Die wachsenden Möglichkeiten der modernen Medizin lassen immer mehr Menschen älter werden. Über KI in der Diagnostik, Fragen der Ethik und Grenzen der Selbstoptimierung diskutierte Markus Lanz am Dienstag mit seinen Talk-Gästen.
Das Streben nach der ewigen Jugend und dem ewigen Leben treibt viele Menschen weltweit an. Bei "
Das Thema der Runde
Die Möglichkeiten in der modernen Medizin scheinen perspektivisch fast grenzenlos zu sein. Dank Künstlicher Intelligenz können seltene oder genetische Krankheiten schon Jahre vor ihrem Ausbrechen vorausgesagt werden. Die Technologie ist damit bereits erfahrenen Medizinern weit voraus. Grund genug für Markus Lanz, am Dienstagabend die Frage nach der Ethik zu stellen, die in dem Bereich immer wichtiger zu werden scheint.

Die Gäste bei Markus Lanz
- Medizinethikerin Alena Buyx spricht sich für Einsatz von KI in der Medizin aus, denn: "Wir werden immer älter und wir müssen einfach schauen, dass wir den Laden am Laufen halten."
- Theologe Manfred Lütz erläutert, warum er den medizinischen Fortschritt teilweise ethisch bedenklich findet: "Dann ist die Würde des Menschen nicht mehr unantastbar."
- Patientenschützer Eugen Brysch legt dar, warum er aktive Sterbehilfe ablehnt: "Der Kern meiner Arbeit ist es, die Schwachen zu schützen."
- Mediziner André Nemat zeigt, welches Potenzial in Künstlicher Intelligenz steckt: "Wir haben einen technologischen Reifegrad erreicht, in dem die KI Dinge zusammenführt, die die menschliche Intelligenz gar nicht mehr überblicken kann."
Das Wortgefecht des Abends
ZDF-Moderator Markus Lanz debattierte am Dienstagabend über die ethische Frage, ob man Patienten mithilfe von Künstlicher Intelligenz eine genetische Krankheit voraussagen sollte oder nicht. Medizinethikerin Alena Buyx sah dies skeptisch und antwortete: "Da gibt es unterschiedliche Vorlieben von Menschen. Manche wollen alles wissen und manche nicht." Eine Aussage, auf die Lanz ungläubig konterte: "Aber wollen die das wirklich?"
Nicht nur der ZDF-Moderator, sondern auch Theologe Manfred Lütz stellte in dem Zusammenhang klar, dass sie "unter keinen Umständen" einen digitalen Zwilling von sich erstellen lassen würden, über den Krankheiten vorab festgestellt und vorausgesagt werden könnten. Lütz machte sogar deutlich, dass er es "hoch problematisch" finde, potenziell tödliche Diagnosen vorab zu stellen. "Das klingt zwar schön, dass man (...) das alles weiß, was im Leben passiert. Aber es ist sehr lebensfremd. Das Leben besteht eigentlich darin, dass man es lebt", erklärte der Theologe.
Er ergänzte, dass man zwar "intensiver" lebe, wenn man sein genaues Sterbedatum kenne, aber "dann werde ich vielleicht fünf Jahre älter, aber habe von morgens bis abends Diät gegessen, bin durch die Wälder gerannt". Mediziner André Nemat widersprach dem Theologen: "Die meisten Erkrankungen sind eben keine genetischen, sind nicht schicksalshaft." Laut Nemat könnten Umwelteinflüsse vielerlei Krankheiten mit sich bringen und gewisse Anlagen schaffen. "Wenn wir Kenntnis darüber hätten, hätten wir Einfluss darauf", schilderte der Mediziner die neuen Möglichkeiten.
Das Argument prallte an Lütz jedoch ab: "Sterben tut man aber doch." André Nemat stichelte prompt zurück: "Aber wann, Herr Lütz? Wann sterben wir und wie sterben wir?" Der Theologe antwortete nüchtern: "Ich möchte ja vielleicht gar nicht so spät sterben!"
Die Offenbarung des Abends
In der ZDF-Sendung wurde deutlich, wie weit fortgeschritten Künstliche Intelligenz bereits jetzt im medizinischen Bereich ist. Ein Fakt, der Mediziner André Nemat nachdenklich stimmte, denn: "Wenn KI in der Lage ist, bessere Diagnosen zu stellen als ein Arzt, dann können wir es aus ethischer Sicht überhaupt nicht verantworten und erlauben, KI nicht einzusetzen."
Laut Nemat erkenne die KI nämlich bereits pathologische, "also unnormale Befunde genauer, präziser als viele Fachärzte für Radiologie". Medizinethikerin Alena Buyx stimmte energisch zu: "Es sind ganz tolle Instrumente. (...) Wenn die richtig gut funktionieren, müssen wir die benutzen, weil wir im Gesundheitswesen ja auch Herausforderungen haben. Wir werden immer älter und wir müssen einfach schauen, dass wir den Laden am Laufen halten."
Lanz stellte in dem Zusammenhang "die Frage nach der Verantwortung", wenn es beispielsweise zu einer Fehldiagnose kommt. Buyx antwortete deutlich: "Das kann nur eine geteilte Verantwortung sein." Laut der Medizinethikerin sei die KI nämlich kein System, dass "die Menschen im Gesamtbild erkennen" oder gar "eine echte klinische Führung übernehmen" könne. "Die Letzt- und Gesamtverantwortung" müsse laut Buyx daher nach wie vor bei den Ärzten liegen.
Dies sei vor allem auch im Bereich der Psychotherapie unabdingbar, da es sonst laut Alena Buyx schnell "wirklich gefährlich" werden könne. Patientenschützer Eugen Brysch zeigte sich ebenfalls skeptisch: "KI nur mit Patienten kann nur sehr begrenzt funktionieren – (...) insbesondere wenn es um Diagnosen geht, die ja tödlich sein können." Daher brauche es laut Brysch dringend "die Koppelung des Miteinanders".

Der Erkenntnisgewinn
Bei "Markus Lanz" waren sich die Gäste am Dienstagabend einig, dass es klare Regeln im Umgang mit Künstlicher Intelligenz in der Medizin brauche. Das Streben nach dem ewigen Leben schien in dem Zusammenhang vor allem für den ZDF-Moderator höchst befremdlich zu sein. "Alle wollen ja möglichst alt werden, aber keiner will alt sein", sagte Lanz kopfschüttelnd über den Trend der Selbstoptimierung.
Manfred Lütz stimmte zu: "Dieser Jugendwahn führt natürlich in der Tat dazu, dass jeder, der etwas älter ist, (...) gleich abgewertet wird." Laut des Theologen könne man jedoch nicht allem vorbeugen, "insbesondere dem Tod zum Beispiel nicht. Aber das ist dann so ein Marketing-Gag, dass man sagt, man kann ja allem vorbeugen (...) und dann lebt jemand nachher nur noch vorbeugend und stirbt gesund".
Lanz beschwerte sich daraufhin lautstark: "Meine Generation, die benehmen sich dermaßen bescheuert zum Teil. (...) 60 ist das neue 40 (...) und ich denke: Nein, ist es nicht! 60 ist einfach das alte 60. Finde dich damit ab." Durch das Einsetzen von Technologie entstehe jedoch laut des ZDF-Moderators immer mehr das Gefühl, "wir können das kontrollieren". © 1&1 Mail & Media/teleschau