Bei der nachfolgenden Argumentation darf sich Borussia Dortmund auf die sehr wahren Hinweise zurückziehen, dass man (a) Borussia Mönchengladbach zuletzt 1:0 besiegt hat, (b) nur drei Punkte zur Tabellenführung fehlen und (c) erst ein Viertel der Bundesliga-Saison gespielt ist. Zur Wahrheit über den BVB gehört aber eben auch, dass die Mannschaft großen Mist spielt.

Pit Gottschalk
Eine Kolumne
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In Summe vereinigt der Kader Spieler mit einem Marktwert von 640 Mio. Euro. Borussia Mönchengladbach kommt nicht einmal auf die Hälfte. Was den Spitzenreiter aber unterscheidet, ist die mathematische Überhöhung im Sport, dass eins plus eins gleich drei ist, wenn ein Trainer aus seinen Spielern eine Mannschaft formt. Der BVB hat keine Mannschaft auf dem Platz.

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Trainer Lucien Favre sollte sich erst gar nicht mit seinen üblichen Ausreden aus der Verantwortung stehlen. Wenn er Mario Götze bei der Auswechslung auf Schalke keines Blickes würdigt, ist das mit der Konzentration auf die Nullnummer in der Veltins-Arena nicht zu entschuldigen. Oder glaubt wirklich jemand ernsthaft, Ex-Trainer Jürgen Klopp würde das jemals passieren?

Man konnte es gestern bei Jürgen Klopp beim Spitzenspiel gegen Tottenham sehr gut auf Sky beobachten: Sogar bei einer Partie, die intensiv geführt wurde, bekam jeder ausgewechselte Profi seine Aufmerksamkeit. Nach Schlusspfiff ging Klopp zu jedem hin, und jeder verließ den Plausch mit einem Lächeln. Wann lächelten die Dortmunder so herzlich bei Lucien Favre?

Die Gladbacher Borussen stehen dort, wo die Dortmunder hinwollen

Es hat jedenfalls seinen Grund, warum die eine Borussia aus Mönchengladbach aktuell dort steht, wo die andere Borussia aus Dortmund gerne hin möchte. "Borussia Mönchengladbach bietet vielleicht nicht das beste Team der Bundesliga auf", stellte die Rheinische Post nach dem 4:2 im Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt voller Lokalstolz fest, "aber kein anderes funktioniert so gut."

Damit die Ansammlung von Spielern zu einer Mannschaft heranwächst, gehören böse Phasen. Am Niederrhein hat man nicht vergessen, was Anfang des Jahres passiert ist. Damals schon hatte Mönchengladbach Historisches in der Bundesliga geleistet. Mit 42 Punkten nach 20 Partien spielte die Mannschaft des damaligen Trainers Dieter Hecking die beste Bundesliga-Saison seit der Meisterschaft 1976/77.

Mit einem Sieg im folgenden Bundesliga-Spiel gegen Hertha BSC wären Ambitionen auf die Meisterschaft unvermeidbar gewesen. "Jetzt schlägt die Stunde von Mönchengladbach", schrieb Fever Pit’ch. Das Heimspiel ging anschließend 0:3 verloren. Das Hecking-Team rutschte von der Verfolger-Position ruckartig in eine Krise. Der Vereinsmanager Max Eberl beantwortete die Trainerfrage mit einer Trennung im Sommer.

13 Punkte holte man noch. Auf der Zielgeraden sprang Platz 5 heraus, die Europa League. Mehr war nicht drin. Die Nervenbelastung so weit oben in der Tabelle lähmte die Beine. Vielleicht ist genau an diesem Punkt die größte Entwicklung feststellbar: Mönchengladbach ist cool geworden. Trainer Marco Rose verteidigte die Tabellenführung am Sonntag ein zweites Mal. Als Mannschaft verkraftet man auch ein 0:1 wie vor einer Woche in Dortmund.

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