Tumormedizin: Ein Stiftung in Frankfurt hat einen wissenschaftlichen Schatz für die Tumorforschung geschaffen. Er soll helfen, Patienten zu heilen, für die es bisher keine Hoffnung gibt.
Im Keller der Komturstraße 3a in Frankfurt ruht ein Schatz der medizinischen Forschung: tiefgekühlte Krebszelllinien, die Experten aus aller Welt für neue Studien zur Bekämpfung der heimtückischen Krankheit nutzen können. Was diese Zellen so besonders macht: Sie sind resistent gegen Medikamente, die ansonsten erfolgreich gegen Krebs eingesetzt worden sind.
Noch überraschender: Diese Zelllinien stammen nicht von Patienten, sondern wurden erst in Frankfurt gezüchtet. Die nötigen Labore dafür hat die Stiftung für krebskranke Kinder geschaffen, deren Ziel es ist, an Ursachen und besseren Behandlungsmethoden vor allem von Krebs bei Kindern und Jugendlichen zu forschen. Denn deren Erkrankung ist in Häufigkeit, Art und Verlauf anders als Krebs von Erwachsenen.
Die Hauptursache für das Scheitern von Krebstherapien ist eine Wirkstoffresistenz, die im Lauf einer Therapie entstehen kann. Um dann noch helfen zu können, bedarf es neuer Forschung – an den resistenten Krebszellen. Sie werden in Frankfurt künstlich erzeugt und in der "Resistant Cancer Cell Line Collection" gesammelt. Von hier aus werden sie Forschungsgruppen auf der ganzen Welt zur Verfügung gestellt, die damit, so die Hoffnung, neue Medikamente für scheinbar aussichtslose Fälle entwickeln können, wie Martin Michaelis erläutert, der die Zellbank zusammen mit Jindrich Cinatl betreut.
Bis zu 60 Forschungsplätze stehen im Dr.-Petra-Joh-Haus zur Verfügung. Die Einrichtung ist benannt nach der Spenderin aus Gelnhausen, die im Alter von nur 32 Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs starb und ihr Erbe der Stiftung vermachte.
Stiftung wurden von betroffenen Eltern gegründet
Gegründet wurde die Stiftung vor 30 Jahren von betroffenen Eltern, deren Kinder an Krebs erkrankt waren und die den Kampf gegen die Krankheit nicht nur innerhalb der Familie austragen wollten. Etwa 2200 Kinder erkranken jedes Jahr neu an Krebs, davon können 80 Prozent geheilt werden. Die Menschen, die sich in der Stiftung engagieren, wollen auch die anderen 20 Prozent retten.
Der zweite Forschungsschwerpunkt der Stiftung liegt auf personalisierter Medizin. Bisher werde vor allem Chemotherapie sehr erfolgreich bei erkrankten Kindern eingesetzt, doch die Nebenwirkungen seien enorm, sagt Dirk Heckl. Wachstumsstörungen, kognitive Defekte, Gehör- und Lungenschäden könnten die Folgen sein, weil die Chemotherapie eben auch Gift für den jungen Körper sei.
Heckl, der seit 2013 eine Stiftungsprofessur innehat und das Institut für Experimentelle Pädiatrische Hämatologie und Onkologie leitet, will dagegen eine Therapie entwickeln, die nicht so viel Leid mit sich bringt. Dazu setzt er auf die Molekularbiologie und das relativ neue Instrument der Genschere.
Er untersuche, worin sich die Krebszelle von einer gesunden Zelle unterscheide "und wie wir die Unterschiede nutzen können, um die Krebszelle und nur die Krebszelle umzubringen", so Heckl. Einen Schwerpunkt legt er dabei auf die akute myeloische Leukämie, die häufigste Krebserkrankung im Kindesalter und jene mit der schlechtesten Überlebensrate. Für die Pharmaindustrie dennoch ein so seltenes Krankheitsbild, dass deren Interesse an der Forschung sich in Grenzen halte, sagt Heckl. Und doch stehen die Spezialisten an der Komturstraße nicht allein da: Es gibt vielfältige Kooperationen mit der nahegelegenen Uniklinik und der Goethe-Universität.
Dass die vom Verein "Hilfe für krebskranke Kinder Frankfurt" gegründete Stiftung noch nicht so bekannt ist, liegt auch daran, dass sie erst seit wenigen Jahren eigenständiger in Erscheinung tritt: mit ihrer Forschungsarbeit im stiftungseigenen Haus in unmittelbarer Nachbarschaft zum Verein.
Heute benötigt die Stiftung für ihre Arbeit rund drei Millionen Euro im Jahr – davon bringt sie ein Viertel durch Kapitalerträge auf und wirbt drei Viertel durch Spenden ein. So können nicht nur die modernen Labore, sondern auch bis zu 60 Forscherplätze im Dr.-Petra-Joh-Haus finanziert werden. Die Administration beschränkt sich auf eine Handvoll Verwaltungsstellen. Außerdem unterstützen Ehrenamtliche die Arbeit der Stiftung. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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