Der Norddeutsche Tim Klüssendorf soll die SPD als neuer Generalsekretär voranbringen. Wie will er das schaffen?

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Der kommissarische SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf will in seiner neuen Rolle Klartext sprechen und das Profil der Sozialdemokraten schärfen. Er wolle weder um Dinge herumreden noch Dinge beschönigen, "sondern mir geht es darum, Klartext zu sprechen und das zu benennen, was ist", sagte Klüssendorf in den ARD-"Tagesthemen". Das habe er sich fest für seine Arbeit vorgenommen.

"Ich glaube, es geht vor allem darum, die SPD inhaltlich neu aufzustellen, sie auch mit einem kommunikativen Ansatz zu versehen, der attraktiver ist", sagte der 33-Jährige. SPD-Chef Lars Klingbeil habe ihn sicher nicht als Generalsekretär ausgewählt, um die SPD "cool" zu machen.

"Die SPD ist per se cool, aber natürlich durch Inhalte. Ich glaube, dass es aber vor allen Dingen darauf jetzt ankommt, erst mal sich die Karten zu legen und zu schauen, wie wir eigentlich so ein bisschen unsere eigene Demut, also die Akzeptanz dieses wirklich sehr, sehr schlechten Wahlergebnisses, mit einem neuen Selbstbewusstsein in Einklang bringen können."

Bas' Rentenvorstoß ist "Denkansatz"

Klüssendorf warnte die schwarz-rote Koalition vor öffentlichen Streitereien wie in der gescheiterten Ampel-Regierung. Es müsse gelingen, "dass man gleichzeitig eine Regierungspolitik selbstbewusst vertritt und auch nicht sich scheut, Kompromisse zu benennen, aber die auch nach außen dann aktiv zu vertreten und ein Profil zu bilden". "Ich stelle mir vor, dass wir wieder eine faszinierende Zukunftsvision eigentlich erarbeiten, hinter der man sich versammeln kann", sagte der Lübecker.

Den Rentenvorstoß der neuen Arbeitsministerin Bärbel Bas nannte Klüssendorf einen "Denkansatz". "Das war jetzt kein Vorschlag, dass sie nächste Woche ein Gesetzesvorhaben in den Bundestag einbringt, sondern der einfach mal den Blick weitet und über den Horizont denkt."

Klüssendorf soll auf dem Parteitag Ende Juni gewählt werden und jetzt bereits die Vorbereitungen dafür im Willy-Brandt-Haus nach der Wahl von Matthias Miersch als Fraktionsvorsitzender übernehmen.

Senkrechtstarter Tim Klüssendorf: Wer ist er?

Klüssendorf steht in der Partei für Kontinuität. Wie seine Vorgänger Miersch und Kevin Kühnert, gehört er zum linken Flügel der Partei, ist Sprecher der Parlamentarischen Linken in der SPD. Mit der Nominierung als Generalsekretär kann Klüssendorf wohl als politischer Senkrechtstarter bezeichnet werden: Er zog erst vor vier Jahren in den Bundestag ein; stieg schnell auf zu seinem Sprecheramt der SPD-Linken und soll jetzt zum Anwalt der Partei werden.

Auf einem SPD-Bundesparteitag machte er sich 2022 einen Namen, indem er als Volks- und Betriebswirtschaftler ein Konzept für eine einmalige Vermögensabgabe erarbeitete. In diesem Jahr verteidigte der Lübecker in seiner Heimatstadt sein Direktmandat als Spitzenkandidat der SPD Schleswig-Holstein.

Mierschs schweres Erbe

Dennoch – oder gerade deshalb – dürfte es nicht ganz einfach werden für Klüssendorf, in die Fußstapfen von Matthias Miersch zu treten: Ihm fehlt es schlicht an langjähriger Erfahrung, die in der derzeitigen Konstellation hilfreich sein könnte. Denn am Posten des Generalsekretärs der SPD dürfte die kommenden Jahre noch mehr Arbeit hängen bleiben: Die SPD wird sich nach der Wahlpleite erneuern müssen. Mit Lars Klingbeil und Bärbel Bas hat die wohl künftige Parteispitze zwei Ministerämter inne – Parteierneuerung von der Regierungsbank dürfte schwierig werden. Die Ämter erfordern außerdem viel Zeit, die gleichzeitig fehlen könnte, um sich um Parteibelange kümmern zu können.

Gleichwohl dürfte Klüssendorf eine Lücke füllen und als Gegengewicht zu den beiden Co-Chefs der Partei fungieren können. Vor allem von den Linken in der Partei wird Klingbeil scharf für seine Machtfülle kritisiert. Als Generalsekretär muss der Lübecker künftig vor allem die Partei nach innen organisieren, um die Wogen zu glätten und die SPD aus dem Zustimmungstief zu holen – aber auch nach außen das Profil schärfen. (dpa/bearbeitet von tas und lc)