Das SPD-Manifest löste landesweit heftige Debatten aus. Bei "Markus Lanz" verteidigte SPD-Politiker Ralf Stegner die Inhalte des Papiers, während nicht nur der ZDF-Moderator verbal dagegenhielt.

Eine TV-Nachlese
Diese TV-Nachlese gibt die persönliche Sicht von Natascha Wittmann auf die Sendung wieder. Sie basiert auf eigenen Eindrücken und ordnet das Geschehen journalistisch ein. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Als Mitverfasser des umstrittenen Friedensmanifests setzt sich SPD-Politiker Ralf Stegner für ein Umdenken in der Rüstungs- und Russland-Politik ein. Bei "Markus Lanz" verteidigte er seine Sichtweise und eckte damit vor allem bei dem ZDF-Moderator und Journalistin Kerstin Münstermann an.

Das Thema der Runde

Beim SPD-Parteitag erhielt Parteichef Lars Klingbeil mit nur 64,9 Prozent ein historisch schlechtes Ergebnis. "Ich sag' hier mal, ich hätte mir mehr gewünscht", so Klingbeil nach der Wahl-Schlappe. Markus Lanz debattierte am Dienstagabend nicht nur über den Zustand der SPD, sondern auch über das Friedensmanifest, das von Parteimitgliedern wie Ralf Stegner unterzeichnet wurde und kurz vor dem Parteitag für mächtig Furore sorgte.

Die Gäste bei "Markus Lanz"

  • SPD-Politiker Ralf Stegner nimmt Stellung zum aktuellen Zustand der SPD: "Wir haben durchaus Mangel an Profil."
  • Grünen-Politiker Omid Nouripour blickt auf die Entwicklung des Ukrainekrieges: "Es wird keine Friedensordnung in Europa geben ohne Russland."
  • Journalistin Kerstin Münstermann hinterfragt, wie die SPD ihre Wahlniederlage aufarbeitet: "Dieser Parteitag wird noch lange nachhallen."
  • Autor Michael Thumann analysiert das SPD-Friedensmanifest: "Das ist das, was genau in Putins Propaganda spielt."
Markus Lanz, Ralf Stegner, Omid Nouripour, Kerstin Münstermann, Michael Thumann
Zu Gast bei Markus Lanz (l.) waren am Dienstag (v.l.n.r.) Ralf Stegner, Omid Nouripour, Kerstin Münstermann und Michael Thumann. © ZDF / Markus Hertrich

Das Wortgefecht

Bei "Markus Lanz" verteidigte Ralf Stegner das umstrittene SPD-Manifest und erklärte, er finde "nichts sympathisch an der Partei von Frau Wagenknecht", auch "Rechtsradikale" verachte er. "Aber ich sehe, dass die Stimmen von uns holen in Bereichen, wo das nicht sein dürfte. Und wenn ich die haben will, diese Stimmen, dann muss ich mir mal darüber Gedanken machen, was ich dafür tun muss."

Journalistin Kerstin Münstermann reagierte kopfschüttelnd: "Da sind wir bei Ihrem Manifest." Als Lanz von seinen Gästen wissen wollte, was sie von dem Manifest halten, fragte Autor Michael Thumann: "Warum hat man das nicht alles schon diskutiert, als zum Beispiel Kanzler Scholz die Mittelstreckenraketen präsentierte als eine Lösung für die Zukunft?" Thumann zeigte sich irritiert über die "Verzögerung" der Debatte und echauffierte sich über die Forderung im Manifest, mit Russland zu verhandeln: "Das unterschlägt natürlich, dass wir eigentlich die ganze Zeit reden." Dem Autor zufolge erwecke man damit in der Bevölkerung den Eindruck, "dass nicht geredet würde": "Das ist ja auch das, was genau in Putins Propaganda spielt." Thumann wetterte weiter in Richtung Stegner: "Ich halte das für eine bewusste Irreführung!"

Der SPD-Politiker verteidigte sich und behauptete, Thumann habe die Situation und die Inhalte des Manifests "nicht richtig dargestellt", denn: "Das ist kein Papier über Putin!" Laut Stegner solle das Papier lediglich "einen Diskussionsanstoß" liefern, da das ständige Wettrüsten nicht die Lösung sein könne. "Mir geht's um Diplomatie!", so der Politiker energisch.

Kerstin Münstermann zeigte sich jedoch unbeeindruckt und konterte: "In ihrem Manifest (...) orakeln Sie ja auch über Kräfte, also einen Militärapparat, der in Europa sozusagen den Frieden gar nicht will. (...) Da sind wir doch sehr nah an Dingen, die verschwörungstheoretisch sind." Ein Vorwurf, den Stegner von sich wies: "Entschuldigung! Haben Sie die Debatte über Nuklearrüstung in Europa nicht wahrgenommen? Wissen Sie, was das kostet? Das sind ja Wahnsinnssummen!"

