Was tun, wenn Pflegende nicht mehr können? Bei Krankheit oder um Urlaub zu ermöglichen, gibt es staatliche Hilfe. Doch die Finanzierung ist bisher kompliziert und häufig zu starr. Das soll sich ab Juli ändern.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Ulrike Sosalla dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Jemanden zu Hause zu pflegen, gleicht oft einem Marathon ohne Ziellinie. Alle, die diesen Weg schon einmal gegangen sind oder noch gehen, können ein Lied davon singen – und ihr Umfeld auch.

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Ich hatte selten so viele schlaflose Nächte wie in dem Jahr, als mein über 80-jähriger Vater die Pflege meiner Mutter nach ihrem Schlaganfall übernahm. Die ständige Alarmbereitschaft, jederzeit könnte ein neuer Notfall eintreten, hält eine ganze Familie in Dauerspannung.

Ob nach einem Schlaganfall, wegen fortschreitender Demenz oder aus einem anderen Grund: Pflege ist körperlich und psychisch belastend – denn fast immer ist es eine geliebte Person, um die sich Angehörige kümmern. Dazu kommt: Es ist eine Aufgabe ohne Pausen und ohne Urlaub, etwas, was in bezahlten Jobs aus guten Gründen nicht erlaubt wäre.

Zwar gibt es Hilfen, um Pflegende zu unterstützen und um Urlaub oder Krankheitsphasen zu überbrücken. Doch bisher verteilte sich deren Finanzierung auf verschiedene, voneinander getrennte Töpfe. Dadurch wird das System unübersichtlich und passt häufig nicht zu den Bedürfnissen der pflegenden Familien.

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Ab Juli soll sich dies nun verbessern, denn dann tritt das neue Entlastungsbudget in Kraft, das die beiden wichtigsten Finanzierungsquellen für Auszeiten in einem System zusammenführt. Doch der Reihe nach.

Welche Arten von Entlastung gibt es überhaupt für Pflegende?

In der gesetzlichen Pflegeversicherung sind zwei Möglich­keiten vorgesehen, Ersatz zu organisieren, wenn die pflegende Person krank ist, eine Auszeit braucht oder anderweitig nicht verfügbar ist.

  • Verhinderungs­pflege: Eine Ersatz­pfle­gekraft aus dem privaten Umfeld oder von einem Pflege­dienst kommt nach Hause.
  • Kurz­zeit­pflege: Die pflegebedürftige Person lebt für einige Wochen in einem Pflegeheim.

Bisher gab es für beide Optionen getrennte Budgets. Wer nur eins von beiden nutzen wollte oder konnte – etwa, weil ein vorübergehender Aufenthalt im Pflegeheim nicht infrage kam -, musste komplizierte Umwidmungs­anträge stellen und konnte oft nur einen Teil der jeweils anderen Leistung erhalten.

Was bringt das neue Entlastungsbudget?

Aus dem neuen gemein­samen Entlastungs­budget können Pflegebedürftige mit mindestens Pfle­gegrad 2 künftig pro Jahr bis zu 3.539 Euro an Kurz­zeit- und Verhinderungs­pflege finanzieren. Sie können den Betrag nach ihren Bedürfnissen auf beide Bereiche aufteilen – oder ihn vollständig für nur einen Bereich nutzen.

Maximal finanziert die Pflege­versicherung pro Jahr bis zu 56 Tage Ersatz­pflege zu Hause oder im Pfle­geheim. Bisher gab es den Zuschuss zur Verhinderungspflege (Ersatzpflege zu Hause) nur für maximal 42 Tage pro Jahr. Neu ist auch, dass keine Wartezeit von sechs Monaten mehr notwendig ist, um das Budget nutzen zu können. Das heißt, die Hilfe kann auch beantragt werden, wenn die Pflege vor weniger als sechs Monaten begonnen hat.

Wie funktioniert der Antrag?

Pflegebedürftige beantragen eine der beiden Formen von Ersatzpflege: Kurz­zeit­pflege zur vorüber­gehenden Versorgung im Pfle­geheim oder Verhinderungs­pflege, wenn eine Ersatz­pfle­gekraft nach Hause kommen soll.

Die Pflege­versicherung finanziert beides ab 1. Juli 2025 mit dem Entlastungs­budget – auch rück­wirkend. Das Formular finden Sie auf der Webseite Ihrer Pflegekasse. Mit einer Vorsorgevollmacht dürfen auch Angehörige den Antrag stellen.

Da eine Verhinderung nicht immer plan­bar ist, kann man den Zuschuss aus dem Entlastungs­budget auch im Nach­hinein beantragen. Man bezahlt zunächst selbst die Rechnung und reicht sie dann bei der Pflegekasse ein. Für Privatversicherte ist das sowieso das übliche Vorgehen.

Was sind die Nachteile beim Entlastungsbudget?

Einige Lebenssituationen sind mit dem Entlastungsbudget immer noch nicht abgedeckt – etwa der Fall, dass eine pflegende Angehörige einmal pro Woche beruflich ins Büro muss. Solche regelmäßigen beruflichen Termine sind, anders als einmalige Abwesenheiten etwa wegen einer Fortbildung, kein Fall fürs Entlastungsbudget.

Sie sollen stattdessen über eine Tagespflege gelöst werden, die der Pflegebedürftige an einem Wochentag besucht. Der Haken: Längst nicht überall sind überhaupt Plätze in einer Tagespflege verfügbar, und selbst wenn, ist es etwa für demente Menschen schwierig, aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen zu werden.

Wer kann mir helfen?

Wenn Sie sich unsicher sind, welche Hilfe für Sie infrage kommt und wie Sie sie beantragen, wenden Sie sich an Ihre Pflegekasse oder einen örtlichen Pflegestützpunkt. Dort bekommen sie individuelle Beratung und häufig auch Hilfe beim Ausfüllen der Anträge. Pflegeberater und -beraterinnen können helfen, das Optimale aus dem Entlastungsbudget herauszuholen.

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Über die Autorin

  • Ulrike Sosalla ist stellvertretende Chefredakteurin von Stiftung Warentest Finanzen und ausgewiesene Fachfrau für Finanzfragen. Die Stiftung Warentest testet seit 60 Jahren Finanzdienstleistungen und veröffentlicht die Ergebnisse auf test.de und in ihren Magazinen. Alle Publikationen sind komplett anzeigenfrei und gewährleisten damit absolute Unabhängigkeit gegenüber Banken, Versicherungen und der Industrie. Die Newsletter der Stiftung Warentest können Sie hier abonnieren.