Nach dem SPD-Mitgliederentscheid ist der Weg für die Koalition frei. Doch in vielen Punkten sind sich die Parteien noch uneinig, wie die Diskussion bei "Markus Lanz" offenbarte. Obendrein schieden sich bei der Diskussion über den Umgang mit der AfD die Geister.
Unionsfraktionsvize
Das Thema der Runde
Beim SPD-Mitgliederentscheid stimmten rund 85 Prozent für den Koalitionsvertrag mit der Union. Die Beteiligung lag zwar nur bei 56 Prozent, doch die SPD-Führung feierte das Ergebnis trotzdem als "große Rückendeckung von der Basis". Markus Lanz nahm dies am Donnerstagabend zum Anlass, um die künftige Zusammenarbeit von Union und SPD näher zu beleuchten. Zeitgleich debattierte der ZDF-Moderator über den richtigen Umgang mit der AfD.
Die Gäste
- SPD-Politiker
Ralf Stegner äußert sich zum Ministerpoker in der SPD: "Viele fühlen sich berufen, aber nur wenige sind auserwählt." - Der JU-Vorsitzende Johannes Winkel stellt die kritische Frage: "Warum sollten wir mit einer AfD koalieren, deren Ziel die Zerstörung der CDU ist?"
- Journalistin Mariam Lau äußert sich zum möglichen Regierungsstil des Bald-Kanzlers
Merz : "Es drängt ihn auf die weltpolitische Bühne." - Völkerrechtler Kai Ambos sagt über die weiterhin zugespitzte Lage in Gaza: "Die UN warnen vor der schlimmsten humanitären Krise seit Beginn dieses Krieges."
Das Wortgefecht
Die SPD hat den schwarz-roten Koalitionsvertrag jüngst mit einer Zustimmung von über 84 Prozent gebilligt. Eine Zahl, die Journalistin Mariam Lau am Donnerstagabend bei "Markus Lanz" als "ziemlich beeindruckend" betitelte. Der JU-Vorsitzende Johannes Winkel reagierte dagegen nüchtern und stellte klar: "Daran sieht man ja (...), dass die SPD-Basis viel konservativer tickt als große Teile der SPD-Führung, die viel linker sind als ihre eigene Basis."
Eine Aussage, die für Kopfschütteln in der Runde sorgte. "Herr Stegner widerspricht", merkte Markus Lanz an. Der wetterte prompt los: "Daran sieht man etwas anderes!" Laut des SPD-Politikers habe seine Partei einfach erkannt, dass sie nun Verantwortung übernehmen müsse, um einen Anstieg des rechtsradikalen Einflusses zu unterbinden. Winkel ließ sich von der Argumentation nicht überzeugen und hielt dagegen. Grund genug für Lanz, ironisch zu fragen: "Sie regieren zusammen, oder?!"

Ralf Stegner nickte widerwillig, gab jedoch zu: "Die Union hat sich ja teilweise richtig Mühe gegeben, uns das schwer zu machen." Stegner nannte als Beispiel den kürzlichen Kommentar von CDU-Politiker Jens Spahn, der in Bezug auf die AfD gefordert hatte, man solle mit der Partei "so umzugehen wie mit jeder anderen Oppositionspartei auch".
"Wir sind auch für Ordnung, was die Flüchtlingspolitik angeht. Aber wir sind trotzdem dafür, dass das Asylrecht beibehalten wird, dass wir europäisches Recht einhalten, dass wir Humanität nicht verletzen", argumentierte der SPD-Mann: "Und da kann man kein Verhältnis zur AfD normalisieren, das sind nämlich Rechtsradikale."
Statt zuzustimmen, konterte Johannes Winkel prompt: "Dass Sie für Ordnung sind, hat man in den letzten dreieinhalb Jahren (...) nicht so wirklich mitbekommen." Stegner wollte sich auf die Stichelei nicht weiter einlassen und sagte trocken: "Werden Sie ja dann kennenlernen, wenn Sie das von innen betrachten können."
Die Offenbarung des Abends
Der Umgang mit der AfD stand bei "Markus Lanz" in weiten Teilen im Zentrum der Debatte. Journalistin Mariam Lau echauffierte sich dabei über die Aussagen von Jens Spahn und bezeichnete es als "crazy, (...) von einer Partei, die mich vernichten will", zu sagen, "die behandle ich wie jede andere Oppositionspartei auch. Ich verstehe es nicht."
Gleichzeitig verteidigte Lau den CDU-Chef und sagte, Friedrich Merz sende in Bezug auf die AfD "eine andere Botschaft" und setze sich nicht dafür ein, sie "wie irgendeine andere Oppositionspartei" zu behandeln. Eine richtige Entscheidung, wie Mariam Lau erklärte, denn: "Die Zahl der vernünftigen Kandidaten, mit denen man reden kann, die ist halt verdammt gering."
Auch Ralf Stegner warnte vor einer Normalisierung der AfD und sagte: "Wir wissen natürlich auch, was passiert mit (...) konservativen Parteien, die sich rechts sozusagen anschmiegen. Die verschwinden von der Bildfläche und werden zerstört." Mariam Lau nickte: "Keiner hat das überlebt!" Johannes Winkel sah dies anders und spielte die Aussagen von Jens Spahn herunter: "Ich finde es sehr weit hergeholt."

Er fügte hinzu: "Die AfD ist keine normale Partei, und deswegen werden wir sie auch wie keine normale Partei behandeln. Es liegt ja an der AfD selber, wie sie behandelt wird im Deutschen Bundestag." Mit Blick auf die wiederkehrende Brandmauer-Debatte sprach Winkel jedoch die Warnung aus: "Solche Geschichten nutzen eigentlich eher der AfD als dass sie ihr schaden."
Eine Meinung, der Mariam Lau nicht ganz zustimmen konnte. Sie äußerte die Sorge, dass die AfD längst keine Protestpartei mehr sei: "Mir werden (...) die Wähler der AfD oft nicht ernst genug genommen. Die wollen, was sie wählen. Das ist nicht einfach so, dass die sich verirrt haben."
Gerade deshalb forderte die Journalistin einen selbstbewussteren Ton mit Blick auf die Partei und merkte an: "Philipp Amthor, der hat den richtigen Ton. (...) Wenn der gegen die AfD redet, das kommt von ganz Innen." Lanz ergänzte: "Markus Söder auch." Völkerrechtler Kai Ambos schaltete sich daraufhin in die Debatte mit ein und erklärte: "Wir müssen viel offensiver, aggressiver die AfD konfrontieren und nicht in dieser Demutshaltung sein, sondern sagen: Wir verteidigen hier den Rechtsstaat."
Der Erkenntnisgewinn
Bei "Markus Lanz" äußerte sich SPD-Politiker Ralf Stegner vorsichtig zu den bislang bekannt gegebenen Kabinettsmitgliedern der Union. Er sagte lediglich: "Ich finde das eine gute Chance für uns, denn es wird leichter sein, mit einem konservativen Team auf der Unions-Seite zurechtzukommen." Stegner ergänzte, dass er die SPD hier als gutes "Gegengewicht" sehe.
Als es um die Kabinettsmitglieder seiner eigenen Partei ging, zeigte sich Stegner weniger aussagekräftig. Ob Saskia Esken beispielsweise einen Platz in der künftigen Regierung haben wird, ließ er offen und sagte, er wolle sich nicht an der "unterirdischen" öffentlichen Diskussion um Esken beteiligen. © 1&1 Mail & Media/teleschau