Ab Montag führt Polen Grenzkontrollen ein. Das könnte auch Deutschland spürbar treffen.
Ab kommender Woche wird Polen Kontrollen an der Grenze zu Deutschland einführen. Polens Premierminister Donald Tusk kündigte diese Maßnahme als "symmetrische" Reaktion auf die seit Mai bestehenden verschärften deutschen Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz an.
Für Deutschland könnten sich dadurch nicht nur praktische Probleme im Grenzverkehr ergeben, sondern auch neue diplomatische Spannungen und rechtliche Konflikte, wie die "Süddeutschen Zeitung" berichtet.
Unmittelbare Folgen für Pendler und Urlauber
Die direkten Auswirkungen werden demnach zunächst deutsche Reisende und Pendler spüren. An den Autobahn-Grenzübergängen drohen auf deutscher Seite erhebliche Verzögerungen und Staus. Was bisher polnische Autofahrer erlebt haben, könnte sich nun umkehren. Kilometerlange Warteschlangen könnten zur Normalität werden.
Auch Spediteure und Logistikunternehmen müssen sich wohl auf Verzögerungen im Warenverkehr einstellen. Dies könnte sich wiederum auf Lieferketten auswirken.
"Pingpong-Effekt" bei Geflüchteten: Eine humanitäre Herausforderung
Die Gewerkschaft der Polizei warnt Angaben der Süddeutschen Zeitung zufolge außerdem vor einem "Pingpong-Effekt" bei Geflüchteten: Menschen, die an der deutschen Grenze abgewiesen werden, könnten von Polen ebenfalls zurückgewiesen werden – und so in eine rechtliche Grauzone zwischen den Ländern geraten, ohne klaren Zugang zu Asylverfahren. Innenminister
Schengen in Gefahr?
Die gegenseitigen Grenzkontrollen stellen das Grundprinzip des Schengen-Raums – die Freizügigkeit ohne Grenzkontrollen – zunehmend infrage. Was als temporäre Maßnahme begann, droht zu einem dauerhaften Zustand zu werden. Für die europäische Integration ist dies ein bedenkliches Signal, da die offenen Grenzen zu den sichtbarsten und am meisten geschätzten Errungenschaften der EU gehören.
Zudem stützen sich die deutschen Kontrollen auf eine Notfallklausel der EU, die derartige Maßnahmen nur bei einer "ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Ordnung" erlaubt. Angesichts sinkender Flüchtlingszahlen könnte diese Begründung vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) jedoch nicht standhalten – etwa im Falle einer Klage Polens aufgrund bestehender Differenzen mit Deutschland. Juristen halten eine Niederlage Deutschlands vor dem EuGH für durchaus möglich.
Gemeinsame Kontrollen als Ausweg
Um die wachsenden Spannungen zu entschärfen, hat Innenminister Dobrindt Polen gemeinsame Kontrollen auf deutschem Boden angeboten. Diese Zusammenarbeit könnte ein Kompromiss sein, der Sicherheitsinteressen und freien Verkehr in Einklang bringt. Mit Luxemburg werden ähnliche Lösungen diskutiert. Ob Polen auf diesen Vorschlag eingeht, bleibt jedoch offen.
Warum Polen jetzt reagiert
Die polnische Entscheidung für Grenzkontrollen hat nicht nur außenpolitische Gründe. Premierminister Donald Tusk begründet die Maßnahme zwar mit dem Prinzip der "Symmetrie" – man wolle auf die deutschen Kontrollen in gleicher Weise reagieren. Doch hinter der Entscheidung stehen auch innenpolitische Faktoren, so die Süddeutsche Zeitung.
Tusks Umfragewerte sind rückläufig, während rechtsnationale Kräfte im Land an Einfluss gewinnen. Die sogenannte "Bewegung Grenzschutz", unterstützt von der PiS-Partei, patrouilliert bereits an der Grenze zu Deutschland und verbreitet die Behauptung, Deutschland wolle Polen "mit Asylsuchenden überschwemmen". Mit den Grenzkontrollen versucht Tusk offenbar auch, politischen Boden zurückzugewinnen und dem Druck von rechts etwas entgegenzusetzen. (bearbeitet von lla)
Verwendete Quellen:
- sueddeutsche.de: Was der neue Grenzstreit für Deutschland bedeutet