Der wichtige Kachowka-Staudamm im Süden der Ukraine ist eingebrochen, das angrenzende Wasserkraftwerk zerstört. Kiew und Moskau machen sich gegenseitig dafür verantwortlich. Der Region drohen schwere Überschwemmungen. Wie schlimm ist die Lage?

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Nach einer schweren Explosion an einem wichtigen Staudamm im Süden der Ukraine ist das angrenzende Wasserkraftwerk nach Angaben beider Kriegsparteien zerstört. Der Staudamm Nowa Kachowka im russisch besetzten Teil des Landes nahe der Front wurde schwer beschädigt.

Verortung des Kachowka-Staudamms © dpa-infografik GmbH

Der ukrainische Betreiber der Anlage sprach von kompletter Zerstörung. Der von Russland eingesetzte Bürgermeister Wladimir Leontjew sagte am Dienstag im russischen Staatsfernsehen, es sei "offensichtlich", dass das Kraftwerk nicht mehr repariert werden könne. "Die Stadt ist überflutet", sagte er zudem über Nowa Kachowka. Russland führt seit mehr als 15 Monaten einen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Auch Olaf Scholz (SPD) hat sich mittlerweile zu Wort gemeldet: Der Bundeskanzler sieht in der teilweisen Zerstörung des Staudamms eine "neue Dimension" des Ukraine-Kriegs. Die Beschädigung des Damms sei etwas, "das zu der Art und Weise passt, wie Putin diesen Krieg führt", sagte Scholz am Dienstag beim "Europaforum" des WDR in Berlin. Es sei eine Entwicklung, "die wir mit Sorgfalt und mit Sorge betrachten".

Etwa 16.000 Menschen in der "kritischen Zone"

Befürchtet wird nun, dass der Bruch des Staudamms in der umkämpften Region Cherson zu massiven Überschwemmungen führt. Nach Angaben der örtlichen Behörden sind etwa 16.000 Menschen in der "kritischen Zone" zuhause. Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal sprach von einer Überschwemmungsgefahr für bis zu 80 Ortschaften.

Kachowka
Dieses Satellitenfoto vom 6. Juni 2023 zeigt den beschädigten Kachowka-Staudamm. © Reuters/Maxar Technologies

Die Zerstörung werde zu einer Umweltkatastrophe führen. Der Militärgouverneur des Gebiets, Olexander Prokudin, warnte, binnen fünf Stunden könne der Wasserstand eine kritische Höhe erreichen.

Vermutet wird, dass der Damm gesprengt wurde. Kiew und Moskau machten sich gegenseitig dafür verantwortlich. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von "Terror" und berief den nationalen Sicherheitsrat ein. Das ukrainische Militär begann auf der in Flussrichtung rechten Seite des Dnipro - wo auch die von den Ukrainern befreite Gebietshauptstadt Cherson liegt - mit Evakuierungen.

Die russischen Besatzer hingegen machten ukrainischen Beschuss für die Schäden verantwortlich. Spekuliert wurde auch, dass der Damm aufgrund schlechter Wartung gebrochen sein könnte. Die Angaben beider Seiten konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden.

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Wasserversorgung der Krim könnte zum Problem werden

Bürgermeister Leontjew räumte ein, dass es auch zu Problemen bei der Wasserversorgung auf der bereits 2014 von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim kommen könnte, die südlich von Cherson liegt. Diese wird mit Wasser aus dem Kachowka-Stausee beliefert. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte, Ziel sei es, die Krim von der Wasserversorgung abzuschneiden.

In ukrainischen Medien und in sozialen Netzwerken wurden Videos geteilt, die dem Anschein nach bereits gestiegene Wasserstände um die Stadt Cherson zeigten. Auf Aufnahmen ist auch zu sehen, wie offenbar große Wassermengen aus der Mauer des Staudamms strömen. Die Echtheit der Videos konnte zunächst nicht unabhängig überprüft werden.

Russland hatte das Nachbarland Ukraine vor mehr als 15 Monaten überfallen und im Zuge seines Angriffskriegs auch das Gebiet Cherson besetzt. Im vergangenen Herbst gelang der ukrainischen Armee dann die Befreiung eines Teils der Region - auch der gleichnamigen Gebietshauptstadt. Städte südlich des Dnipro blieben allerdings unter russischer Kontrolle, darunter auch die Staudamm-Stadt Nowa Kachowka.

Immer wieder hatten die Ukrainer vor einem möglichen Sabotageakt der Russen in Nowa Kachowka gewarnt. Für besondere Beunruhigung sorgte, als die Besatzer im November die Evakuierung der Stadt ankündigten. (dpa/afp/fte)

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Teaserbild: © Reuters/Maxar Technologies