Bibi und Tina oder Benjamin Blümchen: Kennt doch jedes Kind, diese Bücher? Das stimmt aber nur fast. Denn blinde Kinder konnten sie bisher nicht selbst lesen. Es fehlten Ausgaben in spezieller Schrift. Iris Waßong hat das geändert.

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Iris Waßong arbeitete in einem Wohnheim für blinde Menschen und half Kindern etwa beim Lernen von Mathematik. Eines Tages fragte sie die Kinder: "Kennt ihr eigentlich Pettersson und Findus?" Manche Kinder nickten, manche schüttelten aber den Kopf. Sie war verblüfft: "Und Janosch?" Wieder schüttelten die Kinder den Kopf. Iris Waßong fragte sich, wie das sein konnte.

Sie begann nachzuforschen und fand heraus: Die meisten Kinderbücher gab es nicht in der Brailleschrift. So heißt die spezielle Schrift, mit der Menschen lesen können, die nichts oder nur wenig sehen.

Kindergrafik: Mit den Fingerspitzen lesen (13.04.2023)
Spielegrafik: Rätsel mit Braille-Schrift; Grafik: F. Bökelmann © dpa

Deshalb wussten die blinden Kinder nicht viel von Pettersson, Findus und etwa Janoschs Tigerente. Iris Waßong hatte eine Idee: Sie begann, die Blindenschrift zu lernen. Dann übertrug sie verschiedene Kinderbücher in diese Schrift. Denn sie findet es wichtig, dass alle Menschen diese Bücher entdecken können.

"Das ist jetzt schon ein bisschen her", erzählt Iris Waßong. Inzwischen hat sie viele Bücher in die Blindenschrift übertragen. Sehgeschädigte Kinder können jetzt also auch mit Bibi und Tina über die Wiese reiten, mit Benjamin Blümchen Abenteuer erleben und kichern, wenn sie Gregs Tagebuch lesen.

"Wenn man etwas liest, kann man mit der eigenen Fantasie spielen"

"Als Hörbücher gab es diese Geschichten schon länger", erzählt Iris Waßong. Lesen sei aber noch mal etwas ganz anderes. "Wenn man etwas hört, dann läuft der Ton einfach nur ab. Wenn man aber etwas liest, dann kann man mit der eigenen Fantasie spielen."

Das erste Buch tippte sie mit einer Braille-Schreibmaschine ab. Jetzt stellt sie die Bücher am Computer her. Dafür hat sie extra Programme installiert. Diese können die Bücher einlesen. Sie wandeln dann die Schwarzschrift in die Blindenschrift um. Schwarzschrift wird die sichtbare Schrift genannt. "Die Programme bauen aber auch Fehler ein", erklärt Iris Waßong. So sei manchmal schon statt einem L ein I abgedruckt worden. Deswegen kontrolliert sie alles.

Als Letztes verändert Iris Waßong die Seitenzahlen. Denn eine Seite in Schwarzschrift ergibt zwei Seiten in Blindenschrift. Die ursprünglichen Seitenzahlen stimmen also nicht mehr überein.

Früher brauchte Iris Waßong für ein Buch sechs Wochen. "Mittlerweile sind es zwei Wochen", sagt sie. Der Aufwand mache ihr aber nichts aus. "Ich habe sehr viele positive Rückmeldungen bekommen", erzählt sie. Das sei das Wichtigste für sie. (dpa/tar)  © dpa

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