Der Ärger über die erneute Spielplanänderung bei der WM 2022 in Katar ist noch nicht verflogen. Nicht weil die Änderung an sich stattgefunden hat; der Vorgang ist eine Petitesse. Sondern weil die Nachricht erstens so spät reintropfte und zweitens das Fass zum Überlaufen brachte.

Eine Kolumne
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Wenig Vorfreude auf das Turnier

Eigentlich finden Weltmeisterschaften ja alle vier Jahre statt, damit sich die Leute darauf freuen und womöglich hinfahren. Aber die neueste Umfrage beim Bundesligabarometer von Professor Madeja (SLC Management) liefert ernüchternde, weil repräsentative Ergebnisse über das wahre Fan-Empfinden in Deutschland (n = 5.321 Befragte).

Demnach lehnen – Achtung! – exakt 98,1 Prozent der deutschen Fans eine Reise nach Katar ab. 1,2 Prozent sind unentschlossen. Nur 0,7 Prozent wollen hin, ob mit oder ohne Tickets, Hauptsache WM. Nicht mal einer von hundert Fußballfans. Das Resultat sollte die Fifa beschämen.

In der Umfrage schlägt auch das gute Gewissen durch, wenn man genauer auf die Begründungen hinschaut (Mehrfachnennungen möglich):

  • Die Vergabe der WM an Katar grundsätzlich -- 70,5 Prozent
  • Die Situation in Katar allgemein -- 60,2 Prozent
  • Die Menschenrechtssituation in Katar -- 58,0 Prozent
  • Zu teuer -- 54,1 Prozent
  • Der Zeitpunkt im November/Dezember -- 35,6 Prozent
  • Entfernung -- 34,6 Prozent
  • Zu Hause zuschauen ist interessanter -- 21,0 Prozent
  • Habe keinen Urlaub/keine Zeit -- 19,2 Prozent
  • Sicherheit -- 16,2 Prozent
  • Sonstige Gründe (insgesamt fünf) -- 21,9 Prozent

Man kann es nicht anders sagen: Die WM in Katar ist schon jetzt ein Fiasko für den Weltverband Fifa – ob mit geplanter oder früherer Anstoßzeit.

Vom Ausverkauf des Fußballs

Längst geht’s in der Debatte ja nicht mehr darum, ob Katar das richtige Gastgeberland ist. Die Frage wurde mit einem klaren Nein beantwortet. Man kam halt aus der Sache nicht mehr heraus. Die Fragen müssten jetzt lauten: Wie konnte es so weit kommen? Und warum bringt die Fifa keine Kraft zum Schuldeingeständnis auf?

Zurück auf Anfang. Die Debatte gewann diese Woche eine ungeahnte Aktualität, als bekannt wurde, wie WM-Gastgeber Katar die Fifa überreden will, den WM-Spielplan samt Eröffnungsspiel zu eigenen Gunsten umzustellen. Das Schlimme daran: dass die Fifa überhaupt Gesprächsbereitschaft gezeigt hat und die Änderung begrüßte.

Krasser kann man den Ausverkauf des Fußballs nicht erkennen: Fifa-Präsident Gianni Infantino gibt den Scheichs brav Pfötchen. Nicht zum ersten Mal. Wir haben uns irgendwann daran gewöhnt, dass die Fifa-Exekutive die Weltmeisterschaft an ein Land vergibt, das mit Fußball so viel zu tun hat wie Deutschland mit Cricket.

Geltungssucht auf der Weltbühne

Wir haben sogar toleriert, dass man das WM-Turnier in die kalte Jahreszeit verlegt und den Ligabetrieb weltweit und wochenlang unterbricht – ohne Rücksicht auf Verluste. Wir wurden damit ruhig gestellt, dass die Aufblähung des Teilnehmerfelds erst vier Jahre später passiert, was von der Debatte ablenkte, dass die Stadien in Katar keine Nachhaltigkeit versprechen und Todesopfer abverlangten.

Nun der neue Spielplan. Katar will das erste Gruppenspiel gegen Ecuador als Eröffnungsspiel deklariert wissen, obwohl die Auslosung genau das nicht vorsah. Aber hier geht’s ja nicht um Fairness und Sportliches. Katar will sich mit der Turniereröffnung in aller Welt präsentieren und nicht unter ferner liefen, weil das Ecuador-Spiel für den zweiten Tag geplant ist. Solche Gedankenspiele kennt man nur aus Staaten mit Geltungssucht.

Fifa-Präsident Infantino hätte sofort “Stopp!” rufen sollen, wie es sich für einen Hüter des Fußballs gehört. Doch dazu würde Mumm gehören. Den hat Infantino nachweislich nicht und nie gehabt. Damit verstößt er gegen alles, was dem Fußball heilig ist. Ist denn keiner da, der ihn aus dem Amt jagt? Oder hängen alle mit drin? Das wären die nächsten Fragen.

Hier finden Sie den Spielplan zur WM 2022

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