Schau im Schlossmuseum: Das Schlossmuseum in Darmstadt zeigt die Lebenswelt der Prinzessinnen zur Zeit des Staates Hessen-Darmstadt. Präsentiert werden auch Belege für ihren Einsatz für die Armen.
Für Handarbeit durfte eine Fürstin sich nicht zu fein sein. Ihren Gästen, also anderen Adeligen, ein selbst gesticktes Tuch zu präsentieren, verschaffte Prestige. Während für die einfachen Bürger das Nähen oder Stricken eine Notwendigkeit darstellte, gehörte im 16. und 17. Jahrhundert die Handarbeit für den Adel zur Repräsentation. Damit konnte die Dame eines Herrscherhauses ihren Geschmack und ihr Stilgefühl zeigen. Das Produkt stundenlanger Arbeit diente auch als Beleg für ihre Ausdauer.
Dabei wurde nicht nur mit Stoff und Wolle gearbeitet, sondern auch mit menschlichem Haar. Ein sehr persönliches Geschenk konnte eine Dame aus ihrem eigenen Haar flechten. Dazu diente ein Gerät ähnlich einer Strickliesel, das an der Tischkante festgeklemmt wurde. Diese sogenannte Jatte ist auf einem Gemälde aus dem 18. Jahrhundert zu sehen, das in der neuen Sonderausstellung im Schlossmuseum in Darmstadt gezeigt wird.
Das Leben im Residenzschloss in 200 Exponaten
Die Schau mit dem Titel "Frauengeschichte(n) – Darmstädter Fürstinnen und ihre Zeit" macht mit Kleidern und Gebrauchsgegenständen das Alltagsleben der Prinzessinnen, also der Ehefrauen der regierenden Monarchen, am Hof des Staates Hessen-Darmstadt anschaulich, der ursprünglich eine Landgrafschaft war und von Napoleon zum Großherzogtum erhoben wurde.
Ausgestellt sind 200 Exponate, die von 20 Leihgebern und aus dem Bestand des Schlossmuseums im Glockenbau des Residenzschlosses am Marktplatz stammen. Zu sehen ist die Ausstellung bis 23. Februar freitags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr. Mit Gemälden und historischen Dokumenten werden beispielhaft sechs Prinzessinnen aus der Zeit von 1567 bis 1918 vorgestellt.
Die gebürtige Gräfin Magdalena zur Lippe (1552-1587) kam als Frau des ersten Landgrafen Georg I. nach Darmstadt. Der Ehevertrag des Paares zeigt, wie in jener Zeit die Versorgung der Frau geregelt wurde, etwa die Morgengabe, der Geldbetrag, den sie mit der Hochzeit zu ihrer Verfügung erhielt, oder ihr Witwensitz.
In 15 Jahren zehn Kinder geboren
Zu den Aufgaben der Fürstin gehörte es, Nachkommen als Erben in die Welt zu setzen. Magdalena gebar in 15 Ehejahren zehn Kinder. Davon war ihr Körper so ausgezehrt, dass sie unter Kalziummangel litt, der auf die Neugeborenen übertragen wurde. Davon bekamen die Kinder Krämpfe, dagegen sollte eine Kette mit Talismanen helfen. Eine solche ist ausgestellt, daran hängen eine Kaurimuschel, ein Wolfszahn und eine Marienmedaille.
Herzogin Elisabeth Dorothea von Sachsen-Gotha (1640-1709) heirate den verwitweten Landgrafen Ludwig VI. Nach dessen Tod regierte sie als einzige Darmstädter Prinzessin selbst, nämlich als Vormund ihres unmündigen Sohnes Ernst Ludwig. Zu sehen sind Schätze aus ihrer Kunstkammer, etwa ein Pokal, gefertigt aus der Schale einer Kokosnuss, die von einem Stiel aus Silber getragen wird. Wegen ihrer ständigen strengen Ermahnungen, auch noch am Vorabend der Regierungsübernahme des Sohns, war dessen Verhältnis zur Mutter schlecht und sie musste auf Schloss Philippseck, ihren Witwensitz in Butzbach, umziehen.
