Ukraine und AfD – Die Gemüter erhitzten sich im Mittwochstalk bei Sandra Maischberger aus unterschiedlichen Gründen.
BSW-Politikerin
Das war das Thema bei "Maischberger"
Mehr als zwei Jahre nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine wird in Deutschland darüber gestritten, ob deutsche Waffen auch bei Angriffen auf militärische Ziele auf russischem Gebiet eingesetzt werden dürfen. Völkerrechtlich ist das erlaubt, aber wäre es auch politisch klug?
Darüber entbrannte bei
Das waren die Gäste
Norbert Röttgen: Der CDU-Politiker sah keinen Gegensatz zwischen der Unterstützung der Ukraine und dem Wunsch nach Frieden. "Ganz im Gegenteil. Den Frieden werden wir nur erreichen, wenn wir den Krieg besiegen." Und das gehe nur mit mehr Waffenlieferungen. Die Unterstützung des Landes sei "Bedingung und der Weg zum Frieden". Sich vom russischen Präsidenten
Amira Mohamed Ali: Die Vorsitzende des Bündnis Sahra Wagenknecht lehnte den Einsatz westlicher Waffen gegen militärische Ziele in Russland strikt ab. Es habe einen Grund gehabt, dass das bisher nicht erlaubt gewesen sei. "Weil es den Krieg weiter eskalieren könnte." Mohamed Ali hielt es für sicher, dass Putin es propagandistisch ausschlachten würde, sollten deutsche Waffen zum Einsatz kommen, um leichter neue Soldaten zu mobilisieren. Mit Verweis auf SPD-Fraktionschef
Jagoda Marinić: Die Autorin nannte den möglichen Einsatz westlicher Waffen auf Russland einen "Paradigmenwechsel, auch wenn es völkerrechtlich erlaubt ist". Das würde etwas in Gang setzen, in den öffentlichen Debatten und womöglich auch im Kriegsverlauf, was ihrer Meinung nach gut vorbereitet werden müsste. Sie äußerte allerdings erhebliche Zweifel, ob US-Präsident
Michael Bröcker: Der Chefredakteur von "Table.Briefings" begrüßte den möglichen Einsatz westlicher Waffen in Russland. "Wie soll man ein Land unterstützen, wenn man die Militärbasen in Russland nicht angreifen darf?", fragte er. Nicht mal der Beschuss von russischen Kampfflugzeugen über der Ukraine sei bisher möglich. Für Lacher sorgte Bröcker durch seine Charakterisierung des Scholz-Macron-Treffens. "Diesen politischen-menschlichen Vulkan Macron und diese Niedrigtemperatur-Kühlschrankfigur Olaf Scholz. Und sie stehen nebeneinander und kommunizieren eigentlich dasselbe in unterschiedlicher Temperatur." Bröcker warnte vor Rechtsaußenparteien wie dem Rassemblement National in Frankreich und der postfaschistischen Partei der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni. Die Europäische Rechte habe verstanden, dass sie bürgerlich werden müsse, um erfolgreich zu sein, so Bröcker. "Das halte ich mindestens so gefährlich wie rechtsradikalen, plumpen Hass von AfD-Idioten."
Hans-Olaf Henkel: Der ehemalige Industrielobbyist und Ex-Vize-Chef der AfD wacht aufgrund der Radikalisierung der Partei nachts nicht schweißgebadet auf, obwohl er früher einmal gesagt hatte, er habe mit seinen Mitstreitern ein "richtiges Monster erschaffen". Zur persönlichen Beruhigung brachte er ein AfD-Wahlprogramm der Europawahl 2014 mit – und las ein paar völlig harmlose Forderungen vor. Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke sei ihm damals nicht so aufgefallen. "Der hat ja seine Maske erst später fallen lassen." Henkel, der wegen des Rechtsdralls der AfD 2015 austrat, könne aber nicht garantieren, dass es damals keine Nazis gegeben habe. Zwei Fehler in der Frühphase der Partei gestand er ein: dass man Leute mit rechtsextremer Gesinnung überhaupt in die Partei gelassen hat und dass man dann nicht schnell genug auf sie reagiert hat. Henkel machte die Flüchtlingspolitik von Altbundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für den Aufstieg der 2015 strauchelnden Partei verantwortlich. "Die Partei war erledigt. Und wer hat sie gerettet, Frau Maischberger?" Heute würde Henkel wohl CDU wählen, zumindest lobte er CDU-Chef Friedrich Merz. Der habe mit den schlechten Entscheidungen der Union (bei der Eurorettungspolitik, in der Migrationsfrage) nichts zu tun gehabt. "Die Leute haben eine Alternative", sagte Henkel. Damit sprach er die Protestwähler unter den AfD-Wählern direkt an.
Das war der Moment des Abends
So viel Lob von Norbert Röttgen für Kanzler Olaf Scholz wird vielleicht nie wieder zu hören sein. Der Grund war, wie Röttgen dessen Aussagen zum Einsatz westlicher Waffen gegen militärische Ziele in Russland interpretierte. Scholz hatte bei einer Pressekonferenz mit Macron gesagt, die Ukraine dürfe sich nun nach Regeln des Völkerrechts verteidigen. Das erlaubt ausdrücklich auch Angriffe auf Militärziele im feindlichen Territorium.
