Noch darf man keine Prognose wagen, ob der Einzug von vier deutschen Mannschaften ins Achtelfinale der Champions League tatsächlich eine Zeitenwende für die Bundesliga bedeutet. Es ist jedenfalls keine Momentaufnahme. Schon 2020/21 kamen vier Teams weiter.
Und wenn jetzt 80 Prozent von den ursprünglich fünf Startern weiterkommen und der eine, der in den Gruppenspielen rausflog, immerhin in die Europa League weitergereicht wird (Bayer Leverkusen), dann ist die Bundesliga vielleicht doch besser, als wir uns das selbst manchmal eingestehen.
Barcelona und Atletico scheitern
Bei der Achtelfinal-Auslosung am 7. November wird Spanien nur mit einer Mannschaft vertreten sein (Real Madrid) und nach Gründen suchen, warum der FC Barcelona in der Bayern-Gruppe und FC Sevilla in der BVB-Gruppe jeweils nur Platz drei belegten und Atletico Madrid sogar Letzter in der Leverkusen-Gruppe wurde. Vielleicht hat ein himmlisches Sportgericht dafür gesorgt, dass die spanischen Klubs für ihr abenteuerliches Geschäftsgebaren einen Denkzettel verpasst bekamen. Es tut ihnen weh, dass jetzt Porto und Brügge sowie Benfica Lissabon im K.o.-System sind.
Weil sie alle sechs Gruppenspiele gewannen, sind die Bayern zwangsläufig der Favorit auf den Champions-League-Sieg 2022/23. Das ist Belohnung und Bürde zugleich. Eine Belohnung, weil die Favoritenrolle immer Ausdruck von eindrucksvollen oder sogar makellosen Leistungen darstellt. Und doch eine Bürde, weil alles andere als der Einzug ins Halbfinale eine Enttäuschung wäre. Es ist der Fluch der guten Taten: Wer Barcelona an die Wand spielt (5:0 Tore in zwei Spielen) und Inter Mailand bricht (4:0 Tore in zwei Spielen), nährt die Erwartungen nicht nur bei den Fans.
Frankfurt durch Energieleistung im Achtelfinale
Anders Eintracht Frankfurt. Es ist eine Sensation, dass der deutsche Königsklassen-Neuling überhaupt die Vorrunde überstanden hat, zwischenzeitlich sogar Platz 1 belegte und das Europapokal-Märchen fortschreibt. Die SGE macht allen anderen Mittelklasse-Klubs Mut, wie man eine Mannschaft trotz aller Abgänge (zuletzt Kostic) reifen lässt und dafür belohnt wird. Das Überwintern in der Champions League bringt neun bis zehn Millionen Euro. Was heißt: Hinter Bayern und BVB wächst eine dritte Macht heran, auf Augenhöhe mit RB Leipzig, die aufrüsten darf.
Sportchef Markus Krösche hat in seiner kurzen Amtszeit bisher nicht nur einen Europa-League-Sieger aufgebaut und die Bestätigung in der Klasse drüber abgeliefert. Er gehört mit seinen 42 Jahren zu einer jungen Generation von Managern, die ihre eigene Geschichte schreiben. Wie beim FC Bayern Hasan Salihamidzic mit 45 Jahren, wie bei RB Leipzig Oliver Mintzlaff mit 47 Jahren, Sebastian Kehl mit 42 Jahren, in Leverkusen Simon Rolfes mit 40 Jahren. Sie sind weniger Lautsprecher als Tüftler, eher auf Daten fixiert als auf Augenschein, eher Teamplayer als Zampano.
Die Hoeneße, Calmunds und Lemkes mochten einen höheren Unterhaltungswert haben, aber sie hatten ein eng begrenztes Spielfeld: die Bundesliga und ein bisschen Europapokal. Ihre Nachfolger müssen sich größeren Herausforderungen stellen: dem Verhandlungsdruck aus der Premier League, der Gier auf die Fleischtöpfe in der Champions League, der Penetranz aus der Beraterbranche. Das Managerspiel ist dadurch komplexer geworden, globalisiert und dank Social Media öffentlicher. Schön, dass es diesmal eine Belohnung für "Made in Germany" gab.

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