- Wird Bundeskanzler Olaf Scholz nun doch zustimmen, Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern?
- Von allen Seiten wird Druck auf Scholz ausgeübt. Er erklärte sich nun dazu bereit – allerdings unter Bedingungen.
- Nicht nur aus der Ukraine kommt Kritik an der Zögerlichkeit.
Nach monatelangen Diskussionen rückt die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine näher. Kanzler Olaf Scholz (SPD) ist nach übereinstimmenden Medienberichten nun dazu bereit – aber nur unter Bedingungen. Laut "Süddeutscher Zeitung" und "Bild"-Zeitung stellte
Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, nannte die Abgabe von Leopard-Panzern an Kiew überfällig und eine "moralische Verpflichtung". Doch die Bevölkerung hierzulande bewertet diesen Plan nach einer Umfrage im Auftrag der dpa weiter überwiegend skeptisch. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur sprechen sich 43 Prozent der Befragten dagegen und nur 39 Prozent dafür aus. 16 Prozent machen keine Angaben.
Scholz' Bedingungen für Kampfpanzer-Lieferung: USA wohl nicht dazu bereit

Die "Bild"-Zeitung meldete unter Berufung auf Regierungskreise, Scholz wolle sowohl deutsche Leopard-Lieferungen zulassen als auch Nato-Partnern dies erlauben – wenn denn auch die USA ihre Abrams-Panzer zur Verfügung stellten. Demzufolge geht es dem Kanzler darum, dass Europa und die USA Kampfpanzer nur gemeinsam an Kiew geben, damit der russische Präsident Wladimir Putin die Nato nicht spalten könne. Das Kanzleramt wollte sich am Abend zu den Berichten nicht äußern.
Die USA bereiten nach Berichten neue umfangreiche Waffenlieferungen an die Ukraine vor. Das Nachrichtenportal "Politico" berichtete am Mittwoch unter Berufung auf informierte Kreise, dass die USA unter anderem die Lieferung von Radschützenpanzern des Typs Stryker erwägen.
Es werde jedoch derzeit nicht erwartet, dass die USA die Lieferung eigener Abrams-Kampfpanzer genehmigen, hieß es in dem Bericht. Grund sei die aufwendige Instandhaltung und Ausbildung an dem Kampfpanzer. Von offizieller Stelle gab es hierfür zunächst keine Bestätigung.
Kampfpanzer-Lieferung an Ukraine: Gespräche mit USA in Berlin
Am Mittwochabend traf US-Verteidigungsminister Lloyd Austin in Berlin ein, um über die weitere Unterstützung für die Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland zu sprechen. An diesem Donnerstagvormittag traf er den neuen Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), der am Morgen im Bundestag vereidigt wurde. Beide sagten der von Russland angegriffenen Ukraine weitere Unterstützung zu. Pistorius kündigte eine enge Abstimmung mit den USA in der Frage weiterer Waffenlieferungen an die Ukraine an. Beide Minister äußerten sich allerdings nicht zu einer möglichen Kampfpanzer-Lieferung.
Die US-Regierung ist laut einem CNN-Bericht optimistisch, dass Deutschland der Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine zustimmen wird. "Wir sind sehr optimistisch, dass wir in dieser Frage bis Ende der Woche Fortschritte machen werden", zitierte der US-Sender am Mittwoch (Ortszeit) einen hochrangigen Beamten des Pentagon. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin werde die deutsche Seite drängen, die Lieferung zu erlauben, um die Ukraine zu befähigen, eine potenzielle Frühjahrsoffensive Russlands zu kontern. "Wir öffnen wirklich die Tür, um diese Fähigkeit in einem entscheidenden Moment zu schaffen", hieß es weiter.
Deshalb sei es ihm "besonders wichtig, möglichst schnell mit meinem französischen Kollegen Lecornu ins Gespräch zu kommen", erklärte Pistorius. Beide Minister werden sich am Sonntag beim deutsch-französischen Ministerrat in Paris persönlich treffen. Pistorius wird dann im französischen Verteidigungsministerium mit militärischen Ehren empfangen.
Treffen in Ramstein: Beratung über weitere militärische Unterstützung der Ukraine
An diesem Freitag kommen auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz zudem die Verteidigungsminister mehrerer Dutzend Staaten zusammen, um über die weitere militärische Unterstützung der Ukraine zu beraten. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erwartet von dem Treffen ein Signal, dass es "mehr schwerere Waffen und mehr moderne Waffen" für die Ukraine gibt.
Die Lieferung von Kampfpanzern westlicher Bauart wird dabei eine zentrale Rolle spielen. Großbritannien hat sie bereits angekündigt, Polen und Finnland sind im europäischen Verbund dazu bereit. Deutschland nimmt eine Schlüsselrolle ein, weil die Leopard-2-Panzer hier produziert werden. Die Bundesregierung muss jede Weitergabe dieser Panzer, über die 20 Länder verfügen, genehmigen.
Der Leopard 2 gilt als einer der besten Kampfpanzer weltweit. Die Ukrainer wollen mit ihm gegnerische Linien in dem zuletzt eher statischen Stellungskrieg durchbrechen.
