Ausschreitungen bei SGE-Spiel: Ein Jahr nach den Ausschreitungen beim Spiel der Frankfurter Eintracht gegen den VfB Stuttgart stellt die Staatsanwaltschaft eine vorläufige Bilanz der Ermittlungen vor. Doch eine Frage bleibt offen.
Dutzende Verletzte, der Bereich hinter der Nordwestkurve ein Trümmerfeld – und ein tiefer Graben zwischen Eintracht Frankfurt und der Polizei. So in etwa lässt sich das zusammenfassen, was der 25. November 2023 an Spuren hinterlassen hat. Es war das Spiel der Eintracht gegen den VfB Stuttgart.
Am Zugang zur Kurve griffen Fans einen Ordner an, der daraufhin die Polizei um Verstärkung bat. Daraufhin eskalierte die Situation, als sich mehrere Hundert Eintracht-Fans solidarisierten und begannen, Einsatzkräfte anzugreifen. Diese wehrten sich mit Pfefferspray und Schlagstöcken.
Auch ein Jahr nach den wohl schwersten Ausschreitungen bei einem Eintracht-Spiel im Waldstadion ist das Ende der Ermittlungen noch längst nicht erreicht. Doch die Zahlen, die die Frankfurter Staatsanwaltschaft am Freitag veröffentlicht hat, lassen zumindest das Ausmaß erahnen, das hinter den strafrechtlichen Ermittlungsverfahren steckt.
Hausdurchsuchungen erst vier Monat nach der Tat
So sind 93 Verfahren gegen Fans anhängig, wie die Strafverfolgungsbehörde am Freitag mitteilte. Bei 49 Personen lag ein dringender Tatverdacht vor, sich aktiv an den Gewalttaten gegen Ordner und Polizeibeamte beteiligt zu haben. 57 Polizeibeamte seien bei dem Einsatz verletzt worden.
Die Staatsanwaltschaft hatte daher schon im März 42 Durchsuchungen beantragt, weitere folgten später. Die Durchsuchungsbeschlüsse wurden vom Amtsgericht und vom Landgericht Frankfurt erlassen. In drei Fällen wurden die Maßnahmen im Nachgang beanstandet.
Den Beschuldigten werden unter anderem Landfriedensbruch, schwere Körperverletzung und Angriffe gegen Polizeibeamte vorgeworfen. Konkret sollen sie Ordner und Einsatzkräfte mit Absperrgittern, Fahnenstangen, Feuerlöschern, Gürtelschnallen, Plastikboxen, Handtuchhaltern sowie Schlägen und Tritten attackiert haben. Bei den Wohnungsdurchsuchungen wurden unter anderem Kleidungsstücke und Datenträger sichergestellt.
Dass die Durchsuchungen erst vier Monate nach der Tat stattfanden, erklärte die Staatsanwaltschaft damit, dass zunächst "eine immens große Datenmenge der Videoaufnahmen" habe ausgewertet werden müssen. Eine Durchsuchung könne erst erfolgen, wenn eine "hinreichende Grundlage" für das Vorliegen einer Straftat gegeben sei.
"Das Waldstadion ist kein rechtsfreier Raum"
Aber auch gegen Polizeibeamte wird ermittelt. Zu der Anzahl dieser Verfahren äußerte sich die Staatsanwaltschaft "aus ermittlungstaktischen Gründen" am Freitag allerdings nicht. Derzeit dauerten die Ermittlungen in allen Verfahren an, sagte der Sprecher. Es seien weder Verfahren eingestellt noch Anklagen erhoben worden. Die Staatsanwaltschaft nutzte den anstehenden Jahrestag, um Kritik an den Ermittlungen entgegenzutreten.
Wie der Sprecher sagte, wolle er "anregen, dass die Diskussion um die Ereignisse vom 25. November 2023 versachlicht wird". Es sei klarzustellen, "dass die immer wieder zwischen den Zeilen zu lesenden latenten Vorwürfe, es werde nicht ergebnisoffen ermittelt, jeder Grundlage entbehren". Die Staatsanwaltschaft beurteile das, was am 25. November geschehen sei, "in jede Richtung und ohne Ansehen der Person". Jeder, der sich an diesem Tag strafrechtlich relevant verhalten habe, müsse mit Konsequenzen rechnen. "Das Waldstadion ist kein rechtsfreier Raum."
Nach derzeitigem Ermittlungsstand müsse "aber klar gesagt werden, dass Anlass für die Auseinandersetzung die Störung einer Kontrolle eines Ordners durch Zuschauer war, die sodann in einem Angriff auf die eingesetzten Polizeikräfte mündete". Das habe die Strafverfolgungsbehörde schon unmittelbar nach dem Ereignis in einer Pressekonferenz dargelegt, bei der auch Videos gezeigt worden seien, die das Geschehen anschaulich belegt hätten.
Die Staatsanwaltschaft wehrte sich zudem gegen den Vorwurf, "Gesinnungsstrafrecht" zu betreiben. "Jeder, der uns bei diesen Ermittlungen durch Zeugenaussagen unterstützen kann, ist herzlich eingeladen, sich an uns zu wenden", teilte sie mit. Nach den Ausschreitungen hatte auch die Eintracht reagiert. Wie Vorstandsmitglied Philipp Reschke mitteilte, wurden bislang 62 Stadionverbote gegen Fans mit unterschiedlichen Laufzeiten ausgesprochen, neun davon wurden zur Bewährung ausgesetzt. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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