Bürgergeld: Die Arbeitslosigkeit in Hessen bleibt hoch. Gleichzeitig leiden Unternehmen, weil Arbeitskräfte fehlen. Passende Programme sind nötig.
Immer mehr Menschen in Hessen gehen einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit nach. Das ist die gute Nachricht vom Arbeitsmarkt. Doch sie tritt in den Hintergrund, angesichts von fast 200.000 Arbeitslosen und einer Quote auf dem Niveau von 2020.
Dabei gibt es weiterhin einen Mangel an Fach- oder einfach nur Arbeitskräften – das zeigen die fast 50.000 offenen Stellen, die bei den Arbeitsagenturen gemeldet sind. Arbeitgeberverbände gehen sogar von fast doppelt so vielen fehlenden Arbeitskräften aus. Man könnte also meinen, die Arbeitslosenzahl dürfte sich leicht verringern lassen.
Angesichts der Tatsache, dass allein im Frankfurter Jobcenter 70 Prozent der dort betreuten Arbeitslosen keinen Berufsabschluss haben, zeigt sich, warum Angebot und Nachfrage nicht zusammenpassen. Hier Abhilfe zu schaffen, muss eines der vordringlichsten Ziele sein.
Was nicht passt, wird passend gemacht
Dabei sollte der Bedarf auf dem Arbeitsmarkt eine größere Rolle spielen als die Neigungen der Arbeitssuchenden. Es muss für die mittelprächtig Deutsch sprechende Polin nicht der zweijährige Lehrgang zur Bürokauffrau sein, wenn vor allem für die Abfertigung am Flughafen Mitarbeiter gesucht werden und dafür nur ein zehnwöchiger Kursus nötig ist. Dass der mit fadenscheinigen Gründen abgelehnt wird, wie neulich in einem Frankfurter Jobcenter, sollte nicht akzeptiert werden.
Unternehmen, die ohnehin derzeit mit einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld zu kämpfen haben, sollten nicht auch noch unter fehlenden Arbeitskräften leiden müssen. Helfen würde sicher auch eine deutlich schnellere Anerkennung ausländischer Schul- und Berufsabschlüsse.
Vor allem aber sollte alles darangesetzt werden, dass keine Lehrstelle unbesetzt bleibt und dass auch Unternehmen ihren Teil beitragen, Arbeitsuchenden ohne Qualifikation eine Chance durch Praktika und Fortbildung zu geben. Nach der Devise: Was nicht passt, wird passend gemacht.
Im Gastgewerbe hat man dazu in Frankfurt ein interessantes Modell entwickelt: In dem Kick-Start-Programm des Branchenverbands und der Arbeitsagentur werden Menschen, die sich für die Arbeit in der Küche oder im Service entscheiden, in wenigen Wochen mit professioneller Schulung – auch sprachlich – fit dafür gemacht und anschließend in Praktika bei potentiellen Arbeitgebern vermittelt. Das Modell sollte Schule machen, es ist sicher auch für andere Branchen realisierbar.
Arbeitslose, die solche Chancen oder Beratungen im Jobcenter nicht wahrnehmen, sollten sich nicht darauf verlassen dürfen, weiterhin auf Kosten der Allgemeinheit zu leben. Auch wenn die Gesetze bislang wenig Sanktionen erlauben, sollten wenigstens die konsequent angewendet werden. Mehr Härte ist wohl nötig. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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