Polen drängt: Auch ohne deutsche Genehmigung bereit für Leopard-Lieferung
Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat nun sogar angedeutet, dass Polen Leopard-Panzer an die Ukraine liefern könnte, ohne auf eine deutsche Genehmigung zu warten. Das sagte er in einem TV-Interview mit dem Sender Polsat News am Mittwochabend nach Angaben der Nachrichtenagentur PAP.
"Die Zustimmung ist hier zweitrangig. Wir werden entweder schnell eine Einigung erzielen, oder wir werden selbst das Richtige tun." Man werde Deutschland daher weiterhin zu einer schnellen Zustimmung drängen. Für langes Warten sei keine Zeit, weil Russland offensichtlich für Februar eine neue Offensive vorbereite.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte dem Westen zuletzt mehrfach Zögerlichkeit beim Thema Waffenlieferungen bescheinigt. Aktuell gehe es insbesondere darum, Russland bei dessen militärischer Mobilmachung zuvorzukommen, sagte er am Mittwoch. "Die Belieferung mit westlichen Kampfpanzern muss einer nächsten Invasion mit russischen Kampfpanzern zuvorkommen."
Selenskyj hat Bundeskanzler Olaf Scholz zudem indirekt für seine Linie bei der Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine kritisiert. Manchmal dürfe man nicht abwägen und sich nicht vergleichen. "Wenn du beispielsweise sagst: Ich gebe Panzer, wenn jemand anderes ebenso Panzer gibt. Ich bin mächtig in Europa, ich helfe, wenn jemand außerhalb von Europa auch hilft", sagte Selenskyj am Donnerstag am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos, wo er zu einer Debatte zugeschaltet war. "Mir scheint, dass dies keine sehr richtige Strategie ist." Den Namen des deutschen Kanzlers nannte der Ukrainer dabei nicht.
Kritik an Zögerlichkeit nicht nur aus der Ukraine
Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, kritisierte, dass die Kampfpanzer-Lieferung verschleppt worden sei. "Wenn wir sehen, welches schreckliche Leid die Russen anrichten in den besetzten Gebieten, dann besteht beim Thema Kampfpanzer auch eine moralische Verpflichtung", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Nach Einschätzung des früheren Leiters der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, erwartet die ganze Welt von Deutschland die Lieferung von Leopard-Panzern an die Ukraine. Er habe festgestellt, dass auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos "alle Welt darauf wartet, dass Deutschland – mit oder ohne USA – nun tatsächlich das grüne Licht gibt", sagte Ischinger am Donnerstag im Deutschlandfunk.
Lesen Sie auch: Alle aktuellen Informationen zum Krieg in der Ukraine im Live-Ticker
Dabei gehe es laut Ischinger sowohl um die Bereitstellung von Leopard-Panzern von Partnerländern, als auch um die Lieferung von Panzern aus deutschen Beständen an die Ukraine. Die Entscheidung sei überfällig, sagte Ischinger. Durch die britischen und polnischen Ankündigungen, Panzer zu liefern, müsse Scholz "keinen Alleingang" befürchten – unabhängig davon, wie sich die USA in dieser Frage entscheiden sollten.
Auch Estlands Verteidigungsminister Hanno Pevkur hat Deutschland und andere Bündnispartner zur Lieferung von modernen Waffensystemen an die Ukraine aufgerufen. "Estland unterstützt nachdrücklich, der Ukraine alle notwendige militärische Ausrüstung bereitzustellen, um diesen Krieg zu gewinnen, einschließlich schwerer Ausrüstung wie Leopard-Panzer", sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Tallinn vor einem Treffen von mehreren europäischen Verteidigungsministern am Donnerstag in Estland. Dies müsse "zeitnah" erfolgen. "Der Ausgang dieses Krieges wird die Zukunft unserer gemeinsamen Sicherheit bestimmen", betonte Pevkur.
Forderungen auch von der Union, der FDP und den Grünen
Von der oppositionellen Union, aber auch von den Koalitionspartnern FDP und Grünen kamen erneut Forderungen, der Ukraine zügig auch Leopard-Kampfpanzer zu liefern. Pistorius müsse sich dafür einsetzen, "dass wir der Ukraine endlich Leopard 2 zur Verfügung stellen", sagte der Grünen-Politiker Anton Hofreiter dem Portal t-online. Der FDP-Verteidigungsexperte Alexander Müller sagte dem "Handelsblatt", die deutsche Industrie müsse jetzt schnell den Auftrag bekommen, bei ihr auf Halde stehende ältere Leopard-1-Kampfpanzer instand zu setzen.
Der Vizechef des Verteidigungsausschusses, Henning Otte (CDU), sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Die dringendste Frage lautet jetzt: Liefert Deutschland Kampfpanzer? Ich hoffe, Pistorius kann sich dabei gegen Scholz durchsetzen und bleibt nicht wie Frau Lambrecht Erfüllungsgehilfe des Kanzlers." Die bisherige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) war diese Woche zurückgetreten. (dpa/tas)

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.