Pfalzgräfin Caroline von Zweibrücken-Birkenfeld (1721-1774) war eine geistreiche und aufgeschlossene Frau mit großem Interesse für die Literatur und die Philosophen der Aufklärung. Für ihre fünf Töchter betrieb sie eine aktive Heiratspolitik. Bei einer Reise an den Zarenhof in Sankt Petersburg wurde die viertältesten Tochter Wilhelmine von der Zarin als Braut für den Thronfolger des Zarenhofs ausgesucht – für Caroline ein großer Erfolg ihrer diplomatischen Bemühungen. Wie beschwerlich die weite Reise nach Russland gewesen sein muss, lässt eine Reiseapotheke erahnen. Mutter und Tochter begegnen dem Besucher auf Gemälden.
Ein Paar ging getrennte Wege
Prinzessin Wilhelmine von Baden (1788-1836) kam schon im Alter von 15 Jahren an den Darmstädter Hof, als sie ihren Cousin, den Erbprinzen Ludwig von Hessen-Darmstadt, heiratete. Während dessen Regentschaft erlebt der Staat seinen entscheidenden Umbruch durch den Einfluss von Napoleon, der den Monarchen zum ersten Großherzog ernannte. Damit ging eine Vergrößerung des Staatsgebiets um Rheinhessen einher.
Nach der Geburt zweier Söhne als Erben ging das Paar getrennte Wege, Wilhelmine ließ sich die Rosenhöhe als Sommerresidenz herrichten. Aus ihren Besitz stammt Schmuck, gearbeitet im antiken Stil nach dem Vorbild römischer Wandmalereien, die in Pompeji und Herculaneum ausgegraben wurden.
Aus dem englischen Königshaus kam Alice von Großbritannien und Irland (1843-1878), die zweitälteste Tochter von Königin Victoria, nach Darmstadt. Wegen ihres ausgeprägten sozialen Engagements war sie bei den Untertanen sehr beliebt. Entsetzt von Armut und Elend in Sichtweite des Schlosses, nämlich in der Darmstädter Altstadt, bemühte sich Alice um die öffentliche Gesundheitsfürsorge und ging selbst mit einem Arztkoffer zu Frauen im Wochenbett.
Mit Luise Büchner, einer Wegbereiterin der Frauenbewegung, setzte sie sich für die Ausbildung für Mädchen und Frauen in der Krankenpflege ein. Alice starb mit 35 Jahren an Diphtherie, nachdem sie ebenfalls daran erkrankte Familienmitglieder gepflegt hatte. Von ihr und ihrer Familie sind Fotografien überliefert.
Das Ende der hessischen Monarchie
Als Eleonore von Solms-Hohensolms-Lich die zweite Gemahlin des letzten Darmstädter Großherzogs, Ernst Ludwig, wurde, errichtete die Stadt als Geschenk für das Paar den Hochzeitsturm, der das Ensemble aus Jugendstilbauten auf der Mathildenhöhe überragt und zum bekanntesten Wahrzeichen Darmstadts geworden ist. In seinen Vorentwürfe stellte sich der Architekt Joseph Maria Olbrich zunächst eine Art Triumphbogen vor, bevor er das Bauwerk mit dem charakteristischen Dach schuf, das mit seiner Form an die fünf Finger einer ausgestreckten Hand erinnert.
Im Ersten Weltkrieg setze sich Eleonore – in der Tradition des sozialen Engagements ihrer Schwiegermutter Alice – für die Versorgung der Kriegsverletzten ein. In ihrem Tagebuch hat die Prinzessin schließlich das Ende der Monarchie dokumentiert, die Nacht im November 1918, in der ihr Mann als Herrscher abgesetzt wurde, um eine Republik zu errichten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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