Während die Politik noch debattiert, stimmen die Über-60-Jährigen mit den Füßen ab: Eine Mehrheit beantragt vor der regulären Altersgrenze von derzeit gut 66 Jahren ihre Rente. Für viele lohnt sich das sogar finanziell.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Ulrike Sosalla dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Spätestens mit Ende 50, Anfang 60 fängt es an: das große Nachdenken über die Rente. Spanien oder Schrebergarten, Rentenstart mit 63 oder 66? Das sind die Fragen, die viele Menschen in den letzten paar Berufsjahren wälzen.

Die Antwort auf die Altersfrage ist kompliziert – so kompliziert wie das deutsche Rentenrecht. Aber es gibt ein paar Grundregeln und eine davon ist überraschend simpel.

Frührente ohne Abschläge lohnt sich fast immer

Die simple erste Regel lautet: Wenn Sie 45 Jahre lang Rentenbeiträge gezahlt haben – oder auf andere Weise Rentenzeiten gesammelt - und das gesetzliche Mindestalter erreicht haben (derzeit 64 Jahre und 6 Monate), lohnt sich die Frührente immer – und zwar unabhängig davon, ob Sie sich tatsächlich zur Ruhe setzen oder noch weiterarbeiten. Welche Zeiten bei den 45 Jahren mitzählen, listet die Stiftung Warentest hier auf.

Angenommen, Sie setzen sich zwei Jahre vor Erreichen der Regelaltersgrenze komplett zur Ruhe und haben 45 Versicherungsjahre beisammen. Dann fällt Ihre Rente zwar ein wenig niedriger aus als beim regulären Renteneintritt, aber dafür beziehen Sie sie auch zwei Jahre länger.

Die Stiftung Warentest hat das durchgerechnet: Unser Modellrentner hat immer durchschnittlich verdient, zuletzt rund 4.200 Euro brutto im Monat. Seine Nettorente beträgt, wenn er im November 2025 abschlagsfrei in Rente geht, netto 1.553 Euro pro Monat. Würde er noch zwei Jahre warten – bis zum regulären Renteneintritt mit 66,5 Jahren -, bekäme er eine etwas höhere Rente, weil er zwei Jahre länger Beiträge zahlt: 55 Euro mehr pro Monat wären drin. Alleine deswegen zwei Jahre länger zu arbeiten lohnt sich nicht, denn unser Modellrentner hat ja nun auch zwei Jahre früher schon Rente erhalten – insgesamt 37.000 Euro netto. Über die gesamte Laufzeit seiner Rente betrachtet, hat er keinen finanziellen Nachteil.

Noch vorteilhafter sieht die Sache aus, wenn unser Modellrentner seine Rente ohne Abschläge beantragt, gleichzeitig aber weiterarbeitet. Zwar zahlt er durch die Kombination und Rente etwas mehr Steuern als vorher, aber der Nettovorteil ist trotzdem hoch: Bei der Kombination aus Rente und Weiterarbeit bekommt unser Modellrentner 1.160 Euro mehr pro Monat, als wenn er keine Frührente beantragt hätte.

Damit nicht genug: Arbeitet unser Modellrentner die vollen zwei Jahre bis zur regulären Altersgrenze weiter, hat er am Ende sogar eine etwas höhere Monatsrente als bei einem regulären Rentenbeginn. Zwar sind es nur fünf Euro mehr – und das trotz Frührente. Möglich wird das, weil er über seinen Job weiterhin Rentenbeiträge gezahlt hat.

Daher: Wer 45 Versicherungsjahre zusammen hat, sollte auf jeden Fall über einen früheren Renteneintritt nachdenken.

Frührente mit Abschlägen gut durchrechnen (lassen)

Die zweite Regel: Wer "nur" auf 35 Versicherungsjahre kommt, sollte genau rechnen – oder noch besser bei der Rentenberatung rechnen lassen. Der Grund: Nach 35 Versicherungsjahren kann man ab dem 63. Geburtstag Frührente beantragen, allerdings mit Abschlägen. Für jeden Monat, den jemand vor der regulären Altersgrenze in Rente geht, sinkt die Rente um 0,3 Prozent.

Für eine Frührentnerin Jahrgang 1962, die genau mit 63 in Rente geht, bedeutet das insgesamt einen Abzug von saftigen 13,2 Prozent. Unsere Modellrentnerin hat immer überdurchschnittlich verdient. Zuletzt standen 3.800 Euro netto auf ihrem Gehaltszettel. Geht sie regulär mit 66,5 Jahren in Rente, bekommt sie eine Nettorente von 2.127 Euro. Als Frührentnerin mit 63 sind es nur 1.916 Euro pro Monat – und zwar lebenslang, denn die Abschläge bleiben.

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Auch hier gibt es die Möglichkeit, neben der Frührente weiterzuarbeiten. Bleibt die Modellrentnerin in ihrem Job, erreicht sie ein Nettoeinkommen aus Gehalt und Rente zusammen von 5.039 Euro. Da sie weiterhin in die Rentenversicherung einzahlt, steigt auch in diesem Fall ihre Rente leicht an – allerdings nicht stark genug, um die Abschläge auszugleichen.

Das zeigt: Wer über 63 hinaus arbeiten will, für den ist die gleichzeitige Frührente nicht unbedingt die beste Lösung.

Frührente mit Abschlägen ausgleichen

Die dritte Regel lautet: Selbst wenn Sie mit 63 oder 64 Jahren mit Abschlägen in Rente gehen, ist das noch nicht das letzte Wort, was die Rentenhöhe angeht.

Frührentner können die Abschläge durch Einmalzahlungen an die Rentenkasse ausgleichen. Zugegeben, das kostet einen fünfstelligen Betrag. Unsere Modellrentnerin etwa müsste nach Steuern rund 31.000 Euro aufbringen, um die Abschläge voll auszugleichen – Geld, das nicht jede und jeder mal eben so aufbringen kann.

Aber falls diese Möglichkeit für Sie infrage kommt, sollten Sie sie kennen und bei der Rentenberatung durchrechnen lassen. Der Vorteil liegt auf der Hand: Sie hören mit 63 auf zu arbeiten, haben aber dauerhaft – wenn Sie lang leben, fließt die Rente 30 Jahre lang oder mehr – keinen allzu großen finanziellen Nachteil, den Sie jeden Monat schmerzhaft im Geldbeutel spüren.

Empfehlungen der Redaktion

Kein Wunder also, dass es in meinem Bekanntenkreis inzwischen hitzige Debatten um den besten Weg in den Ruhestand gibt – wobei die Frage, ob Spanien oder Schrebergarten nur ein Teil der Rechnung ist. Für das Finanzielle gilt: Überlegen Sie gut und machen Sie eine Rentenberatung, am besten schon ein paar Jahre vor dem angepeilten Start in den Ruhestand. Dann können Sie in Ruhe überlegen – und sich schon mal vorfreuen.

Über die Autorin

  • Ulrike Sosalla ist stellvertretende Chefredakteurin von Stiftung Warentest Finanzen und ausgewiesene Fachfrau für Finanzfragen. Die Stiftung Warentest testet seit 60 Jahren Finanzdienstleistungen und veröffentlicht die Ergebnisse auf test.de und in ihren Magazinen. Alle Publikationen sind komplett anzeigenfrei und gewährleisten damit absolute Unabhängigkeit gegenüber Banken, Versicherungen und der Industrie. Die Newsletter der Stiftung Warentest können Sie hier abonnieren.

Verwendete Quellen