Israels Außenminister Gideon Saar besucht Berlin. Das Vorgehen seiner Regierung im Gazastreifen sorgt auch im Land des Holocaust für immer deutlichere Kritik. Deutschlands Außenminister Johann Wadephul sagt: "Der Krieg in Gaza muss enden."
"In Berlin ist das Menschheitsverbrechen des Holocaust maßgeblich geplant worden", sagt
Er stellt aber auch klar: "Lieber Gideon, ich wünschte mir, dieser Besuch könnte in einfacheren, in ruhigeren Zeiten erfolgen. Dem ist nicht so."
Wadephul fordert mehr humanitäre Hilfe für Gaza
Deutschland und Israel verbindet eine einzigartige Freundschaft. Unter dem Schatten des Völkermords an den europäischen Juden durch das NS-Regime entstand nach und nach eine enge Partnerschaft zwischen der Bundesrepublik und dem jüdischen Staat Israel. In diesem Jahr feiern beide Staaten den 60. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Doch es ist auch etwas ins Rutschen geraten in dieser Beziehung.
Der Überfall der Terrororganisation Hamas am 7. Oktober 2023 hat Israel traumatisiert. Die Regierung von
"Was bisher an humanitärer Hilfe nach Gaza gelangt, ist zu wenig."
Dem "Deutschlandtrend" der ARD zufolge sind 63 Prozent der deutschen Bevölkerung inzwischen der Meinung, dass die militärische Reaktion Israels zu weit geht. Und auch in der Politik wächst die Unzufriedenheit. Die humanitäre Lage in Gaza ist aus Sicht vieler Bundestagsabgeordneter unerträglich – und das Vorgehen der israelischen Armee ein Verstoß gegen das Völkerrecht. Außenminister Wadephul wählt am Donnerstag auf der Pressekonferenz klare Worte. "Diese Bilder aus Gaza sind schockierend. Und sie zeigen: Was bisher an humanitärer Hilfe nach Gaza gelangt, ist zu wenig."
In Berlin ist inzwischen zu hören: Israels Sicherheit bleibt zwar deutsche Staatsräson. Ein Blankoscheck, um jegliches Vorgehen gutzuheißen, ist das aber nicht.
Wadephul hatte am Wochenende in einem Interview der "Süddeutschen Zeitung" mit einem Stopp von Waffenlieferungen an Israel gedroht – ist am Mittwoch im Bundestag aber wieder ein Stück zurückgerudert. Am Donnerstag antwortet er auf die Frage einer israelischen Journalistin, ob Deutschland Waffen an Israel liefern werde, mit einem klaren "Ja". Das habe auch nie in Zweifel gestanden.
Dennoch wird die Frage auch innerhalb der Unionsparteien CDU und CSU unterschiedlich bewertet: Während Bundeskanzler Friedrich Merz und Wadephul (beide CDU) die israelische Regierung zuletzt scharf kritisiert haben, pocht die CSU weiter auf eine militärische Unterstützung des Landes. Eine interessante Fußnote des Saar-Besuchs in Berlin: Der israelische Außenminister ist bereits seit Mittwoch in Deutschland. Er traf sich als erstes aber nicht mit seinem Amtskollegen Wadephul – sondern mit Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU).
Israel ist auf Deutschlands Unterstützung angwiesen
Auch wenn er Israel Unterstützung versichert: Wadephul redet seinem israelischen Kollegen am Donnerstag öffentlich ins Gewissen. Deutschland habe eine Verpflichtung für die Sicherheit und Existenz des Staates Israel, sagt er. Deutschland sei aber auch dem Völkerrecht verpflichtet. "Das sind zwei Seiten einer Medaille, das sind für mich beides Lehren aus der Vergangenheit." Von der Hamas dürfe nie wieder eine Gefahr für Israel ausgehen – da ist sich Wadephul mit Saar einig. "Aber der Kampf gegen die Hamas ist auf Dauer nicht nur mit militärischen Mitteln zu beenden", sagt der CDU-Politiker. "Der Krieg in Gaza muss deswegen enden."
"Hamas ist verantwortlich für den Beginn des Krieges, für seine Fortsetzung, für das Leid der Palästinenser und der Israelis."
Der Gast hört mit ernster Mine zu. Israels Außenminister zeigt sich verständnisvoll – und gleichzeitig entschlossen, den harten Kurs in Gaza fortzusetzen. "Wir hören die Bedenken", versichert er. Saar sagt aber auch, man dürfe die Opfer nicht zu Tätern machen. "Hamas ist verantwortlich für den Beginn des Krieges, für seine Fortsetzung, für das Leid der Palästinenser und der Israelis."
Die weitgehende Blockade des Gazastreifens ist aus seiner Sicht richtig. Nur so könne die Hamas in die Knie gezwungen werden. Nur so könne man sie daran hindern, neue Terroristen zu rekrutieren, ihnen Löhne zu zahlen. Der erste Erfolg ist aus seiner Sicht bereits zu sehen. Viele Palästinenser im Gazastreifen lehnen sich gegen die Hamas-Herrschaft auf.
Israels Regierung steht auf der Weltbühne immer mehr im Abseits. Großbritannien erwägt Sanktionen, Frankreich die Anerkennung Palästinas als unabhängiger Staat. Als Verbündete bleiben Israel noch: die USA und Deutschland. Auf sie ist das Land angewiesen, das weiß auch der israelische Außenminister. Schließlich ist Israel an mehreren Fronten bedroht, auch vom Iran, aus Syrien, von den jemenitischen Huthi-Milizen. "Wir brauchen Deutschlands Unterstützung in schwierigen Stunden. Wir werden militärisch, juristisch, diplomatisch und wirtschaftlich angegriffen." Deutschland wisse man dabei an seiner Seite, sagt Saar. Es klingt nur zum Teil wie eine Gewissheit. Auch wie eine Hoffnung.
Verwendete Quellen
- Pressekonferenz mit Johann Wadephul und Gideon Saar im Auswärtigen Amt
- tagesschau.de: ARD-DeutschlandTrend: Kritik an Israels Militäreinsatz wächst