Die Plakate vor dem Pokalspiel beim SV Drochtersen/Assel verfehlten die Signalwirkung nicht. Die tausend Schalke-Fans schickten ihre Botschaft von der Tribüne aus direkt an die Adresse des Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Tönnies: Rote Karte für Rassismus.

Eine Kolumne
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Das Foto vom roten Fanprotest wurde landesweit gezeigt und verdrängte die Freude, dass Schalke mit einem 5:0 souverän in die zweite Pokalrunde eingezogen ist. Dagegen kommt auch Sportvorstand Jochen Schneider mit seinen Appellen im WAZ-Podcast nicht an.

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Der Fall Tönnies lässt den FC Schalke 04 einfach nicht los. Die Fronten sind verhärtet, seit Clemens Tönnies auf dem Handwerker-Tag in Paderborn eine abfällige, weil rassistische Bemerkung gegen Afrikaner getätigt hat. Zehn Tage ist sein Auftritt schon her.

Die Fangruppierungen sind nicht damit zu besänftigen, dass der Fleischproduzent aus Rheda-Wiedenbrück seine Ämter beim FC Schalke 04 drei Monate lang ruhen lässt. Ein “Weiter so” sei nicht mit der Satzung und dem Leitbild des Vereins in Einklang zu bringen, heißt es.

Vertrauensfrage für Tönnies?

In der Woche vor dem Saison-Auftakt bei Borussia Mönchengladbach stürzt Schalke immer tiefer in die Vertrauenskrise. Niemand wagt eine Prognose, ob die Situation beim ersten Bundesliga-Heimspiel gegen Bayern München (24. August) eskalieren könnte.

Darum kann die Lösung nur heißen: Neuwahlen. Schalke muss herausfinden, ob die Proteste nur laut sind oder auch eine Mehrheit im Verein repräsentieren. Denn auch das gehört zur Wahrheit: Nicht wenige sprechen von einer “Hetzjagd auf Tönnies”.

Aber Relativierungen der zweifellos törichten Tönnies-Aussagen führten eher zu noch mehr Emotionen. Schalke ist ein zerstrittener Verein geworden. Man kann die Uneinigkeit nur demokratisch aus der Welt schaffen: Tönnies muss die Vertrauensfrage stellen.

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Tönnies-Gegner brauchen 16.000 Unterschriften

Bei der Wahl zum Aufsichtsrat im Juni holte er 5.599 der 9.568 Stimmen im Saal. Das waren 58,5 Prozent. Wenn Tönnies überzeugt ist, dass er weiterhin die Mehrheit hinter sich hat, dürfte er Neuwahlen nicht scheuen. Er wäre danach über alle Zweifel erhaben.

Eine Außerordentliche Mitgliederversammlung müssen laut Paragraf 6.2 der Satzung zehn Prozent der stimmberechtigten Mitglieder schriftlich und begründet beantragen. Die Tönnies-Gegner brauchen im ersten Schritt also 16.000 Unterschriften.

Die Satzung sieht zwar eine Vertrauensfrage formal nicht vor. Aber mit einem formlosen Votum in einer Mitgliederversammlung verteidigte oder verlöre Tönnies seine Legitimation im Aufsichtsrat. Er wüsste dann, woran er ist. Oder will er tatsächlich eine Minderheit vertreten?

Pit Gottschalk, 50, ist Journalist und Buchautor. Seinen kostenlosen Fußball-Newsletter Fever Pit’ch erhalten Sie hier: http://newsletter.pitgottschalk.de.
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