde, stand Esken in der Schusslinie.

Klingbeil ist jetzt der mächtigste Genosse in der SPD – und Esken abgesägt. Nachdem sie bei der Vergabe der Ministerposten leer ausgegangen war, hat sie mittlerweile auch bekanntgegeben, nicht erneut für den Parteivorsitz zu kandidieren. Womöglich fürchtete sie eine schallende Niederlage, vielleicht hat aber auch Partei-Co-Chef Klingbeil diesen Schritt empfohlen.

Der Niedersachse dürfte in den kommenden Jahren der Stratege und Architekt der SPD sein, womöglich auf eine künftige Kanzlerkandidatur hinarbeiten. Wichtig für seinen Erfolg: Eine geeinte Partei. Eine polarisierende Person wie Esken an der Spitze könnte da hinderlich sein.

Beide zukünftige Parteivorsitzende mit Doppelaufgabe

Eskens designierte Nachfolgerin: Ex-Bundestagspräsidentin Bärbel Bas. Eine Doppelrolle für die Sozialdemokratin aus Nordrhein-Westfalen, ist sie doch seit gut einer Woche auch Ministerin für Arbeit und Soziales. Die Parteilinke hat bereits in ihren ersten Tagen im Amt mit einem Vorstoß zur Rente für Zündstoff gesorgt – und ihren Parteifreunden gleichzeitig gezeigt, wo sie steht.

Auf dem Parteitag der SPD Ende Juni dürften sich Klingbeil und Bas demnach zur Wahl stellen. Beide Vorsitzende wären dann auch Mitglieder der Bundesregierung – ob diese Verquickung der Rollen für einen Neuanfang der Partei förderlich ist? Wer weiß das schon. Die Positionierung der eigenen Partei abseits eines schwarz-roten-Wahlvereins dürfte so aber schwerer zu vermitteln sein. Klar ist, dass die Erwartungshaltung gegenüber Klingbeil, der sich nach dem Absturz der Partei als Architekt des Neubeginns stilisiert, enorm ist.

Kritik von der SPD-Basis

Schon auf dem Landesparteitag der SPD Nordrhein-Westfalen musste sich Klingbeil massive Kritik anhören. Ein junger Sozialdemokrat warf ihm dort vor, das Gespür für die Partei und seinen "moralischen Kompass" verloren zu haben. Andere prangerten laut focus.de "programmatische Planlosigkeit und Ämterhäufung bei gleichzeitiger 'Abstrafung' seiner Co-Vorsitzenden Saskia Esken vor" an.

Juso-Chef Philipp Türmer sagte bereits in der vergangenen Woche in einem Interview dieser Redaktion, die SPD brauche eine Vision, wo sie in Zukunft hinsoll. "Das muss auch Lars Klingbeil gerade in der verantwortungsvollen Position, die er jetzt bekleiden wird, liefern." Er räumte auch ein, dass die SPD ein Problem damit habe, "wie sie mit Frauen in verantwortungsvollen Positionen umgeht".

Esken selbst stellte bei der ARD klar: "Ich glaube, dass Frauen in der Politik insgesamt anders beurteilt werden und auch härter und kritischer betrachtet werden als Männer." Frauen müssten "in einem hohen Maße männlich geprägten Rollenklischees" genügen.

Wirklich ein Saubermann?

Parteichef, Vizekanzler – und dann noch Kopf des Neuanfangs: Lars Klingbeil wird die Partei davon überzeugen müssen, dass er der richtige Mann für die Ämterhäufung ist. Und das besser früher als später. Die SPD-Basis erwartet, dass die Abstrafung bei der Bundestagswahl aufgearbeitet wird. 2026 steht eine Reihe von Landtags- und Kommunalwahlen an, bei denen die Genossen punkten wollen. Darunter etwa Berlin, Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern.

Das Saubermann-Image, das Klingbeil lange anhaftete, hat in den vergangenen Wochen Kratzer bekommen. Schließlich hat mit der Wahlschlappe nicht nur Esken ihren Posten verloren, sondern auch andere Altgediente. Etwa Ex-Fraktionschef Rolf Mützenich, Ex-Arbeitsminister Hubertus Heil oder Ex-Entwicklungsministerin Svenja Schulze. All das zeigt: Die SPD meint es offenbar ernst mit einem Neuanfang. Doch einer bleibt trotz des miserablen Ergebnisses im Februar an der Spitze der Partei – und als Vize-Kanzler jetzt auch des Landes.

Verwendete Quellen