Dass der Zustand der Deutschen Bahn schlecht ist, darüber war sich die Runde gleich einig. Gestritten wurde bei "Hart aber fair" am Montag deshalb über andere Fragen: Wer ist schuld, wie viel Geld braucht es und wie gelingt eine Mobilitätswende mit der Bahn? Bahn-Vorstand Berthold Huber kündigte eine bittere Pille, die es für Kunden zu schlucken gilt, an.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Marie Illner dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

So deutlich wie kein anderer Bereich hat der Verkehrssektor im vergangenen Jahr die Klimaziele gerissen. Besonders Sorgenkind: Die Deutsche Bahn. Mit einer Pünktlichkeitsquote von nur 69 Prozent im Fernverkehr sind viele nicht bereit, vom Auto auf die Bahn umzusteigen. Ändert sich das bald?

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Das ist das Thema bei "Hart aber Fair"

"Zug fällt heute aus!" oder "Zug verspätet sich" – das hat wohl jeder schon einmal gelesen, der regelmäßig in Deutschland mit der Bahn unterwegs ist. Dabei soll die Bahn Verkehrsmittel einer klimafreundlichen Zukunft werden und im Rennen mit Auto und Flugzeug die Nase vorn haben. Warum leidet sie dann immer noch an Fehlern der Vergangenheit? Und helfen einzelne Reformen und viele Milliarden, oder braucht es einen kompletten Neustart? Das fragte Louis Klamroth unter der Überschrift "Zu spät, zu schlecht, zu teuer: Warum ist die Bahn so kaputt?".

Das sind die Gäste

  • Berthold Huber: Der Vorstand für Infrastruktur bei der Deutschen Bahn sagte: "Wir sind auch noch nicht zufrieden, wir fahren aber bereits mehr, als das Netz verkraftet." Die Infrastruktur sei entscheidend, ob es gelinge, die Qualität der Bahn zu verbessern. Vieles aus der gezeigten Doku habe er selbst wiedererkannt. "Ich fahre viel Bahn, es gibt kein Privileg für Vorstände", sagte er.
  • Michael Theurer (FDP): "Die Bahn wurde Jahrzehnte vernachlässigt. Das ändern wir jetzt, mit mehr Geld und einer Umstrukturierung im Konzern", kündigte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium an. Bei zwei Umstiegen oder mehr plane er selbst Reservezeiten ein. Das Netz sei marode und auf Verschleiß gefahren worden. Es gebe einen Finanzierungsbedarf von 87 Milliarden Euro.
  • Fatma Mittler-Solak: Die Moderatorin und Presenterin der Doku "Besser Bahnfahren!" war für einige Zeit vom Auto auf die Bahn umgestiegen. Ihr Fazit: "Zu stressig, zu unzuverlässig". Sie habe im Vorfeld nicht damit gerechnet, dass es so problematisch und anstrengend werden würde und so viele Zugausfälle geben würde. "Ich war völlig blauäugig", gab sie zu. Die meisten Menschen ärgerten sich über die Unzuverlässigkeit. Geld bei Zugverspätungen entschädige nicht den Stress, den man erlebe.
  • Sarah Bosetti: Die Moderatorin und Autorin kritisierte: "Immer mehr Geld für mehr Autobahnen – das ist kein klares Signal der Regierung pro Schiene und pro Klimaschutz". Sie fahre gerne Bahn und sei großer Fan der Idee des Bahnfahrens. "Ist das der Moment, um zehnspurige Autobahnen zu bauen?", fragte sie. Als kompletter Laie finde sie es "absurd, dass in einer Situation wie der jetzigen, aus dem Verkehrsministerium irgendein anderer Satz kommt als: 'Oberste und einzige Priorität ist die Schiene'", so Bosetti.
  • Christian Böttger: "Die Bahn hat viele große Baustellen, nicht nur das marode Schienennetz", befand der Professor für Verkehrswesen an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. "Der Spaß am Bahnfahren ist mir in den letzten Jahren abhandengekommen", gab er zu. Die Pünktlichkeit der Bahn habe sich in den letzten Jahren verschlechtert. "Das Netz ist eigentlich überlastet", betonte er. Es würden etwa 20 Prozent mehr Züge fahren als vor 20 Jahren – sei aber dasselbe Netz geblieben.

