Offiziell spricht die Deutsche Bahn nur von einer Preiserhöhung von durchschnittlich 1,3 Prozent (1,9 Prozent für Flexpreise). Das klingt wenig, aber der Teufel liegt im Detail. Mit dem Fahrplanwechsel im Dezember will der Konzern ein neues Preissystem etablieren, das vor allem diejenigen belasten könnte, die an verkehrsstarken Tagen fahren müssen. Für treue Bahnkunden könnte das teuer werden.
Wenn die Deutsche Bahn von einer Preiserhöhung von durchschnittlich 1,3 Prozent spricht, dann klingt das nach einer moderaten Anpassung und entspricht der von Bahnchef Rüdiger Grube ausgegebenen Devise. Der hatte Ende September in einem Interview verkündet, dass die Zeit der großen Preiserhöhungen vorbei sei.
Große Sprünge ließen sich in einem schwierigen Marktumfeld nicht mehr umsetzen, beruhigte Grube die Bahnfahrer. Die Pressemitteilung zur neuen Preisrunde schien diese Ankündigung zu bestätigen, scheinbar.
Denn ganz am Ende des Textes findet sich ein Passus, der trotz seiner unscheinbaren Formulierung für viele regelmäßige Bahnkunden teure Konsequenzen haben könnte - und für bestimmte Tage eine Preiserhöhung ankündigt, die weit über den gering klingenden 1,3 Prozent liegen dürfte.
Differenzierte Flexpreise könnten für Pendler teuer werden
Die Bahn wolle ihren Test zum "differenzierten Flexpreis national" ausweiten, heißt es lapidar. Bereits seit August testet die Bahn auf bestimmten Strecken Flexpreise, "die sich tageweise in der Höhe leicht unterscheiden". Dadurch sollen die Züge in der Hauptverkehrszeit nicht mehr ständig überfüllt sein - und gleichzeitig zu anderen Zeiten neue Kunden gewonnen werden, behauptet die Bahn. Was kundenfreundlich klingt, könnte für etliche Stammkunden künftig deutlich höhere Preise bedeuten. Betroffen von der Maßnahme werden vor allem Menschen sein, die häufig zur Hauptreisezeit wie dem Freitag oder Sonntag mit dem ICE reisen, zum Beispiel weil sie aus beruflichen Gründen in einer Fernbeziehung leben.
An Tagen mit vielen Fahrgästen sind günstige Sparpreise der Bahn schon heute nur schwer zu bekommen. Deshalb nutzen regelmäßige Wochenend-Pendler häufig die immer verfügbaren Flexpreise, die früher zu recht Normalpreise hießen.
Fast die Hälfte aller Bahnkunden (40 Prozent) fahren mit diesen Tickets, die sich mit der Bahncard pauschal um 25 oder 50 Prozent ermäßigen lassen. Der Preis für eine Fahrt von A nach B war für diese Kunden bisher immer derselbe, unabhängig von Reisetag und der Auslastung der Züge.
Wie auch bei der Fahrt mit dem Auto konnten die Bahnkunden bislang mit einem festen Preis für eine bestimmte Strecke rechnen, zu jeder Uhrzeit und an jedem Wochentag.
Höhere Preise an bestimmten Tagen
Damit soll nun Schluss sein. "Wer verstärkt am Freitag zum Flexpreis reist, der könnte in der Zukunft von erhöhten Preisen betroffen sein", erklärt eine Sprecherin der Bahn im Gespräch mit unserer Redaktion. Um 2,9 Prozent sollen die Preise an diesen Tagen steigen.
Wer am ebenfalls verkehrsstarken Sonntag zurückreist, könnte ebenfalls von den erhöhten Tarifen betroffen sein. Auch an Feiertagen wie zum Beispiel Pfingsten setzt die Bahn auf höhere Preise zu den Hauptreisezeiten. "Am Freitag vor Pfingsten werden die Flexpreise um 2,9 Prozent höher sein", bestätigt die Sprecherin und verweist auf volle Züge. "Vielleicht überlegt sich dann ja doch noch jemand, lieber am Samstag morgen zu fahren". Wer nicht eine Nacht auf die Heimfahrt warten will, wird eine Preiserhöhung akzeptieren müssen, die weit über den von der Bahn verkündeten 1,3 Prozent liegt.
Pro-Bahn spricht von Abzocke
Dass es der Bahn um eine bessere Auslastung geht, wird vom Fahrgastverband Pro-Bahn bezweifelt. "Wir glauben nicht, dass das zu einer Steuerungswirkung führt. Derjenige der am Freitag fahren will, der fährt nicht einen Tag später.
Und wenn sie am Sonntag in den Urlaub fahren wollen, dann fahren sie nicht eine Woche später", betont Pressesprecher Karl-Peter Naumann im Gespräch mit unserer Redaktion. Ähnliche Experimente hätten bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass eine Lenkung der Nachfrage so kaum möglich sei.
Es gehe der Bahn viel mehr um eine versteckte Erhöhung der Preise, der aber keine bessere Qualität zum Beispiel durch mehr Züge gegenüberstehe. "Wenn nur kassiert wird, dann ist das schlicht und ergreifend Abzocke. Das ist nicht im Sinne des Kunden", betont Naumann.
Außerdem sieht der Verband große Probleme bei der Umsetzung des neuen Systems, bei dem Tickets nur noch an bestimmten Tagen verwendet werden dürfen. "Es wird alles noch komplizierter", glaubt Naumann.
Trotzdem wird es auch Gewinner des neuen Preissystems geben. Als Ausgleich für die erhöhten Flexpreise, will der Konzern an Tagen mit wenigen Reisenden die Preise senken. Wer statt am Freitag oder Sonntag lieber am Samstag reisen will, kann künftig auf geringere Ticket-Preise hoffen.
Allerdings ist an diesen Tagen das Preisniveau schon heute niedriger. Außerhalb der Hauptreisezeiten sind meistens Sparpreise verfügbar, die oft deutlich unter den Flexpreisen mit Bahncard-Ermäßigung liegen. Die Senkung der Preise an Tagen, an denen nur wenige fahren wollen, dürfte die Bahn folglich kaum etwas kosten - und auch den Fahrgästen keinen nennenswerten Gewinn bringen.
Sollen die treuen Kunden die Billig-Strategie zahlen?
Nicht nur Bahncard-Kunden und Nutzer der früheren Normalpreise sind von den verborgenen Preiserhöhungen betroffen. Auch andere treue Kunden der Bahn müssen sich ab Dezember auf höhere Ticket-Preise einstellen. Zeitkartennutzer sollen ab Dezember im Durchschnitt 3,9 Prozent mehr bezahlen. Die pauschale Erhöhung liegt damit deutlich über dem Niveau der Inflationsrate. Dafür sollen sie künftig gratis eine Bahncard 25 für die erste Klasse dazu erhalten.
Mit der verborgenen Preiserhöhung könnte die Bahn einen Ausgleich suchen für die hohen Kosten des Billig-Segments, das der Konzern im vollen Umfang beibehalten will. Auch 2017 sollen wieder Tickets für 19€ verkauft werden. Wer sich lange vorher auf bestimmte Züge festlegt und zeitlich nicht gebunden ist wird auch in Zukunft sehr günstig mit der Bahn reisen können.
Die Spar-Angebote richten sich unter anderem an Gelegenheitsfahrer ohne Bahncard, Studierende und besonders preissensible Fahrgäste. Um die Einbussen durch diese Preissenkungen zu kompensieren, könnten treue Kunden wie zum Beispiel Pendler künftig mehr zahlen.
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