• Im Januar wurde im Zuge der Ermittlungen zu den Pipeline-Explosionen ein verdächtiges Schiff durchsucht. Das teilt die Bundesanwaltschaft mit.
  • Das Schiff könnte zum Transport von Sprengsätzen benutzt worden sein.
  • Derweil warnt Verteidigungsminister Pistorius vor voreiligen Schlüssen.

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Bei ihren Ermittlungen zu den mysteriösen Explosionen an den Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 sind deutsche Ermittler einen wichtigen Schritt vorangekommen: Möglicherweise haben sie das Schiff aufgespürt, mit dem die Täter den Sprengstoff transportierten. Die Bundesanwaltschaft teilte am Mittwoch mit, dass das verdächtige Schiff bereits im Januar durchsucht worden sei.

Die Auswertung der sichergestellten Spuren und Gegenstände dauere an. "Die Identität der Täter und deren Tatmotive sind Gegenstand der laufenden Ermittlungen", hieß es weiter. "Belastbare Aussagen hierzu, insbesondere zur Frage einer staatlichen Steuerung, können derzeit nicht getroffen werden." Was genau gefunden wurde, teilte sie nicht mit.

Laut Bundesanwaltschaft fand die Durchsuchung vom 18. bis 20. Januar "im Zusammenhang mit einer verdächtigen Schiffsanmietung" statt. Im Rahmen der weiteren Ermittlungen werde sämtlichen Hinweisen zur Aufklärung des Sachverhalts nachgegangen. Ein Tatverdacht gegen Mitarbeiter des deutschen Unternehmens, welches das Schiff vermietet habe, bestehe nicht. Weitere Auskünfte könnten derzeit nicht erteilt werden.

Überblick über Pipeline-Verläufe und Verortung der Lecks © dpa-infografik GmbH

Berichte: Pro-ukrainische Gruppe könnte hinter Anschlägen stecken

Zuvor waren neue Vorwürfe im Zusammenhang mit den Explosionen aufgetaucht. ARD, SWR und "Zeit" hatten berichtet, dass Spuren bei den Ermittlungen zu der Sabotage in Richtung Ukraine führen. So sollen Ermittler auf dem Tisch in der Kabine des Schiffes Sprengstoff-Spuren entdeckt haben. Unter Berufung auf geheimdienstliche Hinweise hieß es, eine pro-ukrainische Gruppe könnte verantwortlich sein. Beweise dafür, wer diese in Auftrag gegeben habe, seien bislang aber nicht gefunden worden.

Nach diesen Berichten wurde die fragliche Jacht von einer Firma mit Sitz in Polen angemietet, welche "offenbar zwei Ukrainern gehört". Ein sechsköpfiges Team, bestehend aus einem Kapitän, zwei Tauchern, zwei Tauchassistenten und einer Ärztin, habe den Sprengstoff damit zu den Tatorten gebracht. Welche Nationalitäten diese Leute hätten, sei unklar. Sie hätten offenbar gefälschte Pässe verwendet.

Ende September waren nach Explosionen nahe der dänischen Ostsee-Insel Bornholm insgesamt vier Lecks an den beiden Pipelines von Russland nach Deutschland entdeckt worden. Die schwedischen Sicherheitsbehörden hatten im November festgestellt, dass es sich um schwere Sabotage gehandelt habe - ohne jedoch einen Schuldigen zu benennen.

Der deutsche Generalbundesanwalt hatte am 10. Oktober ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eingeleitet - wegen des Verdachts des vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion sowie der verfassungsfeindlichen Sabotage. Damit beauftragt sind das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei.

In der Nähe dieser Stelle von Nord Stream soll die Explosion stattgefunden haben. (Aufnahmedatum: 17. Oktober) © IMAGO/TT/Trond Larsen/Expressen

Pistorius warnt vor voreiligen Schlüssen - Kiew bestreitet Beteiligung

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) warnten nach Veröffentlichung der Berichte vor voreiligen Schlüssen. Nach Meinung von Experten könnte es sich bei der Sabotage auch um eine sogenannte False-Flag-Operation gehandelt haben, sagte Pistorius am Mittwoch am Rande eines EU-Verteidigungsministertreffens in Schweden.

Boris Pistorius
Boris Pistorius, hier bei einem Besuch bei der Deutschen Marine, gibt zu bedenken, nicht voreilige Schlüsse zu ziehen. © IMAGO/penofoto/IMAGO/P.Nowack

Gemeint ist damit die Möglichkeit, dass die Täter absichtlich falsche Spuren gelegt haben könnten, die auf andere Urheber hindeuten. "Das wäre nicht das erste Mal in der Geschichte solcher Ereignisse. Von daher hüte ich mich davor, voreilige Schlüsse zu ziehen", sagte Pistorius.

Zudem forderte er dazu auf, dass auch bei den Hinweisen auf eine ukrainische Beteiligung zwischen unterschiedlichen Szenarien differenziert werden müsse. "Wir müssen deutlich unterscheiden, ob es eine ukrainische Gruppe war - also im ukrainischen Auftrag gewesen sein könnte - oder eine pro-ukrainische ohne Wissen der Regierung", sagte er. "Ich warne davor, voreilige Schlüsse zu ziehen."

Die Ukraine bestreitet derweil eine Verantwortung für den mutmaßlichen Sabotageakt. "Wir stehen nicht hinter dieser Tat", sagte Verteidigungsminister Oleksij Resnikow am Mittwoch. Es sei "eine Art Kompliment", dass ukrainischen Spezialkräften so ein Einsatz zugetraut werde. "Aber das ist nicht unser Tätigkeitsfeld."

Die Story sei schräg, weil sie nichts "mit uns" zu tun habe. Noch am Abend hatte der Berater im Präsidentenbüro, Mychajlo Podoljak, getwittert, Kiew habe "nichts mit dem Vorfall in der Ostsee zu tun" und "keine Informationen über 'pro-ukrainische Sabotagegruppen'".

Russland weist Berichte zu Nord-Stream-Pipelines als Ablenkungsmanöver zurück

Russland wies die Medienberichte zu den Explosionen an den Nord-Stream-Pipelines unterdessen als Ablenkungsmanöver zurück. "Es ist klar, dass die Leute, die den Angriff orchestriert haben, eine Ablenkung schaffen wollen", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti am Mittwoch.

Es handele sich "eindeutig" um "eine gut koordinierte Medienkampagne". "Diese ganze Geschichte ist nicht nur seltsam. Sie riecht nach einem ungeheuerlichen Verbrechen", fügte Peskow hinzu.

Peskow kritisierte am Mittwoch erneut, dass Russland weiterhin nicht an den Ermittlungen zu den Explosionen beteiligt werde. "Wir haben erst vor wenigen Tagen entsprechende Mitteilungen von den Dänen und Schweden erhalten", fügte der Sprecher von Präsident Wladimir Putin hinzu. (dpa/AFP/ank)

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