Man hat manchmal eine naive Vorstellung davon, wie zwei ehemalige Fußballkameraden miteinander umgehen sollten. Nehmen wir das Beispiel Lothar Matthäus und Oliver Kahn. Der eine soll dem anderen Lügen vorgeworfen haben, der andere fordert Mäßigung ein, was wiederum einen Konter provoziert und noch mehr zündelt. Und das alles findet statt in aller Öffentlichkeit, live und in Farbe.

Eine Kolumne
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Zwischen ihnen steht: die Trennung von Bayern-Trainer Julian Nagelsmann. Die Vereinslegende Lothar Matthäus sieht unter dem Vorstandsvorsitzenden Oliver Kahn das alte Familiengefühl "Mia San Mia" beim FC Bayern gefährdet, was ein Klubchef schon aus Prinzip nicht so stehen lassen darf. Seit am Samstag vor dem Sky-Mikrofon die Fetzen flogen, geht's um alles - nur nicht mehr um Julian Nagelsmann.

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Der Journalist in mir schreit: herrlich! Endlich wieder Schlagzeilen! Der Fan in mir ruft: Popcorn! Wo bleibt mein Popcorn! Dann schreitet der Menschenverstand ein und stellt die entblößende Frage: Warum sind die zwei Altinternationalen, die beim FC Bayern so viel miteinander erlebt und durchgestanden haben, nicht zu einem klärenden Männergespräch hinter verschlossenen Türen in der Lage?

So bleibt der Vorwurf der Lüge im Raum stehen, nicht wirklich widersprochen und schon gar nicht bewiesen. Ist das förderlich fürs große Ganze? Niemand weiß, unter welchen Umständen Julian Nagelsmann als Bayern-Trainer entlassen wurde. Was aber die Nagelsmann-Seite erreicht hat: Niemand spricht mehr darüber, dass es gute Gründe für die Trennung gab.

Matthäus und Kahn stehen im Fokus und Nagelsmann ist fein raus

Der Männerstreit zwischen Matthäus und Kahn überdeckt die inhaltliche Auseinandersetzung, dass Nagelsmann seine Spieler mit Trainingsformen und Ego-Trips genervt hat, dass Zweifel an der Kompetenz zur Fehler-Beseitigung aufkamen und dass Thomas Tuchel womöglich die bessere Wahl ist. Nagelsmann ist fein raus. Wahrscheinlich heuert er demnächst beim FC Chelsea an.

Mit der halbgaren Drohung, dass Matthäus nicht eine Linie überschreiten sollte, tut sich Kahn keinen Gefallen. Ein Vorstandsvorsitzender muss erstens immer kommunikativ und zweitens souverän bleiben. Das heißt: Einladung an die Säbener Straße, Türen zu und zwei Stunden Geschrei vom Feinsten. Danach ein Bier, dann sollte die Sache erledigt sein. So machen Fußballer das.

Darum nochmals schriftlich: Lothar und Oliver, geht ein Bier trinken!

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