Berlin - Unter dem Eindruck der quälenden Debatten um die K-Frage und schlechter Umfragewerte ist die Berliner SPD mit eher gedämpfter Stimmung in den Wahlkampf für die Bundestagswahl am 23. Februar gestartet.
Auf einem Parteitag mussten die Landesvorsitzenden Nicola Böcker-Giannini und Martin Hikel einen Dämpfer hinnehmen, weil ein Leitantrag des geschäftsführenden Landesvorstands zur Bundestagswahl überraschend nicht wie geplant beschlossen wurde.
Etliche Delegierte hatten kritische Anmerkungen und Ergänzungswünsche zu dem Papier mit einer Vielzahl von SPD-Forderungen wie gerechte Löhne, starker Sozialstaat oder bezahlbare Wohnungen. Der Antrag wurde daraufhin als "Resolution" an den SPD-Landesvorstand überwiesen mit der Forderung, daraus eine Kampagne für den Wahlkampf zu entwickeln.
Keine Entscheidung über Frauen auf Landesliste
Eine Entscheidung über einen Antrag, auf Platz eins der SPD-Landesliste für die Bundestagswahl eine Frau zu wählen, wurde vertagt. Darüber soll nun auf einer Delegiertenversammlung am 18. Dezember entschieden werden, bei der die SPD ihre Landesliste bestimmt.
Als mögliche Spitzenkandidatin ist die Bundestagsabgeordnete und frühere Juso-Landesvorsitzende Annika Klose im Gespräch. Auf Platz 2 der Liste könnte dann womöglich
Parteichefs sehen "Richtungsentscheidung"
In ihrer gemeinsamen Parteitagsrede versuchten Böcker-Giannini und Hikel, gute Stimmung zu erzeugen und die Mitglieder auf einen harten und intensiven Winterwahlkampf einzuschwören. Deutschland stehe vor einer Richtungsentscheidung, sagte Hikel. "Es ist unsere Aufgabe, Antworten zu finden auf die Probleme und die drängenden Fragen in unserer Stadt und in unserem Land."
Die SPD müsse den Menschen Orientierung geben, sagte Böcker-Giannini. Sie müsse dabei eigene Konzepte in den Vordergrund stellen: "Starke Wirtschaft, gute Arbeit, Lösung der Wohnungsnot, ein funktionierender Staat, gesellschaftlicher Zusammenhalt und gute Konzepte zum Umgang mit dem Klimawandel, um nur einige zu nennen."
Keine Begeisterungsstürme
Aufbruchstimmung und Begeisterung wollten bei dem Treffen indes nicht recht aufkommen, auch kritische Töne wurden laut. Der Parteilinke und frühere Vizevorsitzende Kian Niroomand kritisierte "verschiedene Machtzentren in der SPD", die nach außen nicht gemeinsam sprechen. Das sei auch eine Ursache, warum die Partei in Umfragen nur noch bei 12 oder 13 Prozent stehe.
"Das ist ein bisschen ein Orientierungsparteitag: Wie ist die Lage? Was sind die Aufgaben? Wer will Verantwortung übernehmen?", sagte die frühere Parteichefin und Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey am Rande. "Ich glaube, in den nächsten Wochen muss dieser Geist wachsen, dass wir sagen: Es ist nicht schön, dass wir einen weiteren Winterwahlkampf haben, aber wir müssen uns zusammenraufen und gemeinsam kämpfen."
Müller meinte auf Anfrage: "Man spürt die gemischte Gefühlswelt." Es gebe so ein Bauchgefühl, dass das alles hätte früher entschieden werden müssen, sagte er mit Blick auf die zwischenzeitlichen Fragezeichen über eine erneute Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz. "Das ist kein guter Start, aber auf der anderen Seite sind jetzt auch alle kampfeslustig", so Müller.
Schlechte Umfragewerte
Bei der Bundestagswahl 2021 inklusive der Teilwiederholung 2024 hatte die SPD in Berlin mit 22,2 Prozent der Zweistimmen knapp vorn gelegen. Es folgten Grüne (22,0 Prozent), CDU (17,2 Prozent), Linke (11,5 Prozent), AfD (9,4 Prozent) und FDP (8,1 Prozent).
Heute ist die Lage anders: Vor wenigen Tagen sah eine Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des RBB die SPD in Berlin nur noch bei 13 Prozent, wenn bereits an diesem Sonntag Bundestagswahl wäre. Vorn lag in der Umfrage die CDU mit 24 Prozent, gefolgt von den Grünen (22 Prozent) und der AfD (17 Prozent). Hinter der SPD an vierter Stelle rangieren das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW/7 Prozent), Linke (5 Prozent) und FDP (4 Prozent). Auf Bundesebene sieht es nicht viel besser aus.
Widerstand beim 29-Euro-Ticket
Die milliardenschweren Sparbeschlüssen der schwarz-roten Koalition waren ebenfalls Thema des Parteitags. Böcker-Giannini wandte sich dagegen, die Abos für das vor dem Aus stehende 29-Euro-Ticket schnell auf deutlich teurere Alternativen umzustellen. "Alle, die es haben, müssen es für den Preis von 29 Euro jetzt auch für die Vertragslaufzeit von einem Jahr beibehalten können", forderte sie. "Die CDU-Fantasien eines sofortigen Stopps mit Preiserhöhungen auf dem Rücken der Abonnentinnen und Abonnenten sind mit uns nicht zu machen."
Finanzsenator Stefan Evers und Verkehrssenatorin Ute Bonde (beide CDU) wollen die Zuschüsse für das Ticket "schnellstmöglich" einstellen. Dem Vernehmen nach ist der Plan, die Abos der etwa 200.000 Kunden ungeachtet der eigentlichen Mindestlaufzeit von einem Jahr bis Frühjahr auf das Deutschlandticket für 58 Euro oder auf die Umweltkarte für 71,40 Euro umzustellen - mit Sonderkündigungsrecht für Kunden. © Deutsche Presse-Agentur
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