Thorsten Frei und Ricarda Lang stritten bei Sandra Maischberger über den Migrationskurs der neuen Bundesregierung. Später äußerte sich die Grünen-Politikerin verblüffend offen über ihren Rückzug aus der Spitzenpolitik. Ein früherer Trump-Freund ging mit der US-Regierung hart ins Gericht.

Eine TV-Nachlese
Diese TV-Nachlese gibt die persönliche Sicht von Thomas Fritz auf die Debatte und den Auftritt der Gäste wieder. Sie basiert auf eigenen Eindrücken und ordnet das Geschehen journalistisch ein. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Das ist das Thema der Runde bei "Maischberger"

Die ersten Wochen von Friedrich Merz (CDU) als Bundeskanzler waren von seinen außenpolitischen Initiativen geprägt, aber auch innenpolitisch steht der neue Regierungschef vor XXL-Herausforderungen: Ankurbelung der Wirtschaft, Begrenzung der illegalen Migration. Sandra Maischberger fegte am Dienstabend mit ihren Gästen durch die Themen der Woche.

Das sind die Gäste

  • Thorsten Frei: Der Chef des Bundeskanzleramtes rechnete mit der Energiepolitik der Ampel-Koalition bzw. den Grünen ab: "Die Ergebnisse ihrer Politik sind im Grunde genommen die höchsten Strom- und Energiepreise der Welt gewesen", kritisierte der CDU-Politiker.
  • Ricarda Lang: Die ehemalige Grünen-Parteivorsitzende würde "20 Kästen Bier drauf verwetten", dass Friedrich Merz das Ziel einer höheren CO2-Bepreisung nicht wie geplant verwirklicht, weil es zu sozialer Unwucht führen würde.
  • Cherno Jobatey: Der Journalist und Moderator stellte Merz nach dem Ende des "Scholz-Tals" ein gutes Zeugnis aus. Er lobte seine "klaren Worte und einfachen Sätze". Dass er anfangs als "Außenkanzler" viel reist und sich um den Frieden kümmert, findet er "nachvollziehbar und verständlich".
  • Helene Bubrowski: Die stellvertretende Chefredakteurin von "Table.Briefings" kritisierte Merz' Aussagen zum Ende der Reichweitenbeschränkung bei Waffenlieferungen an die Ukraine. "In einer schwierigen Situation trägt er mehr zur Verunklarung als zur Verklarung bei, was nicht sonderlich hilfreich ist."
  • Jan Fleischhauer: Auch der "Focus"-Kolumnist warf Merz in der Haltung zu Waffenlieferungen an Kiew eine "vorgetäuschte Entschiedenheit" vor. Vor der Wahl bekannte er sich offen zur Lieferung der Taurus-Marschflugkörper, danach sagte er dazu konkret nichts mehr.

Mathias Döpfner: Der Special Guest bei "Maischberger"

Der als lange Jahre als trumpfreundlich geltende Vorstandsvorsitzende von Axel Springer ging überraschend hart mit der US-Regierung sowie Regierungsberater und Tesla-Chef Elon Musk ins Gericht. Zur Gefahr für die Pressefreiheit unter Trump sagte er: "Wenn man mit Angst und Einschüchterung arbeitet, ist diese Gefahr da." Der US-Präsident hatte das Magazin "Politico", das zu Springer gehört, als linksgerichtet beschimpft – was Döpfner, der in Deutschland in die rechts-konservative Ecke eingeordnet wird, amüsierte.

Mathias Döpfner
Mathias Döpfner war am Dienstagabend ebenfalls Gast bei "Maischberger". © WDR/Oliver Ziebe

Der Springer-Chef verteidigte jedoch weiter den auch intern höchst umstrittenen Musk-Aufruf zur Wahl der AfD in der "Welt", findet jedoch dessen "Kombination aus politischer Macht und wirtschaftlicher Macht sehr problematisch". Auch einen möglichen Handelskrieg zwischen den USA und der EU findet er grundlegend falsch. Er will zollfreien Handel zwischen den demokratischen Volkswirtschaften und eine gemeinsame Strategie gegenüber China. Was Trump jetzt mache – die ständigen Zolldrohungen auch gegen Verbündete – "da verlieren wir alle", war sich Döpfner sicher. Zu Friedrich Merz wollte sich Döpfner nach den wenigen Regierungswochen noch nicht im Detail äußern, eine gewisse Grundzuversicht war aber zu vernehmen.

