Gestern war die Empörung groß, dass Bayern München einen Trainingsanzug für 399 Euro verkauft. Zugegeben, das Stück Stoff macht schon was her. Weiße Jacke, rote Hose, Adidas-Streifen und Adidas-Logo und dazu das FC-Bayern-Emblem auf der Brust: Wer sowas in der Öffentlichkeit trägt, will jedem zeigen, was ihm der Rekordmeister wert ist.

Pit Gottschalk
Eine Kolumne
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Der Preis ist schnell erklärt: Es gibt nur 115 Stück von den Dingern. Alle Exemplare waren offenbar im Handumdrehen verkauft.

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Die Aufregung war trotzdem überflüssig. Von den 45.885 Euro Umsatz, die der Ausverkauf der limitierten Trainingsanzüge eingebracht hat, könnte der FC Bayern allenfalls einen einzigen Arbeitstag von Leroy Sané bezahlen. Es wird dem Klub also nicht darum gegangen sein, seine Fans zu schröpfen, sondern eher darum, den Fanshop mit etwas Besonderem anzureichern. Ein Sammlerstück mit etwas Luxus. Was ist daran verwerflich? Das Teil kauft eh nur, wer sich's leisten kann.

Es gibt halt keinen Anspruch darauf, dass jeder Bürger einen Ferrari fährt, ein Häuschen im Süden sein Eigen nennt oder eben einen Luxus-Trainingsanzug des FC Bayern im Kleiderschrank hängen hat. Wenn ein Verein seine Zugehörigkeit zur Ferrari-Liga unbedingt beweisen will - na und? Niemand muss 399 Euro blechen, und man kann darauf wetten, dass man Menschen in diesem rot-weißen Schmuckstück wohl selten im Alltag antreffen wird. Für Neid gibt's kaum Anlass.

Die ständige Aufregung geht auf den Keks

Warum das alles hier aufgeführt wird: Es geht einem langsam auf den Keks, dass jede noch so gut gemeinte Idee durch den Kakao gezogen wird. So ein Trainingsanzug im Retro-Look ist eine Spielerei, mehr nicht. Viel ärgerlicher ist doch, dass die normalen Bundesliga-Trikots, die eine Identifizierung mit dem Verein stiften sollen, so sündhaft teuer geworden sind. Oder dass ein Stadionbesuch das Kostenniveau eines Wochenendurlaubs erreicht. Darüber müssen wir wettern!

Wenn der deutsche Fußball seine Fannähe beweisen will, dann lässt der DFB die Nationalmannschaft am frühen Abend spielen, reduzieren die Vereine ihre Eintrittskarten, schafft die Bundesliga ein Liga-Abo fürs Fernsehen, öffnen die Trainer die Eingänge zu ihren Trainingseinheiten, gehen die Spieler zum Friseur ums Eck, sammeln wir Autogramme statt Playstation-Cards. Und gemeinsam lachen wir über Typen, die 399 Euro für einen Trainingsanzug ausgeben.

Pit Gottschalk ist Journalist, Buchautor und Chefredakteur von SPORT1. Seinen kostenlosen Fußball-Newsletter Fever Pit'ch erhalten Sie hier.
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