Münstermann kritisierte weiter, dass der "Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Manifestes" unpassend sei. Auch Markus Lanz bezeichnete die Behauptung im Manifest als "völlig verrückt", dass es keine Begründung für das Wettrüsten gebe. Ralf Stegner ließ sich davon nicht aus dem Konzept bringen. Er sagte: "Auf Sicht wird es nur Sicherheit mit Russland geben und militärisch werden wir das nicht lösen. (...) Nichts anderes steht in dem Manifest."

Die Offenbarung des Abends

Nicht nur das Friedensmanifest stand im Fokus der Sendung. "Was ist das eigentlich für ein Vorgang, den neuen Parteivorsitzenden derart zu beschädigen?", wollte Markus Lanz in Bezug auf die Klatsche für Lars Klingbeil beim SPD-Parteitag wissen. Als Kerstin Münstermann offenbarte, dass "ein Raunen durch den Saal" ging, als das Ergebnis verkündet wurde, hakte Lanz weiter nach: "Stand es wirklich zur Disposition, dass er hinwirft?" Die Journalistin nickte vorsichtig: "Aus meiner Kenntnis hat es zumindest kurzzeitig ihn mal durchzuckt." Münstermann weiter: "Dass das total reingefahren ist, da hat auch sein Umfeld und auch er selber keinen Hehl daraus gemacht."

Ralf Stegner erklärte daraufhin, dass er "Verständnis" dafür gehabt hätte, wenn Lars Klingbeil hingeworfen hätte. In dem Zusammenhang echauffierte sich der Politiker über die "ritualisierten Standing Ovations" bei schlechten Wahlergebnissen. "Wenn man jetzt das immer macht, (...) ist das ja fast ein bisschen wie Hohn", so Stegner. Kerstin Münstermann stimmte zu: "Ich glaube, das hat Lars Klingbeil auch so empfunden." Die Journalistin ergänzte ehrlich: "Das war völlig diffus, dieser Parteitag."

Ralf Stegner musste zwar zustimmen, er merkte jedoch an: "Entscheidend ist am Ende nicht die parteiinterne Wahl. Das Ergebnis wird man bald vergessen haben, glaube ich. Sondern entscheidend ist am Ende, dass man die richtige Konsequenz zieht." Eine Steilvorlage für Lanz, der die fehlende Debattenkultur und Selbstkritik in der politischen Mitte ansprach. "Was heißt das denn, wenn wir ein Parteiensystem haben, in dem die, die tatsächlich das Sagen haben, nicht mehr in der Lage sind, vernünftige Selbstkritik zu üben?", fragte der ZDF-Moderator.

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Ralf Stegner antwortete: "Ich sage meine Meinung (...) immer und denke nicht darüber nach, ob mir das jetzt nützt oder schadet!" Lanz konterte unbeeindruckt: "Sind Sie Minister?" Als Stegner kleinlaut antwortete, dass er "mal Minister" war, fragte Lanz: "Was ist der Grund, dass man Ihnen, wenn es um die wichtigen Posten geht, dann in der SP systematisch aus dem Weg geht? Könnte das damit zu tun haben, dass Sie ein Freund der offenen Aussprache sind?" Der SPD-Politiker gab daraufhin zu: "Karrierefördernd ist es nicht, seine Meinung zu sagen." Eine Aussage, die Lanz schockierte: "Das ist doch schlimm!" Stegner nickte: "Das finde ich jedenfalls nicht gut." Er ergänzte in Bezug auf den Zustand seiner Partei: "Wir haben durchaus Mangel an Profil. (...) Wir müssen als Volkspartei in verschiedene Milieus hineinwirken. Wir brauchen unterschiedliche Typen."

Der Erkenntnisgewinn

Bei "Markus Lanz" wurde deutlich, dass mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine noch lange keine Lösung in Sicht ist. Ralf Stegner plädierte dennoch immer wieder dafür, auch mit Menschen das Gespräch zu suchen, mit denen man nicht einer Meinung sei, "auch um mitzukriegen, was da passiert. (...) Wenn man nicht mehr miteinander redet, wird es jedenfalls nicht besser". Der ZDF-Moderator reagierte zwiegespalten und stellte am Ende der Sendung klar, dass viele "natürlich das Unbehagen angesichts einer solchen Waffenkonzentration in der Mitte Europas" teilen. Dennoch gebe es "möglicherweise nicht so wirklich Alternativen dazu".  © 1&1 Mail & Media/teleschau

Teaserbild: © ZDF / Markus Hertrich