Noch immer unter dem Eindruck der schweren Unruhen des vergangenen Jahres bereitet sich Kasachstan in Zentralasien auf vorgezogene Parlamentswahlen an diesem Sonntag vor. In Almaty, der größten Metropole der ölreichen Ex-Sowjetrepublik, waren im Stadtzentrum wenige Tage vor der Abstimmung überall Wahlplakate aufgestellt.
Im Radio lief zudem Werbung für die Briefwahl. Begleitet werden die Wahlen zum Nationalparlament (Maschilis) sowie zu Regional- und Kommunalvertretungen (Maslichat) von einer Reihe an Reformen.
Erstmals werden die 98 Abgeordneten des Unterhauses alle direkt gewählt - zwei Drittel nach Parteilisten und ein Drittel per Direktmandat in einzelnen Wahlkreisen. Der Urnengang ist in dem Land mit seinen zwei Zeitzonen am Sonntag von 7.00 Uhr bis 20.00 Uhr Ortszeit (ab 2.00 Uhr beziehungsweise 3.00 Uhr MEZ) angesetzt. Neben der als Einheitspartei kritisierten Vereinigung "Amanat" von Präsident Kassym-Schomart Tokajew treten sechs weitere Parteien an.
Im Januar 2022 waren in Kasachstan Proteste gegen hohe Preise und soziale Ungerechtigkeit in beispiellose Unruhen umgeschlagen. Mehr als 200 Menschen starben. Rund zehn Monate später ließ sich der als autoritär geltende Staatschef Tokajew bei einer ebenfalls vorgezogenen Präsidentenwahl im Amt bestätigen - und setzte dann die Neuwahlen für die Parlamente an.
Experten sind der Ansicht, dass er so vor allem seine Macht festigen wolle, nachdem er die Proteste unter anderem mit russischer Hilfe niedergeschlagen hatte. Tokajew nutzte die Unruhen damals auch, um den bis dahin noch immer einflussreichen Machtapparat seines Vorgängers und einstigen politischen Ziehvaters Nursultan Nasarbajew zu zerschlagen.
Mit Blick auf die nun anstehenden Wahlen lobten internationale Beobachter zwar einen Teil der Reformen. So hob das Wahl- und Menschenrechts-Büro ODIHR der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa etwa positiv hervor, dass die Hürde für den Einzug ins Parlament für Parteien von sieben auf fünf Prozent gesenkt und auch zahlreiche parteilose Kandidaten zugelassen wurden. Zugleich aber attestieren die Beobachter dem Land weiter große Probleme bei der Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit.
Auch die kasachische Bürgerrechtlerin Ajna Schormanbajewa sieht weitreichende Verfehlungen in ihrer Heimat - insbesondere bei der mangelhaften Aufarbeitung der Unruhen. Noch immer betreue ihre Organisation viele Angehörige von Getöteten sowie Menschen, die von Gewalt und Folter durch Sicherheitskräfte berichteten, sagte die Juristin im Gespräch der Deutschen Presse-Agentur. "Wir fordern eine unabhängige internationale Aufklärung", fügte sie hinzu. © dpa