Alle reden von den Grünen und der Frage, ob die Partei Union und SPD im Bundestag die Zweidrittelmehrheit für deren Milliardenpläne beschaffen wird. Wenig Beachtung findet dagegen die Rolle des Bundesrats – dabei ist die Länderkammer der eigentliche Knackpunkt.
Sollten die Milliardenpläne von Union und SPD in der kommenden Woche im Bundestag die nötige Zweidrittelmehrheit bekommen, wäre lediglich die erste Hürde genommen. Die zweite könnte wesentlich höher sein: der Bundesrat.
Warum kommt es auf den Bundesrat an?
Als zweites Gesetzgebungsorgan muss die Länderkammer alle Grundgesetzänderungen absegnen, damit diese in Kraft treten können. Weil die Schuldenbremse im Grundgesetz verankert ist, muss der Gesetzentwurf, der eine Ausnahme davon für Verteidigungsausgaben über einem Prozent der Wirtschaftsleistung vorsieht, auch durch den Bundesrat. Hier sitzen die jeweiligen Regierungen der 16 Bundesländer und haben abhängig von der Bevölkerungszahl zwischen drei und sechs Stimmen.
Wie viele Stimmen sind nötig?
Für Grundgesetzänderungen sind zwei Drittel der insgesamt 69 Stimmen nötig, also 46. Enthaltungen werden faktisch wie Ablehnungen gewertet, da zwei Drittel explizit zustimmen müssen. Wie sich die Stimmen zusammensetzen, ist unerheblich. Im Grundgesetz vorgesehen ist aber, dass die einzelnen Landesregierungen einheitlich abstimmen.
Was ist, wenn sie das nicht tun?
Wenn eine Landesregierung im Bundesrat nicht einheitlich abstimmt, werden ihre Stimmen als ungültig gewertet und kommen im Ergebnis ebenfalls einer Ablehnung gleich. Die Landesregierungen müssten sich also vorher einigen, wie die Stimmen abgegeben werden sollen. Da außer dem Saarland alle Länder von Koalitionen regiert werden, lauert hier Konfliktpotenzial.
Wie groß ist der Widerstand?
Bis auf CDU, CSU und SPD haben alle anderen Parteien, die in Landesregierungen vertreten sind, unterschiedlich große Einwände gegen die Grundgesetzänderung. So kündigten die Grünen im Bundestag schon an, den Plänen nicht ohne weitere Verhandlungen zuzustimmen. Sollte es eine Kompromisslösung geben, die die Grünen im Bundestag abgenickt haben, dürften sie auch in der Länderkammer zustimmen.
Zusätzlich haben aber auch FDP, Linke und BSW Vorbehalte angemeldet. Diese regieren in sechs Bundesländern mit: Thüringen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen. Gut möglich, dass sich diese Bundesländer, die 22 Stimmen auf sich vereinen, enthalten. Blieben 47 Zustimmungen, genug für die Zweidrittelmehrheit.
Doch dann ist da noch Bayern mit seinen sechs Stimmen. Dort regiert die CSU mit den Freien Wählern – und die lassen ihre Zustimmung bislang offen. "Die Union will jetzt das Gegenteil von dem, was sie im Wahlkampf versprochen und womit sie die Wahl gewonnen hat", kritisiert Parteichef Hubert Aiwanger und fordert "strukturelle Reformen" von der Regierung in spe. "Es braucht Einsparungen bei Bürgergeld und Migration, Wirtschaft flott machen durch Verbesserung der Rahmenbedingungen, Reformstau angehen – anstatt die Strukturfehler nur durch Schulden zuzukleistern."
Was heißt das nun für die Zweidrittelmehrheit?
Bei Addition der Stimmen aus den Ländern, die nur von SPD und Union regiert werden, ergeben sich 16 Stimmen. Bei Hinzuziehung der Länder mit Regierungsbeteiligung der Grünen wären es insgesamt 41 Stimmen - nicht mitgerechnet sind hier die Länder Bremen und Rheinland-Pfalz, in denen neben SPD und Grünen noch die Linke beziehungsweise die FDP mitregiert.
Aber auch 41 Stimmen wären immer noch fünf Stimmen zu wenig für eine Zweidrittelmehrheit. Kämen zusätzlich die sechs Stimmen aus Bayern hinzu, wo die CSU mit den Freien Wählern koaliert, wäre die Hürde mit 47 Stimmen überschritten. Auch wenn stattdessen FDP, BSW oder Linkspartei jeweils mit ihren beiden Landesregierungen zustimmen, könnten sie der Grundgesetzänderung zur Zweidrittelmehrheit verhelfen.
Wie wahrscheinlich ist das?
Das ist noch ungewiss und wird sich wohl erst kurz vor der Sitzung am 21. März entscheiden. Möglicherweise könnte den Ausschlag geben, dass das Finanzpaket auch 100 Milliarden Euro aus dem Infrastruktur-Sondervermögen für die Länder vorsieht. Das könnte für in der Sache gespaltene Landesregierungen ein Grund sein, den Plänen trotzdem zuzustimmen. (afp/dpa/bearbeitet von mcf)