- Die "Zeitenwende" bei der Bundeswehr ist längst beschlossene Sache.
- Nun fordert Christian Lindner eine solche Wende auch bezüglich der Wirtschafts- und Finanzpolitik in Deutschland.
- In einem Schreiben schlägt das Finanzministerium Ideen vor, um dieses Ziel zu erreichen — und stößt bei den Koalitionspartnern auf scharfe Kritik.
Ein internes Papier des Finanzministeriums sorgt innerhalb der Ampel-Koalition für Unmut. In dem Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vorliegt und über das zuerst die "FAZ" berichtete, fordern Fachleute aus Lindners Ministerium eine Zeitenwende in der Finanz- und Wirtschaftspolitik.
Der FDP-Politiker
Alternativ sei die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlags denkbar. Höheren Steuern für Reiche über einen "Energie-Soli", einen höheren Spitzensteuersatz oder der Einführung einer Vermögensteuer erteilt das Papier hingegen eine klare Absage.
Zudem wird in dem Schreiben eine höhere Forschungsförderung und eine Investitionsprämie ("Super-Afa") gefordert. Auch Maßnahmen zur Stärkung des Arbeitsmarkts, etwa flexiblere Arbeitszeiten, werden vorgeschlagen.
Ideen aus dem Finanzministerium stoßen auf Kritik bei Grünen und SPD
Besonders die Grünen übten an den Ideen aus dem Finanzministerium Kritik. "Was wir nicht brauchen, sind Vorschläge, die der Finanzminister über die Feiertage aus verstaubten FDP-Wahlkampfkisten gezogen hat", sagte Fraktionsvize Andreas Audretsch dem "Spiegel". Noch mehr Geld an die Reichsten zu verteilen, bringe keine wirtschaftliche Dynamik. "Der Vorschlag, die Steuern für die obersten zehn Prozent zu senken, sollte endlich in der Mottenkiste bleiben", so Audretsch weiter.
Vor allem die energiepolitischen Forderungen in dem Papier stießen bei Grünen und SPD auf Gegenwind. In dem Schreiben wird der Weiterbetrieb der Atomkraftwerke über April 2023 hinaus "fachlich" und die Erschließung von Gasvorkommen durch das sogenannte Fracking befürwortet.
SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch sagte dem "Spiegel": "Atom und Fracking sind keine Freiheitsenergien. Daran ändert auch der russische Angriffskrieg nichts." Die Ampel-Koalition sei stark, "wenn sie sich auf die Dinge konzentriert, die man als Fortschritt gemeinsam definiert hat". Das gelte sowohl für den sozialen, als auch für den "energiepolitischen Bereich".
Ähnlich äußerte sich Grünen-Politiker Audretsch. Er verwies darauf, dass "die Leitmärkte der Zukunft [...] klimaneutral" sein werden."Wer Fracking in Deutschland will, meint es offensichtlich nicht ernst mit der Modernisierung hin zu einer erneuerbaren und günstigen Energieversorgung", erklärte der Grünenfraktionsvize.
Der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen, Dieter Janecek, bezeichnete die Debatte um Fracking in Deutschland als abstrakt. Man könne nur für wirksame Entlastungen sorgen, "wenn wir jetzt alle Bremsen lösen beim Ausbau der erneuerbaren Energien".
Unionsfraktionsvize: Lindner-Papier zeigt "die völlige Impotenz der FDP" in der Ampel
Genereller Zuspruch zu den in dem Papier formulierten Ideen kam hingegen aus der Union. Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg (CDU) erkannte in der Ideensammlung des Finanzministeriums "viele brauchbare Ansätze". In der Koalition werde davon aber nichts durchzusetzen sein, sagte er der dpa. "Insofern zeigt das Lindner-Papier vor allem eines: die völlige Impotenz der FDP in der gegenwärtigen Ampel-Regierung."
Der bayerische Finanzminister Albert Füracker forderte schnelles Handeln. "Krisen bekämpft man durch Steuersenkungen, nicht durch Steuererhöhungen", sagte der CSU-Politiker der dpa. Wenn Deutschland konkurrenzfähig bleiben solle, müsse die Steuerlast für Unternehmen dringend gesenkt werden. "Der Bund sollte jetzt schnell handeln, damit unsere Wirtschaft diese Krise mit möglichst geringem Schaden übersteht", sagte Füracker.
Welche Maßnahmen aus dem Papier dem Kabinett konkret vorgeschlagen werden, ist nach Angaben des Finanzministeriums noch offen. Das müsse von Lindner noch politisch entschieden werden. Die Vorschläge der Fachebene seien nun interne Diskussionsgrundlage. (dpa/thp) © dpa

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