Das Morning Briefing von Gabor Steingart - kontrovers, kritisch und humorvoll. Wissen, über was politisch diskutiert wird. Heute: die erste Regierungserklärung von Olaf Scholz.
Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,
Die erste Regierungserklärung des neuen Kanzlers war als große Rede konzipiert und komponiert:
Zunächst war da der würdige Dank an die Vorgängerin, die jetzt als Dr. Angela Merkel angesprochen wird. Sie habe "der Bundesrepublik Deutschland 16 Jahre lang in eindrucksvoller Weise als Bundeskanzlerin gedient, jederzeit orientiert an der Sache und an den Tatsachen, stets völlig uneitel und ohne Allüren, immer mit Mut und mit Klugheit, mit Pragmatismus und mit Umsicht." Scholz überhöht sie, auch um sich zu erhöhen. Die Botschaft: Der Politiker Scholz hat sich in den Staatsmann gleichen Namens verwandelt.
Der Kanzler bemüht den historischen Superlativ als er die Dekarbonisierung bis 2045 ankündigt: "Damit liegt vor uns die größte Transformation unserer Industrie und Ökonomie seit mindestens hundert Jahren." Das ist nur dann richtig, wenn man die Transformation von der Agrar- zur Industriegesellschaft, den Wiederaufbau einer Trümmerlandschaft nach dem 2. Weltkrieg zur größten Volkswirtschaft Europas und die Integration der DDR-Planwirtschaft in die bundesdeutsche Marktwirtschaft als Fußnoten der Geschichte betrachtet. Wir sollten gnädig sein: Scholz ist Jurist, kein Historiker.
Und er gibt dem Steuerzahler zu verstehen, dass seine Mission nicht billig wird, auch wenn er die Worte Steuererhöhung, Kreditaufnahme und Schattenhaushalt vermeidet:
Fazit
Scholz hat eine solide Rede gehalten, kein Oratorium abgeliefert. Die Antrittsrede eines jeden neuen Regierungschefs ist der in Worte gefasste Wille. Sie beschreibt eine Ambition, noch nicht deren Erfüllung.
Ich wünsche Ihnen einen schwungvollen Start in diesen neuen Tag. Bleiben Sie mir gewogen.
Es grüßt Sie auch das Herzlichste
Ihr
Gabor Steingart