Das ist der Moment des Abends bei "Hart aber Fair"

Bahn-Vorstand Huber stellte die Pläne vor, das Bahnnetz zu sanieren. Dafür müssten allerdings nacheinander mehrere Korridore für Monate gesperrt werden. "Wir machen dann einmal alles neu", versprach er. Anfang mache die Strecke Mannheim-Frankfurt. "Das ist die Aorta des Schienennetzes", betonte Huber. Durch die Sanierung würde die Pünktlichkeit auch auf anderen Strecken gehoben, weil es auf Anschlusszüge ausstrahle.

Danach gehe es mit der Verbindung Berlin-Hamburg weiter. "Es tut wirklich sehr weh. Und man wird auch Kunden verlieren, aber vermutlich gibt es keine Alternative, so bitter wie das Ganze ist", kommentierte Wissenschaftler Böttger Vermutlich sei der Zustand aber so schlecht, dass man nicht daran vorbeikomme.

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Das ist das Rede-Duell des Abends

Bahn-Vorstand Huber wollte Journalistin Mittler-Solak einen Tipp geben: "Ich habe festgestellt, dass Sie Nahverkehr gefahren sind, weil Sie das 49-Euro-Ticket getestet haben und deswegen sehr lange gebraucht haben." Er empfahl, den Fernverkehr zu nutzen und eine Strecken-Zeitkarte zu kaufen. "Dann können Sie in 37 Minuten mit dem schnellsten Zug in Heidelberg sein von Baden-Baden", rechnete er vor. Es wäre teurer, aber immer noch günstiger, als das Auto zu benutzen. "Insofern würde ich es zumindest mal auf den Versuch ankommen lassen, den Fernverkehr zu nutzen", schlug er vor.

"Und da fallen die Bahnen nicht aus?", kommentiert Mittler-Solak spitz. Huber verhaspelte sich. Da die Infrastruktur für alle gleich gelte, könne es auch sein, dass sich hier Züge verspäteten oder ausfielen. "Aber es ist zumindest ein Ärgernis, das ich in dem Film gesehen habe, weniger. Nämlich, dass Sie gesagt haben, Sie brauchen einfach zu lange", so Huber. Mittler-Solak war nicht zufrieden. "Das war nur ein klitzekleines Problem. Das größte Problem für mich war, dass ich viele Verbindungen nicht bekommen habe", sagte sie.

So hat sich Louis Klamroth geschlagen

Rein in die Lebensrealität der Zuschauer – das schien das Motto von Moderator Louis Klamroth am Montagabend zu sein. Er startete mit Fragen wie "Wie oft sind Sie gerannt, um Ihren Anschlusszug zu bekommen?" oder "Fahren Sie gerne Bahn?" Viele Anekdoten aus dem Alltag waren die Folge. An den richtigen Stellen war Klamroth aber auch bissig und entlarvend. Als Böttger beispielsweise über die geringe Bereitschaft von Autofahrern sprach, auf die Bahn umzusteigen, kommentierte er: "Vielleicht weil die Infrastruktur einfach nicht besser ist und die deswegen Auto fahren wollen?"

Das ist das Ergebnis bei "Hart aber Fair"

Bahn-Vorstand Huber setzte auf Verständnis und versuchte erst gar nicht, die Kritik an der Bahn kleinzureden. Stattdessen räumte er den Großteil der Kritik ein. "Ich bin ausgesprochen unzufrieden", gab er beispielsweise in Bezug auf die Pünktlichkeitswerte zu. "Wenn wir das Problem nachhaltig lösen wollen, dann müssen wir die Infrastruktur-Probleme angehen, die wir haben", bekräftigte er mehrfach.

Bewundernd schielte die Runde auf die Schweiz, Österreich und Norwegen, die pro Kopf teilweise das Fünffache für den Bahnverkehr ausgeben. Uneinigkeit herrschte dann nur, ob das Glas halb voll oder halb leer ist. Während Huber sich optimistisch zeigte, war sich Experte Böttger mit Blick auf die Finanzmittel sicher: "Das reicht noch nicht aus". Dann kam aber schon das nächste Problem auf den Tisch: Die fehlenden Fachkräfte, die das Netz sanieren müssen.

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