Das Wortgefecht des Abends

Beim Aufreger-Thema der letzten Jahre – illegale Migration – will die neue Regierung einen härteren Kurs fahren. "Das Asylrecht ist richtig, notwendig und auch zeitgemäß", sagte Thorsten Frei. "Wir müssen denen Schutz geben, die Schutz brauchen, aber die hiesige Gesellschaft auch nicht überfordern."

Ricarda Lang und Thorsten Frei
Ricarda Lang und Thorsten Frei stritten sich um die Migrationspolitik der neuen Bundesregierung. © WDR/Oliver Ziebe

Die Pläne, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte, zum Beispiel Kriegsflüchtlinge aus Syrien, auszusetzen, kritisierte Ricarda Lang scharf. "Ich halte das für komplett falsch." Die Regierung schränke die wenigen Wege für die reguläre Migration weiter ein. In ihren Augen spiegele sich in dieser Politik der alte Grundgedanke von Horst Seehofer wider: "Migration ist die Mutter aller Probleme." Sie ist überzeugt, dass man mit so einer Art der Politik "seiner humanitären Verantwortung nicht gerecht wird". Genauso wenig wie der Realität einer modernen Einwanderungsgesellschaft.

Frei widerspricht entschieden. Er verweist darauf, dass sich derzeit mit 3,45 Millionen Asylbewerbern, Flüchtlingen und Migranten so viele in Deutschland aufhalten wie nie zuvor. "Das ist eine gewaltige Herausforderung." Und der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte sei eben gerade kein Individualasylrecht, "sondern der subsidiäre Schutz ist erst 2011 eingeführt worden. Davor gab es das gar nicht." Frei sei für feste Kontingente, betonte er, aber das setze voraus, dass die irreguläre Migration tatsächlich gestoppt werden könne. "Es geht nicht, dass man das (die Kontingente, d. Red.) einfach oben drauf setzt."

Die Offenbarung des Abends

Ricarda Lang sprach über ihren Rückzug als Grünen-Chefin: "Das war eine riesige Ehre und es hat mir auch an vielen Stellen Spaß gemacht. Aber ich habe zwei Dinge an mir selbst gemerkt. Das erste, dass ich irgendwann so eine große Angst vor dem Fehler hatte, dass ich wie so eine kleine Schere im Kopf hatte", berichtet die frühere Parteivorsitzende, die aufgrund von Drohungen lange Polizeischutz bekam. "Also ich hätte jetzt hier gesessen und die ganze Zeit überlegt, welcher 15-Sekunden-Ausschnitt kann verwendet werden und was wird da gegen mich gedreht und was bedeutet das?"

Sie habe zwischen den Terminen zu wenig Zeit zum Nachdenken gehabt. "Ich war wie im Hamsterrad gefangen", gab sie zu. "Herr Frei wird das kennen und im Nachhinein würde ich sagen, manchmal kann auch die Angst vor dem Fehler der größte Fehler selbst sein." Es helfe mehr, ehrlich und offen zu sprechen. Für dieses ehrliche Statement gab es viel Applaus vom Publikum.

Der Erkenntnisgewinn

Ehrliche Worte über den harten Alltag in der Politik und Trump-Kritik eines alten Trump-Freundes: Die Maischberger-Ausgabe am Dienstagabend war durchaus für Überraschungen gut. Auch die Stimmung gegenüber Bundeskanzler Friedrich Merz hat sich trotz aller Kritikpunkte nach soliden ersten Regierungswochen ein wenig gedreht. Plötzlich ist die Weltlage der größere Aufreger als die deutsche Politik – das war unter der Ampel häufig anders.