Röttgen schloss aus der Scholz-Aussage, dass dieser nun auch den Einsatz deutscher Militärtechnik in Russland billige. "Er erlaubt mit dieser Aussage eindeutig, dass die Ukraine sich jetzt nach dem Maßstab des Völkerrechts verteidigen darf, mit westlichen Waffen, mit deutscher Zustimmung, mit französischer Zustimmung, noch nicht mit amerikanischer Zustimmung. Ich respektiere das sehr. Ich unterstütze das in der Sache."
Lesen Sie auch
Das war das Rededuell des Abends
Kann er einen Angriff Russlands auf Nato-Gebiet ausschließen, sollten Raketen aus dem Westen bald Ziele in Russland treffen? Röttgen hält das aus Sicht Putins für wenig wahrscheinlich. "Zu sagen: 'Deshalb gehe ich mit der Nato in den Krieg, nachdem ich an der Ukraine gescheitert bin', macht militärisch und politisch überhaupt keinen Sinn", sagte er.
BSW-Frau Mohamed Ali teilte die Analyse, dass das militärisch nicht klug wäre. "Aber das Risiko wäre natürlich gigantisch groß", klagte sie. Die Ukraine sei trotz der Waffenlieferungen in einer schlechteren Ausgangsposition für Verhandlungen als sie es noch vor einem Jahr gewesen sei. "Das ist die Realität." Röttgen war empört, weil die Ukraine ja viel zu wenige Waffen erhalten habe und ohne westliche Waffen den Krieg schon längst verloren hätte. Von Verhandlungen halte er derzeit nicht viel, obwohl Putin zuletzt Interesse am Einfrieren des Konflikts signalisiert haben soll. "Ich kann nicht glauben, dass Sie so naiv sind, dass Sie das selber glauben, was Sie sagen", sagte er zu Mohamed Ali.
Da musste Maischberger dazwischen gehen. "Wir bleiben sachlich und werden nicht persönlich!" Mohamed Ali schimpfte zurück, es sei "unseriös", ein Verhandlungsangebot pauschal abzulehnen. Röttgen: "Nein, das ist nicht unseriös." Ali: "Doch, man muss es doch zumindest versuchen." Röttgen: "Nein!" "Ali: "Ein Außenpolitiker, der Diplomatie nicht möchte. Irre." Röttgen antwortete: "Ich möchte Diplomatie, ich will Frieden, ich will verhandeln. Es gibt nur ein Problem: Putin will es nicht."
So hat sich Sandra Maischberger geschlagen
Maischbergers Sendung war im Vergleich zu den sich permanent ins Wort fallenden Gästen bei "Hart aber fair" am Montag eine Wohltat – so geht zivilisierter Diskurs. Hartnäckig zeigte sich die Gastgeberin vor allem beim Einzel-Interview mit Hans-Olaf Henkel. Sie konnte nicht so recht glauben, dass er von rechtsextremistischen Aussagen und rechtsextremistischen Mitgliedern während seiner Zeit in der AfD so gar nichts mitbekommen haben will.
Nachdem die Gastgeberin darauf beharrt hatte, dass die Radikalisierung seit der Flüchtlingskrise 2015 ja nur geschehen konnte, weil die radikalen Leute eben schon drin waren und dann ihre Maske fallen ließen, antwortete Henkel: "Sie haben völlig Recht."
Das ist das Fazit
Wie geht es im Ukraine-Krieg weiter? Mohamed Ali erwartet von der kommenden Friedenskonferenz in der Schweiz nicht viel. Auch weil Russland gar nicht dabei ist. Deswegen blieb auch ein bisschen unklar, wie ihr Wunsch nach mehr Diplomatie und einem Waffenstillstand denn in der Realität umsetzbar wäre.
Michael Bröcker erwartete derweil vor den Europawahlen am 9. Juni keine Entscheidung von Olaf Scholz zum Einsatz deutscher Waffen gegen Russland. Schließlich plakatiert die SPD mit Scholz als Friedenskanzler. Könnte aber auch sein, dass in den kommenden Monaten diesbezüglich gar nichts passiert, sollte US-Präsident Joe Biden blockieren. Norbert Röttgen warnte fast flehentlich davor, Putins Drohungen nachzugeben. Es bestehe dann die Gefahr, dass die Ukraine langsam ausblutet und den Krieg verliert.
Für Mohamed Ali ergaben diese Aussagen keinen Sinn. Sie glaubte nicht daran, dass der Einsatz westlicher Waffen gegen Militärziele in Russland eine Wende zu Gunsten der Ukraine herbeiführen wird. Mit Blick auf die aktuelle Situation fällt es schwer, der BSW-Politikerin zu widersprechen. Aber vielleicht sind die Waffen ja ein Weg, um einen Waffenstillstand zu erzwingen. Dann hätte sich ihr Einsatz am Ende schon ausgezahlt.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.